Wandel von der Produkt- zur Solution-Company soll forciert werden

Digital will Kundenservice in den Mittelpunkt stellen

17.10.1997

Digital Equipment ist seit vielen Jahren in der IT-Branche etabliert, doch vor allem jüngere Anwender können mit der Marke "Digital" so gut wie nichts anfangen. Wie andere IT-Hersteller auch hat DEC seinen Erfolg lange Zeit auf proprietären Architekturen aufgebaut. Und wie so mancher Wettbewerber hat Digital im Zuge vielfältiger Restrukturierungen "ein Tal der Tränen durchwandert", erst jetzt beginne man allmählich, "in Form zu kommen". Claflins Bilanz zum vor wenigen Wochen begangenen 40jährigen Firmenjubiläum seines neuen Arbeitgebers war von vorsichtigem Optimismus geprägt.

Der neue DEC-Vertriebs- und Marketing-Chef, der zuvor 22 Jahre in Diensten von IBM stand und dort zuletzt als General Manager für das weltweite PC-Geschäft verantwortlich war, macht aus den Fehlern der Vergangenheit keinen Hehl. Als grundsätzliches "Strukturproblem" früherer Zeiten bezeichnete Claflin die zu geringe Ausrichtung des Unternehmens auf wachstumsstarke Geschäftsfelder. Man habe konzernweit profitabel gearbeitet, aber die Umsätze stiegen nicht in dem Maßstab, "der für die IT-Branche gang und gebe ist".

Bedingt durch die Aufgabe diverser Geschäftsbereiche brach im zurückliegenden Geschäftsjahr 1997 der Umsatz ein. Der Computerkonzern hatte nach von 14,6 auf rund 13 Milliarden Dollar gesunkenen Einnahmen die starre Ausrichtung nach einzelnen Business Units zugunsten eines wieder stärkeren Einflusses der einzelnen Landesgesellschaften fallengelassen. Claflin deutete an, daß diese Restrukturierung bereits seine Handschrift trägt. Das "Cross-Selling" innerhalb der alten Digital-Struktur, bei dem jede Digital-Mannschaft, die zum Kunden kam, dort als "selbständige Firma" auftrat, habe nur leidlich funktioniert. Die Anwender, die mehr denn je vor dem Problem der Integration heterogener Welten stehen, hatten es mit "unzähligen Ansprechpartnern" zu tun.

Das soll der Digital-Kundschaft nun nicht mehr zugemutet werden. Insbesondere global agierende Anwenderunternehmen kommen Claflin zufolge in den Genuß eines produktübergreifend agierenden Key-Account-Managements, das Unterstützung vor Ort bietet. Der DEC-Manager: "Globale Anwender wollen eine Lösung einmal entwickelt und dann weltweit implementiert haben."

Neben dem Prinzip des "One Face to the Customer" setzt Digital auf die drei strategischen Wachstumsplattformen 64-Bit-Unix, Windows NT und das Internet. Claflin erwartet rund um diese strategischen Produktlinien zwei Drittel des künftigen Wachstums, das sich auf jährlich mindestens 20 Prozent einpendeln soll.

Laut dem neuen Mann geht man bei DEC davon aus, daß im Jahr 2000 rund 90 Prozent der Anwender in ihren unternehmensweiten Netzen auf die Server-Plattformen NT und Unix setzen werden; jede der beiden Technologien soll für sich betrachtet über 40 Prozent des Server-Markts abdecken. Demzufolge führe man hier nicht "religiöse Glaubenskriege", sondern sei "auf der Seite der Kunden". Diese sollen Digital zudem künftig nicht nur als Solution-Company", sondern auch als entsprechende "Marke" wahrnehmen.

Um dieses "Branding" im Markt zu verankern, setzt man weiter auf bewährte weltweite Partner. Im Bereich Enterprise Computing, also Hochleistungs-Server und deren Anbindung an Datenbanken, sind dies nach wie vor Microsoft, Computer Associates und Oracle. Gleiches gilt für SAP bei Standardsoftware sowie den US-Carrier MCI, der laut Claflin der "zentrale Internet- und Intranet-Partner" für Digital ist.

Schwerpunkte des Geschäfts im Cyberspace sollen auch künftig unter dem Stichwort "Inter-net Commerce" Suchmaschinen (Altavista), Firewall-Systeme sowie die Belieferung von Internet-Service-Providern mit Servern, die auf Alpha-Prozessoren basieren, samt entsprechenden Services sein.

Der DEC-Manager verwahrt sich gegen den Eindruck, das Unternehmen sei mit der Alpha-Technologie dabei, sich ähnlich wie früher mit Open VMS zu sehr auf einen Produktbereich zu konzentrieren. Das Image einer "Alpha-Company" treffe nicht zu, 80 Prozent des Umsatzes generiere Digital mit anderen Lösungen und Produkten. Zu einem möglichen Verkauf der Alpha-Plattform an Intel nahm Digital keine Stellung. Auch in den letzten Wochen aufgekommene Gerüchte, wonach Digital sein gesamtes Networking-Business - ähnlich wie zuletzt das Druckergeschäft an den US-System-Integrator Genicom - verkaufen könnte, wollte er nicht bestätigen. Der Netzwerkmarkt gehöre mit zu den strategischen Wachstumsfeldern. Im Bereich der Netzhardware sei aber das eigene Produktportfolio "nicht groß genug". Deshalb denke man hier über eine Lösung nach, fasse dabei jedoch eher eine "Kooperation mit einem anderen großen Hersteller" ins Auge.