Dietz-Mikros, Hasler-Fernmeldetechnik und PSI-Software in Pilotprojekt der Deutschen Welle:\ Dezentrale In-house Kommunikation findet Akzeptanz

22.05.1981

Die Mikrorechner-Technik des Mülheimer Computerherstellers Dietz, das fernmeldetechnische Know-how der schweizerischen Hasler AG, Bern, und das Softwarepotential der PSI GmbH Berlin/Aschaffenburg, sind in einem In-house-Kommunikationssystem zusammengeflossen, das sich nach einer intensiven Planungs- und Entwurfsphase nun mitten in der Realisierung befindet: im System IDA (Informations-Daten-Anlage) für die in Köln residierende Deutsche Welle und den benachbarten Deutschlandfunk. Die Betriebsübergabe des Projektes ist für Mitte 1982 vorgesehen.

In-house-Kommunikation ist ein neues Schlagwort im Bereich der Kommunikationstechnologie. Es zeigt den technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Endgeräte und der elektronischen Transportsysteme zur digitalen Datenkommunikation im lokalen Bereich an.

Mit der breiten Einsatzmöglichkeit von Mikroprozessoren haben sich Endgeräte zu intelligenten Datenstationen entwickelt. Viele früher von einem Zentralcomputer abgewickelte Aufgaben übernehmen diese Geräte selbst (Editieren, Formatieren, Zwischenspeichern etc.). Technologiefortschritt vor allem auf dem Halbleitersektor, enorme Steigerung des Bedarfs und der damit verbundene Wettbewerb ließen die Gerätepreise trotz dieser neuen Leistungsmerkmale erheblich sinken.

Preiswerte Vermittlungssysteme

Solche intelligenten Endgeräte mit ihren autonomen Betriebsmöglichkeiten liefern einen noch höheren Nutzungswert im Kommunikationsverbund. Im lokalen Bereich bildet sich dann ein In-house-Netz. Die Investition in das notwendige Vermittlungssystem kann durch die Entlastung von den Geräteaufgaben drastisch verringert werden. An die Stelle des typischen Rechencomputers tritt ein kleiner Prozeßrechner.

Einen weiteren Fortschritt bringt die Auflösung dieser zentralen Einrichtung in ein dezentrales Vermittlungssystem. Es handelt sich dabei um serielle BUS-Systeme im Zeitmultiplexbetrieb. Das BUS-System kann gleichzeitig von allen Teilnehmern benutzt werden. Intelligenz und damit Schaltungsaufwand sind auf die Zugriffsstationen verteilt. Diese Stationen sind dann mit Koaxialkabel oder Lichtwellenleiter ringförmig oder als Schleife miteinander verbunden.

An zentraler Stelle verbleiben lediglich einfache Aufgaben wie etwa die Taktversorgung. Bei dieser Entwicklung sind die Normbestrebungen der letzten Jahre im Bereich der Schnittstellen zwischen Datenkommunikationseinrichtungen von entscheidender Bedeutung. Dies gilt sowohl innerhalb des Kommunikationssystems als auch an der Schnittstelle zum Endgerät. Mit der Bereitstellung offener Weitverkehrsnetze zur digitalen Datenkommunikation (beispielsweise Datex-P) sind kompatible Schnittstellen unumgänglich. Dem Anwender garantiert diese Entwicklung ein hohes Maß an Herstellerunabhängigkeit.

Meldungen 50mal kopiert

Die Deutsche Welle in Köln versorgt über Kurzwelle die gesamte Welt in 34 Sprachen mit Nachrichten und Beiträgen aus Deutschland. Die Redaktionen stützen sich vor allem auf Meldungen von Presseagenturen, welche zusammen etwa 2500 Meldungen (drei Millionen Zeichen) pro Tag liefern. Mit der bevorstehenden Umstellung der Agenturen auf höhere Übertragungsgeschwindigkeiten wird die Meldungsflut erheblich steigen.

Im heutigen manuellen Betrieb wird jede Meldung mindestens achtmal, teilweise sogar 50mal, kopiert und per Rohrpost oder Boten an die Redaktionen verteilt. Dort werden aber nur zehn Prozent der Meldungen weiterverwendet. Diese Methoden sind uneffektiv und nicht haltbar. Angesichts dessen haben sich die Deutsche Welle (DW) und der Deutschlandfunk (DLF) entschlossenen, in ihren benachbarten Funkhausneubauten ein gemeinsames elektronisches In-house-Kommunikationssystem zu installieren. Unter dem Projekttitel IDA wird 1982 im redaktionellen Bereich ein System in Betrieb gehen, welches die eskalierende Meldungsflut der Nachrichtenagenturen speichert und verteilt sowie eine hausinterne Textkommunikation ermöglicht.

