Das Internet droht, die Gesellschaft zu spalten

Digital Divide: Arbeit gibt es nur für Menschen mit Web-Know-how

28.04.2000
MÜNCHEN (CW) - In Großbritannien und den USA haben die Regierungen Maßnahmen eingeleitet, um den so genannten Digital Divide zu bremsen. Gemeint ist damit die Kluft zwischen den wohlhabenden Bürgern, die das Internet längst für ihr berufliches Fortkommen nutzen, und den Minderprivilegierten, die sich das neue Medium nicht leisten können.

Die Regierungen der Industrienationen machen sich zunehmend Sorge um die immer tiefer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Gelingt es nicht, diesen Trend umzukehren, dann ist der soziale Frieden gefährdet. Gerade der Internet-Boom der vergangenen Jahre trägt jedoch zu einer Verschärfung der Situation bei. Die britischen Analysten von Booz, Allen & Hamilton bringen das Problem auf den Punkt: "Bürger ohne Internet-Zugang werden auf dem Arbeitsmarkt, beim Einkommen, bei den Gestaltungsmöglichkeiten ihres Lebens und beim Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen ins Hintertreffen geraten." Das Beratungsunternehmen hat für die britische Regierung eine Studie zum Thema Digital Divide erarbeitet und Vorschläge gemacht, die zum Teil übernommen wurden.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen klingen vertraut. Die Politik soll eine Infrastruktur schaffen, um den Internet-Zugang möglichst preisgünstig zu machen, etwa Unternehmen der Branche Steuervergünstigungen gewähren. Das Web soll an möglichst vielen Stellen für jedermann nutzbar werden, etwa bei Behörden, in Bibliotheken und bei den Arbeitsämtern. Empfohlen wird die Internet-Ausstattung der Schulen sowie flächendeckende Schulung für Schüler und Lehrer. Insbesondere die schwachen sozialen Schichten sollen durch Arbeitsämter, Sozialhelfer und andere Stellen zum Surfen ermutigt werden. Ähnliche Maßnahmen gibt es auch in Deutschland sowie auf EU-Ebene.

In dasselbe Horn stößt auch US-Präsident Bill Clinton mit seinem "nationalen Aufruf zum Handeln", nachdem seine vor einem Jahr gestartete Kampagne gegen Digital Divide wenig Wirkung zeigte. Neben den üblichen Maßnahmen wie Internet für Schulen und Bibliotheken hat die Regierung 12,5 Millionen Dollar zur Bildung eines "E-Corps" mit 750 "Rekruten" bereitgestellt, das Jugendlichen den Zugang zum Web eröffnen soll. Der Portalanbieter Yahoo will dafür eine Werbekampagne im Wert von einer Million Dollar starten. Insgesamt sollen sich der Initiative rund 400 Unternehmen angeschlossen haben.

Unklar ist der Erfolg solcher Maßnahmen. So ist in Großbritannien die soziale Kluft nach Angaben des britischen nationalen Statistikbüros unter der Labour-Regierung unter Tony Blair noch angewachsen. Die kleine Zahl der Höchstverdiener (durchschnittlich 184000 Mark vor Steuern jährlich) verfügen über 42 Prozent des gesamten verfügbaren Einkommens, der weit größeren Zahl der Briten in der niedrigsten Einkommensklasse (bis zu 14500 Mark jährlich) bleiben nur sieben Prozent des Kuchens. Dem entspricht die Nutzung des Internet. Laut Booz, Allen & Hamilton verfügen sieben Prozent der Menschen aus der untersten sozialen Schicht und 48 Prozent der Menschen in der höchsten Schicht über einen Online-Anschluss.

In den USA kommen noch ethnische Probleme hinzu. Dort stehen US-Bürger asiatischen Ursprungs mit 36 Prozent und die weißen Amerikaner mit 30 Prozent an der Spitze der Online-User. Weit abgeschlagen sind dagegen Hispanics und afrikanisch-stämmige Bürger, die lediglich zu 13 beziehungsweise elf Prozent über einen privaten Internetz-Anschluss verfügen.