Wie gerne schwelgt man in nostalgischen Erinnerungen - an seinen ersten Apple IIe zum Beispiel, oder die alten Mainframes, die nur mit Lochkarten funktionierten. Aber niemand würde diese alten Schätzchen heutzutage noch verwenden, um ein Geschäft zu betreiben – geschweige denn ein modernes Waffensystem - oder??
Stimmt nicht! Während ein Großteil der Technik-affinen Nutzer bereits ein zwei Jahre altes Smartphone als hoffnungslos überholt ansieht, verlassen sich einige Anbieter von Transport- und militärischer Infrastruktur, manche modernen Unternehmen und sogar ein paar Computer-Programmierer noch immer auf Technologien, die vor Jahrzehnten von neuen Produkten abgelöst wurden. Wenn Sie in der New Yorker U-Bahn beispielsweise schon einmal ein Ticket gekauft oder an einem US-Automaten Bargeld abgehoben haben, werkelte im Hintergrund dieser Transaktion vermutlich IBMs OS/2 - ein Betriebssystem, das vor 25 Jahren veröffentlicht wurde und schon kurz danach wieder den Tod fand. Eigentlich.
Sogar der "Secret Service", die Leibwache des US-Präsidenten, benutzt ein Mainframe-Computer-System aus den 80ern - noch dazu eines, das nur in 60 Prozent aller Einsätze wirklich zuverlässig funktioniert. Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die antiken Minicomputer des US-Verteidigungsministeriums, die das interkontinentale Raketensystem, die Kampf-U-Boote der Navy, Kampfjets und andere Waffenprogramme steuern, bessere Dienste leisten. Nach Angaben der Berater, die diese Systeme am Laufen halten, sollen sie noch wenigstens bis Mitte dieses Jahrhunderts verwendet werden.
Wir erzählen Ihnen im folgenden diese und andere Geschichten über Computer, die die Zeit vergessen hat und deswegen noch heute in Benutzung sind.
IBM 402: Lochkarten-Buchhaltung
Die Firma Sparkler Filters aus Conroe, Texas, bewirbt sich selbst mit dem Slogan, sie sei der Weltmarktführer für chemische Filterprozesse. Wer bei Sparkler einen automatischen Nutsche-Filter kauft, dessen Transaktion wird auf einem "Computer" festgehalten, der womöglich älter ist als er selbst: Baujahr 1948. Sparklers IBM 402 ist kein Computer im traditionellen Sinne, sondern eine automatisierte, elektromechanische Tabelliermaschine. Sie kann so programmiert (oder besser gesagt angeschlossen) werden, dass sie bestimmte, verschlüsselte Ergebnis-Werte auf 80-spaltigen Hollerith-Lochkarten ausdruckt.
- 1977: Commodore PET 2001
Keiner dürfte mehr wissen warum, aber Commodore stattete den Rechner PET 2001 mit einer äußerst grausamen Tastatur aus. Sie wirkte nicht nur wie eine Spielzeug-Taschenrechner-Tastatur, sondern war auch schlecht verarbeitet. Die Tasten besaßen keinerlei Druckpunkt. Die Buchstaben-Reihen waren direkt untereinander angeordnet und nicht - wie sonst üblich - etwas versetzt. Außerdem besaß die Tastatur nur eine Mini-Space-Taste und keine Spacebar. Commodore sah den Fehler ein und lieferte die PET-Nachfolger mit einer verbesserten Tastatur aus. - 1978: Commodore PET 2001-32-N
Die Tastatur des damals neuen PET-Modells (2001-32-N) wurde als besser empfunden, als die des Vorgänger-Modells. Störend wurde aber empfunden, dass Commodore die Spezial-Taste "Run/Stop" direkt links von der Return-Taste positionierte, was zu vielen Vertippern führte. Außerdem wurde die Backspace-Taste gestrichen. Wer sich vertippte, musste sich stattdessen mit Shift und dem gleichzeitigen Drücken der "Cursor rechts/links"-Taste (über dem Keypad) behelfen. Immerhin besaß die Tastatur ein Keypad für die Eingabe von Ziffern. Dafür wurden diese aber im linken, oberen Tastaturbereich gestrichen. Suchen Sie mal auf dem Bild die Taste für "."... Gefunden? Sie befindet sich im Keypad-Bereich (zwischen "0" und "-"). - 1979: Texas Instruments TI-99/4
Mit diesem Modell brachte Texas Instruments den ersten Rechner für den Heimbereich (PC + Monitor für 1150 US-Dollar) auf den Markt. Die Tastatur erinnert eher an die Tastatur eines Taschenrechners. Kleinbuchstaben waren nicht vorgesehen und die "Shift"-Taste diente nur dazu, die Zweifunktion der Tasten zu nutzen. Verheerend war übrigens die Tastaturkombination "Shift+Q", die dafür sorgte, dass das augenblicklich geöffnete Programm ohne Rückfrage beendet wurde oder der Rechner neu gestartet wurde. Weiteres Manko: Die Enter-Taste war dort positioniert, wo bei anderen (Standard-)Tastaturen die Shift-Taste zu finden ist. Außerdem besaß die Tastatur keine herkömmliche, lange Spacetaste, sondern nur eine kleine "Space"-Taste (links über der Shift-Taste). Eine Backspace-Taste besaß die Tastatur nicht. Beim Modell TI-99/4a lieferte Texas Instruments den Rechner dann schließlich mit einer Standard-Tastatur aus... - 1979: Atari 400