Umfangreicher Wunschzettel

Mit der Entwicklung von IDA hat die Deutsche Welle im Juni 1979 in zwei getrennten Verträgen die Herstellerfirmen Hasler und Dietz beauftragt; Dietz mit der Lieferung von Prozessoren und Endgeräten, Hasler mit der Lieferung des Transportsystems "Silk". PSI, Geschäftsstelle Aschaffenburg, übernahm im Unterauftrag von Dietz die komplette Softwareentwicklung.

Die Redaktionen erwarten von IDA:

- Empfangen und Abspeichern von Agenturmeldungen,

- Verteilen von Meldungen auf Anforderung,

- Ausgabe von Meldungen auf Display oder/und Drucker,

- Texteingabe auf Display via Tastatur,

- Speichern intern erstellter Meldungen und Übersichten (Presseschau Nachrichtenspiegel),

- Absenden angezeigter Meldungen zu anderen Plätzen,

- Absenden von zugesendeten Meldungen anderer Teilnehmer,

- Zuverlässigen Betrieb,

- Geringste Reaktionszeiten.

Die Technischen Abteilungen erwarten von IDA:

- Flexible Anpassungsfähigkeit bei Änderungswünschen,

- Erweiterungsfähigkeit bei Systemvergrößerungen,

- Modularität,

- Einfache Bedienung und Wartung,

- Geringste Herstellerabhängigkeit,

- Hohe Lebensdauer.

IDA soll vorerst zehn Nachrichtenagenturen empfangen und speichern sowie 140 Bildschirmgeräte und 80 Drucker miteinander verbinden. Im Endausbau werden bis zu 1000 Geräte angeschlossen sein. Darüber hinaus sollen Signal- und Kommandoaufgaben integriert werden.

IDA ist konsequent dezentral aufgebaut. Speicher, Prozessoren, Sichtgeräte und Drucker werden über international genormte Schnittstellen nach CCITT über einen ringförmig geschalteten Bus miteinander verbunden. Die elektronischen Komponenten sind klein und übersichtlich, besitzen weitgehend einen identischen Aufbau und lassen sich im laufenden Betrieb implementieren. Das Systems erlaubt die Anschaltung von Elementen mit unterschiedlichen Aufgaben und ermöglicht somit die Einbeziehung zusätzlicher Dienste und Funktionen. Die Anzahl der anschließbaren Moduln und Teilnehmer ist praktisch unbegrenzt. Durch die grundsätzliche Verwendung von CCITT-Schnittstellen sind marktübliche Terminals und Prozessoren verwendbar. Weil auch die Software modular und dezentral aufgebaut wird, erreicht man größtmögliche Firmenunabhängigkeit, einfache Pflege und Wartung und kann wegen der Verwendung marktüblicher Hardwarekomponenten neueste Technologie übernehmen, ohne die Systemstruktur verändern zu müssen. Nicht zuletzt aus diesen Gründen hat der Bundesminister für Forschung und Technologie IDA zum Pilotprojekt für moderne Kommunikationssysteme ernannt und unterstützt es finanziell in erheblichem Umfang.

Sämtliche Meldungsformate

Bild 1 zeigt eine vereinfachte Systemübersicht. Jeder Agenturleitung ist ein eigener Prozessor vom Typ Dietz 621 Mikro zugeordnet (Agenturrechner AR). Er ermittelt Anfang und Ende der eingehenden Agenturmeldungen und stellt im Nachrichtenkopf Parameter wie Agenturname (über die gleiche Leitung kommen teilweise mehrere Agenturen), Agenturlaufnummer (als Suchkriterium), Priorität oder Ressortkennung (Kürzel für Sachgebiete) fest.

Da die Presseagenturen sehr unterschiedliche Meldungsformate festgelegt haben und diese Formate zudem noch häufig verändert werden, wurde diese Analyse in IDA universell gelöst. Das Meldungsformat kann per Dialog definiert und diesem Analyseprogramm als Parameter vorgegeben werden. Unabhängig von der angeschlossenen Agentur läuft in allen Agenturrechnern also das gleiche Analyseprogramm. Bei Formatänderung ist keine Programmänderung notwendig.

Nachrichtenspeicherung

Die Ablage der Meldungen erfolgt in einem Halbleiterspeicher, wo sie mindesten drei Stunden dem schnellen Zugriff auf aktuelle Meldungen zur Verfügung stehen. Die Zeichen von jeweils vier Agenturleitungen laufen parallel auf einen Überwachungsprozessor ÜAR (ebenfalls Dietz 621 -Mikro) .

Er besitzt zusätzlich einen Plattenspeicher und bewahrt die Meldungen mindestens 72 Stunden auf. Beim Zugriff sind dabei jedoch längere Wartezeiten möglich. Außer der eventuell längeren Wartezeit merkt der Benutzer nicht, ob er nun zum AR oder ÜAR-Archiv zugreift.

