Studie

Digital Labs und bimodale IT bringen Unternehmen nicht weiter

01.08.2017
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Eine digitale Agenda haben heute die meisten Unternehmen, sie allerdings umzusetzen ist mühsam. Eine Umfrage unter Topmanagern zeigt: Weder eine IT der zwei Geschwindigkeiten noch Innovation Labs führen ans Ziel. Gefragt ist ein ganzheitlicher Transformationsansatz, der alle Beteiligten mitnimmt.

Wie sieht die ideale IT-Organisation in einer digitalisierten Welt aus? Diese Frage stellten sich das Beratungshaus A.T. Kearney und das Fraunhofer FIT (Institut für Angewandte Informationstechnik) in der Studie "Designing IT Setups in the Digital Age". Befragt wurden branchenübergreifend 140 Topmanager (mehrheitlich C-Level) aus aller Welt, wobei der Schwerpunkt auf dem deutschsprachigen Raum lag.

Was im digitalen Wandel zählt.
Was im digitalen Wandel zählt.
Foto: A.T. Kearney

Ansätze, in denen Unternehmen Innovationsverantwortung bündeln und auslagern, um schneller zu werden und neue Kräfte freizusetzen, zahlen sich laut Umfrage nicht aus. Die Manager sprechen sich mehrheitlich gegen eine bimodale IT, digitale Hubs, Accelerators und Inkubatoren aus. Stattdessen raten sie, das gesamte Unternehmen zu transformieren, nach dem DevOps-Prinzip zu arbeiten und cross-funktionale Teams zu bilden. Die meisten Befragten haben eine digitale Agenda, doch deren Implementierung erfolgt meist nur zögerlich und unter Schmerzen.

Viele Unternehmenslenker sind relativ orientierungslos, wenn es um die Umsetzung in die Praxis gehen soll. Überdies erweist sich die meist komplexe, über Jahrzehnte gewachsene Legacy-IT als schwerer Klotz am Bein, zumal die ideale IT-Welt sich durch Leichtigkeit und Flexibilität auszeichnen soll. Auch soll sie zum einen hochsicher, zum anderen aber so offen wie möglich sein: Man möchte Collaboration-Szenarien umsetzen, die das Unternehmen und sein gesamtes Ökosystem umfassen.

Zu viele "Anfänger" und "Verweigerer"

A.T. Kearney und Fraunhofer FIT resümieren in ihrer Martkforschung, dass 40 Prozent der Unternehmen "digitale Anfänger" und 27 Prozent sogar "digitale Verweigerer" sind. Die große Mehrheit von 87 Prozent lege nicht einmal Wert darauf, aggressive Newcomer, die ganze Märkte aufrollen wollten und sich nicht an Spielregeln hielten, professionell zu beobachten.

Ausgegründete Denkschmieden, die befreit von jedem Konzernballast auf der grünen Wiese neue Ideen produzieren sollen, sind nach Ansicht der Befragten nicht die Lösung. Das Gleiche gilt für eine IT der zwei Geschwindigkeiten, die von manchen Unternehmen eingeführt wurde, um in geschäftskritischen Bereichen Projekte schneller umsetzen zu können. Stattdessen halten drei von vier Befragten die Zusammenführung von Business-und IT-Verantwortung für einen Schlüssel zum Erfolg. Zudem brauche es gemeinsame Prozesse und Werkzeuge für ein optimales Zusammenspiel von Softwareentwicklung, IT-Betrieb und Qualitätssicherung (QS).

A.T. Kearney und Fraunhofer FIT beschreiben eine idealtypische IT-Organisation und beginnen dabei mit einer modularen und flexiblen Architektur mit klaren Regeln als Fundament. Dazu gehören Sicherheits- und Datenschutzvorkehrungen, die auf der Höhe der Zeit sind, sowie standardisierte Schnittstellen. Auf diesem Sockel stehen vier Säulen: Governance und Management, Menschen und Kultur, Entwicklung und Betrieb sowie Sourcing und Partner-Management.

Den dringendsten Nachholbedarf sehen die befragten Manager laut Studie im Bereich Menschen und Kultur: Wandel und Innovation als Dauerzustand zu akzeptieren, das Scheitern von Projekten ertragen zu können und Kunden in Innovations- und Entwicklungsprozesse zu involvieren - das möchten 61 Prozent der Befragten lernen und vorantreiben.

Im Bereich Governance und Management gilt es zudem, Teams aufzustellen, die Lösungen übergreifend und "End to End" einführen können. Auch bedarf es flexiblerer Planungs-, Budgetierungs- und Kontrollprozesse. Automatisierte Test- und Deployment-Abläufe gelten als Kernaufgabe, wenn es um Entwicklung und Betrieb geht.

Unternehmen möchten die Geschwindigkeit ihrer Frontend- und Backend-Prozesse erhöhen und - via DevOps-Methode - Entwicklungs- und Betriebsprozesse integrieren. Auch Sourcing und Partner-Management sollen neu organisiert werden: Vormals outgesourcte Bereiche, insbesondere die Anwendungsentwicklung, gilt es wieder zurückzuholen. Das Vendor-Management sei eine entscheidende Fähigkeit in der digitalen Transformation.

IT als Enabler für neue Geschäftsmodelle

Fundament und Säulen des IT-Hauses sind nichts wert, solange das Dach fehlt - eine übergeordnete Strategie und das Business Alignment. Vier von fünf Managern sind sich sicher, dass Business- und IT-Abteilungen nicht mehr zu trennen sind, sie müssten mit einer gemeinsamen Strategie dieselben Ziele verfolgen. Geschäfts-, IT- und Digitalstrategien, die nicht voll integriert sind, werden abgelehnt.

Die Rolle der IT wandele sich fundamental, sie sei zum "Enabler für neue Business-Modelle" geworden. 77 Prozent sagen, die systematische Erforschung von Chancen, die sich aus neuer Technologie ergäben, sei ein "vitaler Beitrag" der IT-Abteilungen. Und 68 Prozent erwarten, dass die IT-Organisationen Ideen für digitale Geschäftsmodelle hervorbringen.

Nur für 17 Prozent ist der CDO eine Option

Dass der digitale Wandel Unternehmen über alle Abteilungsgrenzen hinweg fordere und ohne C-Level-Support nicht denkbar sei, glauben 98 Prozent der Befragten. Doch wer im Vorstand sollte den Hut aufhaben? 46 Prozent sehen klar den CEO in der Verantwortung, 19 Prozent den Chief Information Officer.

Einen Chief Digital Officer halten 17 Prozent der Teilnehmer für sinnvoll, er könne die Transformation beschleunigen und über Abteilungsgrenzen hinweg den Wandel vorantreiben. Zwei von drei Managern halten diese Position allerdings nur für eine Übergangserscheinung. Ein CDO müsse das Unternehmen in die digitale Spur setzen und sich dann selbst überflüssig machen.

Die detaillierten Ergebnisse der Studie von A.T. Kearney und Fraunhofer FIT finden Sie hier: Studie als PDF Download