Der Atari 400 besaß (damals üppige) 8 KB RAM und eine flache, Membran-artige Tastatur, die als robust empfunden wurde. Nachteil: Die Tasten besaßen nahezu keinen Druckpunkt, so dass Anwender nie wirklich sicher waren, ob sie nun eine Taste bereits gedrückt hatten oder nicht. Atari war sich dessen bewusst und ließ den Rechner jeden Tastendruck mit einem Klick-Geräusch aus den Lautsprechern quittieren. Dort, wo sich normalerweise die Backspace-Taste findet, hatte Atari eine "Break"-Taste positioniert. Nun fragen Sie sich mal, warum viele fluchen mussten, die an einem langen Dokument saßen und sich vertippt hatten...? - 1982: Commodore 64
Mit dem Commodore 64 kam ein Rechner auf dem Markt, der so erschwinglich war, dass er zum Heimcomputer avancierte. Über 17 Millionen Male verkaufte sich der "Brotkasten". Die Tastatur war klobig und die Bedienung umständlich und gewöhnungsbedürftig, weil viele Tasten gleich mehrfach belegt waren. Mit Ergonomie hatte man damals ebenfalls wenig im Sinn, denn heutzutage würde die viel zu hohe Tastatur durch viele Anwendern mit einer Kaufverweigerung bestraft werden. Außerdem scherte man sich damals nicht um Standards und spendierte der Tastatur zahlreiche C64-spezielle Tasten (z.B. Run/Stop links neben ShiftLock), die zudem auch eigenwillig positioniert waren. Aber wer seinen C64 ohnehin vor allem zum Spielen nutzte, der besaß auch einen Joystick. Später hat Commodore das Design des C64 grundlegend überarbeitet. - 1982: Timex Sinclair 1000
Der Timex Sinclair 1000 war der erste Personal Computer, der in den USA für unter 100 US-Dollar erhältlich war. Dafür erhielt man einen Schwarz-Weiß-Bildschirm, keinen Sound, 2 KB Hauptspeicher und eine flache Mini-Tastatur. Weil nicht viel Platz war, wurden viele Tasten gleich mehrfach (zum Teil auch mit Basic-Befehlen) belegt. Die Eingabe von Basic-Befehlen war mit der Tastatur tatsächlich komfortabel, nur wer längere Texte tippen wollte, war gefrustet. - 1983: Timex Sinclair 2068
Mit diesem Modell wollte Timex den in den USA erfolgreichen Sinclair ZX Spectrum ablösen. Im Vergleich zum Vorgänger wurde aber insbesondere die Tastatur verschlechtert: Die Tasten waren zu klein und teilweise mit bis zu sechs Funktionen belegt. Wer da die Übersicht behalten wollte, der musste zunächst mal Handbücher wälzen und den Umgang mit der Tastatur trainieren. Außerdem gingen die Designer der Tastatur anscheinend davon aus, dass User bei der Texteingabe keine Fehler machen: Die Backspace-Taste wurde einfach weggelassen. - 1983: Tandy TRS-80 Micro Color Computer MC-10
Die Tastatur dieses Rechners fiel äußerst klein aus. Aber auch hier waren einzelne Tasten mit zu vielen Funktionen (bis zu vier) inklusive Basic-Befehlen belegt. Als störend empfanden Anwender, dass die "Break"-Taste dort positioniert war, wo man eigentlich die "Backspace"-Taste vermutet und letztere war gar nicht vorhanden. Statt einer linken Shift-Taste besaß die Tastatur an dieser Stelle eine "Control"-Taste. - 1983: Mattel Aquarius
Eine Spacebar sucht man bei dieser Tastatur des Spieleherstellers Mattel vergeblich. Stattdessen wurde nur eine kleine Taste für diese Funktion spendiert (neben "Z"). Und die wurde zudem auch noch dort positioniert, wo man die "Shift"-Taste erwartete. Ebenfalls "clever" positioniert war die "Reset"-Taste, die, mal wieder versehntlich gedrückt, die Arbeit von Stunden ruinierte. Ganz zu schweigen von der unglücklichen Stelle, die sich die Designer für die Enter-Taste aussuchten... - 1984: IBM PCjr
Die Tastatur des IBM PCjr war kabellos. 1984 - kabellos? Richtig. Die Tastatur musste ständig mit neuen Batterien versorgt werden und versagte schnell ihre Dienste, wenn sie zu weit oder ungünstig vom Rechner entfernt wurde (von wegen mit der Tastatur auf den Knien tippen). IBM verzichtete außerdem darauf, die Tasten direkt zu beschriften. Stattdessen wurden die Funktionen über den Tasten auf das Gehäuse gedruckt.
Firmen benutzten den IBM 402 zur damaligen Zeit vor allem für Buchhaltung, da die Maschine auch sehr lange Listen von Zahlen addieren und einen detaillierten, schriftlichen Report ausdrucken konnte. Im Grunde genommen also so etwas wie eine 1.500-Kilogramm-Spreadsheet-Maschine.Und genau so benutzt Sparkler Filters seinen IBM 402 auch - vielleicht der letzte funktionsfähige IBM 402 auf diesem Planeten. Seit über einem halben Jahrhundert leistet die Maschine gute Dienste und die Filter-Firma führt nach wie vor alle Buchhaltungs-Aufgaben (Gehaltsabrechnungen, Verkäufe und Inventur) über den IBM 402 aus.
Natürlich müssen die Daten, bevor sie in den 402 wandern, in Lochkartenstapeln verschlüsselt werden. Eine große IBM-029-Lochkartenmaschine übernimmt diese Aufgabe. Carl Kracklauer, dessen Vater Sparkler Filters im Jahr 1927 gründete, schreibt für gewöhnlich die Daten auf die Lochkarten. Die Firma hält vor allem deswegen am 402 fest, weil es sich dabei um ein vertrautes Gerät handelt: die Angestellten wissen, wie sie es zu benutzen haben, und das seit über 60 Jahren.