Vier AR und ein ÜAR bilden einen sogenannten E-Modul. Zum Speichern von Beiträgen, welche die Redakteure am Sichtgerät erstellt haben und zur Führung von Inhaltsverzeichnissen und Übersichten sind in gleicher Weise N-Moduln aufgebaut, welche jedoch vom lokalen Kommunikationsnetz beschickt werden.

Uhrzeit-Korrektur

Die Prozessoren TR (Terminalrechner) bilden die universelle Schnittstelle zum Anschluß der Endgeräte an das Kommunikationsnetz und ergänzen zusätzlich bei Bedarf die Intelligenz des angeschlossenen Gerätes. Diese Prozessoren vom Typ Dietz 621 Mikro sind vor Ort zusammen mit der Zugriffselektronik zum Transportsystem (Lokalblock LBL) installiert. Sie beanspruchen keine besonderen Maßnahmen zur Klimatisierung.

Der Operatorrechner OR (Dietz 621-X2) dient zur allgemeinen Überwachung, Steuerung und Pflege des Systems IDA. Er korrigiert zyklisch Datum und Uhrzeit in allen Prozessoren aufgrund der Angaben einer Zentraluhr. Am System IDA sind zwei solcher Operatorrechner angeschlossen. Der eigentliche Betrieb der Anlage ist aber nicht von der Verfügbarkeit eines Operatorrechners abhängig. Auch bedarf die Anlage keiner ständigen Überwachung durch Operatorpersonal.

Zwischen diesen Komponenten fungiert das Ringbus-System Silk (System für integrierte lokale Kommunikation) als Transportsystem. Es transportiert vergleichsweise 400 DIN-A4-Seiten pro Sekunde. Silk ist ein dezentrales Vermittlungssystem. Es übermittelt jede digitalisierte Information im Zeitmultiplexbetrieb. Die Elektronik befindet sich in den Zugriffsstationen zum BUS (LBL). Diese Lokalblöcke LBL sind über Koaxialkabel aus Sicherheitsgründen "verzopft" miteinander verbunden.

Ein Hauptblock liefert den Takt (16 Mbit/s), gleicht Laufzeitschwankungen aus und besitzt Überwachungsaufgaben. Konstruktiv ist er wie ein LBL aufgebaut und natürlich gedoppelt.

Das Softwaresystem in IDA ist ebenfalls dezentral orientiert und weitgehend frei von der Hardwarekonfiguration. Eine Forderung der Deutschen Welle geht dahin, IDA auch in kleinerem Umfang bei anderen Rundfunkanstalten einsetzen zu können. Dort müssen Aufgaben und damit Programme aus Gründen der Wirtschaftlichkeit stärker konzentriert werden. IDA läßt dies ohne Programmänderung zu. Programme sind in IDA frei verteilbar, die Eigenschaften der Endgeräte online definierbar.

Den derzeit bei der Deutschen Welle noch üblichen Arbeitsablauf macht ein Blick auf Bild 2 deutlich. Angemerkt sei, daß der Chef vom Dienst (CvD) außer dem "Verarbeiten" von 3000 Meldungen pro Tag auch noch aktuelle Debatten in Radio und Fernsehen zu verfolgen und Nachrichtensendungen wie auch Zeitungsartikel auszuwerten hat, um aus diesem Meldungsaufkommen rund 100 eigene Nachrichtensendungen zu gestalten.

Ganz anders sieht der künftige Betrieb aus (Bild 3 veranschaulicht ihn): Jeder Redakteur in der Nachrichtenredaktion erhält ein Sichtgerät und einen Drucker. Die Meldungen der Nachrichtenagenturen laufen direkt in elektronische Speicher. Keine Überwachung oder Bedienung ist erforderlich, kein Papier wird bedruckt. Der CvD hat an seinem Sichtgerät mit einer oder wenigen Eingaben eine oder mehrere Agenturen angewählt und kann sich die Meldungen vollständig seitenweise oder auch im sogenannten Headermode als Leadsätze am Bildschirm durchblättern. Als Auswahlkriterium können zusätzlich Zeit, Ressortkennung und/oder Laufnummer für den Einsatzpunkt zum Sichten der Meldung angegeben werden.

Der Zugriff auf die Meldungen ist beliebig oft möglich. Zwischen den Seitenwechseln vergehen maximal zwei Sekunden. Eine Vorratshaltung im Terminalrechner erlaubt es, diesen ohnehin geringen Wert meist noch zu unterschreiten.

Hinweis auf Blitzmeldungen

Für die Nachrichtensendung brauchbare Meldungen verteilt der CvD durch Zwischenschieben der Funktion "Verteilen" an die zuständige Redaktion und setzt anschließend die Arbeitshandlung "Sichten" fort. Auch kann er eigene Beiträge eingeben, redigieren und verteilen.

Beim Empfänger wird das Vorliegen einer solchen In-house-Übermittlung unabhängig von der laufenden Funktion am Bildschirm und ohne merkliche Unterbrechung der gerade vollzogenen Arbeit im sogenannten Kurzmitteilungsfeld am Bildschirm angezeigt. Jeder Bildschirm ist in drei eigenständige Bereiche eingeteilt:

Im Feld für Kurzmitteilungen, wird sofort auf den Eingang aktueller Blitzmeldungen der Agenturen hingewiesen. Solche Meldungen müssen in der Bearbeitung berücksichtigt werden oder sogar in die bereits laufende Nachrichtensendungen einfließen.

Der Redakteur kann das zugesandte Material am Bildschirm zur Anzeige bringen, ausdrucken lassen oder elektronisch zwischenspeichern. Er stellt so durch Redigieren und eigene Eingaben sein Sendemanuskript zusammen und verteilt es zum Gegenlesen und Freigeben an den CvD. Rückfragen und Korrekturen sind über IDA möglich - ohne Warten am Aufzug oder Annahmeschalter.

"Manuelle" Übersetzung

Der CvD empfängt das Manuskript auf seinem Bildschirm, kann es überprüfen und an den zuständigen Übersetzer "verteilen". Der Übersetzer erhält das Manuskript auf einem Drukker und übersetzt dieses handschriftlich auf Papier. Dieser letzte Fertigungsgang vor dem Sprecherstudio wird zunächst noch ohne direkte Benutzung von IDA in der bisherigen Weise beibehalten.

Nach der Auftragsvergabe begann das Projekt mit einer Betriebsanalyse durch Dietz und PSI, die neue, teilweise wesentliche Erkenntnisse über die senderintern bereits durchgeführte Voranalyse hinaus erbrachte. Statt einer zunächst befürchteten Zurückhaltung der späteren Nutzer erlebten die beauftragten Firmen eine absolut positive Resonanz und Aufgeschlossenheit auf seiten der Deutsche Welle-Redakteure - nicht zuletzt wohl, weil sie von Anfang an intensiv in die Betriebsanalyse miteinbezogen worden waren.

Keine zentralen Softwareprobleme

Aufbauend auf der Betriebsanalyse und einem aus ihr nach sechsmonatiger Arbeit abgeleiteten Sollkonzept wurde von den Herstellerfirmen ein Pflichtenheftentvurf erarbeitet. Unter Einbeziehung aller Verantwortlichen konnte im März 1980 eine Leistungsbeschreibung genehmigt werden (rund 1000 DlN-A4-Seiten). Diese Leistungsbeschreibung wurde durch leichte Reduzierung der Endgeräte für den Grundausbau an das vorgegebene Auftragsvolumen angepaßt (neu erkannte Anforderungen).

IDA befindet sich derzeit mitten in der Realisierung. Auf der Hardwareseite wurden praktisch keine Sonderentwicklungen notwendig. Aber viele Systembausteine verlassen gerade erstmalig die Fertigung. Erste Tests mit den bereits entwickelten Softwaremoduln haben gute Ergebnisse gezeitigt.

Die bisherige Entwicklung des Softwaresystems hat vom Systemaufbau profitiert. Obwohl einmalig sehr viel Grundsoftware entwickelt werden mußte (im Rahmen des Pilotprojektes), existieren für den Softwareentwickler viele, in zentralen Systemen stets zu erwartende Probleme überhaupt nicht. Der gewohnte Programmieranteil (Codierung, Test) wird sich in IDA drastisch verringern.

Sicherheit per Betriebsanalyse

Die Vertragssplittung hat der Endkunde in keiner Situation als nachteilig empfunden. Die drei Hersteller bieten ihre Entwicklungsergebnisse unter der Produktbezeichnung Media auch am freien Markt an. Dabei übernimmt auf Wunsch auch einer der Hersteller die Gesamtverantwortung für ein Projekt.

Abschließend sei noch einmal hervorgehoben: Dezentrale elektronische In-house-Kommunikationssysteme ersetzen sicher und ausbaufähig Rohrsysteme und Botendienste. Sie sind in der Lage, auch neue Funktionsanforderungen entweder ohne oder doch mit ungewohnt wenig Aufwand zu integrieren- anders als gemeinhin die zentralen Systeme. Elektronische Systeme bieten mehr Sicherheit als der Umlauf von beschriebenem Papier oder Lochstreifen. Sie sind aber ohne aufwendige Abschirmmaßnahmen auch bei Verwendung von Lichtwellenleitern zur Überbrückung der weiten Distanz nicht absolut abhörsicher. Eine eingehende Betriebsanalyse hat jedoch schon oft überraschende Daten zu Tage gefördert und neue Wege eröffnet.