10 Jahre App Store

Diese Apps haben Welt verändert

11.07.2018
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Simon Lohmann ist Freier Autor bei macwelt.de.
Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.
Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Halyna Kubiv ist Content Managerin bei der Macwelt.
Am 10. Juli 2008 ertönte der Startschuss für den App Store, der zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal ein Repertoire von 500 Apps umfasste, heute sind es 4000 mal so viele. Erfahren Sie zum Ehrentag die Geschichte hinter dem App Store und welche Apps sich einen besonderen Platz im Lebenslauf des App Store verdient haben.

Der App Store hat unser Leben verändert. Das mag sich für den einen oder anderen auf den ersten Blick etwas übertrieben anhören, aber letztendlich hat er viele Bereiche unseres Alltags maßgeblich beeinflusst – und tatsächlich für immer verändert: Die Art und Weise, wie wir arbeiten, spielen, reisen, Leute kennen lernen und mit ihnen interagieren und kommunizieren hat eine 180-Grad-Wende hingelegt.

Happy Birthday, App Store!
Happy Birthday, App Store!
Foto: Apple

Top-Apps und wie sie die Welt verändert haben

Unsere Liste der wichtigsten Apps der letzten zehn Jahre (wird laufend ergänzt):

Whatsapp– hat die SMS erfolgreich begraben, die Einnahmenstruktur der großen Mobilfunkanbieter verändert, nur weil man die Nachrichten von Handy zu Handy problemlos per Internet übertragen konnte.

Wikitude – noch 2012 hat die App gezeigt, wozu AR zumindest ansatzweise fähig ist. Mittlerweile liefert die Firma eigene Technologien überall im Business-Bereich.

Pokémon Go – hat im Sommer 2016 eine regelrechte Hysterie ausgelöst und selbst eingefleischte Bewegungsmuffel zu mehr Spazierengehen bewogen. Unter anderem stiegen auch die Einnahmen der Powerbank-Hersteller deswegen.

Instagram – ein soziales Netzwerk reduziert auf Fotos, ursprünglich nur auf Smartphones vorhanden. Mittlerweile eine veritable Werbe- und Influencer-Industrie.

Waze – Navigation- und Stau-Infos schlau gemacht

Threema – hat gezeigt, dass verschlüsselte Nachrichten nicht unbedingt ein Kryptographie-Studium voraussetzen, mittlerweile haben alle großen Anbieter nachgezogen.

Uber – obwohl in Deutschland nicht so verbreitet, verändert die App gerade Art und Weise, wie sich die Menschen in den großen Städten fortbewegen.

OutBank - für viele der Einstieg ins mobile Banking, mittlerweile aber fast vergessen.

Spotify - immer noch recht bekannt

Google Maps - leider immer noch besser als Apples Kartendienst. Cupertino hat Besserungen in Aussicht gestellt.

Evernote – erstes echtes Online-Notizbuch

Shazam - Musikerkennung per Mikro (voll modern), von Apple mittlerweile übernommen.

Docs To Go - erstmals Office-Dokument auf dem iPhone bearbeiten

Doodle Jump - haben damals alle gespielt

Flickr - damals noch Marktführer bei Fotos

DB Maps - endlich keine veralteten Papier-Fahrpläne mehr

Kindle - erster wirklich nutzbare Online-Bookshop – auch auf dem iPhone

Pflanzen gegen Zombies - haben damals ziemlich viele gespielt

Team Viewer - erstmals den Mac per iPhone steuern (brauchte man dann zwar so gut wie nie....)

Wetter-App - zahllose Wetter-Apps, fast alle besser als Apples vorinstallierte Wetter-App. Mittlerweile schaut der geneigte Nutzer lieber auf sein Smartphone als aus dem Fenster, um zu erfahren, ob’s draußen regnet.

Cut the Rope - haben damals auch alle gespielt

Runkeeper, Runtastic: Endlich genaue Protokolle über die sportlichen Aktivitäten.

Musikmemos: Feine Idee von Apple, mit dem iPhone unterwegs schnell Skizzen von Melodien und Harmonien aufnehmen und später weiter bearbeiten, etwa mit

Garageband: Virtuelles Tonstudio auch für die Hosentasche

Wohin?: War unter den ersten 500 Apps dabei und sagt uns nun seit zehn Jahren, wo wir in der Umgebung, Restaurants, Werkstätten, Supermärkte, Kinos oder Apotheken finden.

waipu.tv, Zattoo, Live TV: Fernsehen auf iPad und iPhone, weg mit dem Kabelanschluss!

Siri – Ja, Siri war mal auch eine App, sogar im Google Play Store angeboten. Für kurze Zeit verschwand die App aus den beiden Stores, als Apple die Firma kaufte. Daraus wurde der erste schlaue Assistent auf einem Smartphone.

"Unsere kühnsten Erwartungen übertroffen"

Zehn Jahre nach der „Geburt“ des App Stores machen Nutzer aus 155 Ländern Gebrauch von dem digitalen Laden. Im Zeitraum von Juli 2010 bis Dezember 2017 wurden bei einer Auswahl von zwei Millionen Applikationen insgesamt 170 Milliarden Apps für 130 Milliarden US-Dollar heruntergeladen.

Die Zahlen beweisen, dass wir ständig auf der Suche nach Programmen sind, die unsere iPhones und iPads überhaupt erst zum Leben erwecken. Denn wenn wir mal ehrlich sind, wären unsere iOS-Geräte in der Standardausführung und ohne zusätzliche Software aus dem App Store ziemlich nackt und langweilig.

„In seinem ersten Jahrzehnt hat der App Store all unsere kühnsten Erwartungen übertroffen“, erklärt Apples Worldwide Marketing Chef und Senior Vice President, Phil Schiller in einer Sonder-Pressemitteilung zum 10-jährigen Jubiläum. „Von den innovativsten Apps, die sich die Entwickler ausgedacht haben, bis hin zur Art und Weise, wie Kunden Apps in ihr tägliches Leben integriert haben – und das ist erst der Anfang. Wir könnten nicht stolzer sein auf das, was die Entwickler bis heute geschaffen haben und freuen uns auf das, was die nächsten zehn Jahre bringen werden.“

iPhone ohne App Store: Wie es vor 2008 war

Mac Stories wagt einen Blick auf die vor dem App Store, jenes Jahr, in dem auf dem iPhone nur native Apps von Apple (iTunes, Telefon, Kontakte, Fotos, Safari, Mail,...) und die Lösungen von Google (Karten, Youtube) liefen. Und vor allem diejenigen Web-Anwendungen, die Steve Jobs noch als "Sweet Solution" bezeichnet hatte und die man auch im Rückblick kaum als "süß" bezeichnen kann, sondern eher als "nervig". So waren die zur WWDC 2007 nach San Francisco gepilgerten Entwickler einen Monat vor dem Verkaufsstart des Wundergeräts auch nur mäßig beeindruckt von den Web-Apps, die Jobs und Scott Forstall vorführen. Eine andere Lösung musste her: Jailbreak. Schon im Oktober 2007 nahm das iPhone Dev ihre Arbeit auf und veröffentlichte Programme für den "Ausbruch" aus den von Apple gesetzten engen Schranken, Entwickler ließen ihre Phantasie blühen und entdeckten dabei fast nebenbei, wie gut sich das iPhone für Spiele eignete, die weit über das Niveau von Snake hinausreichten.

Immerhin erwähnte Steve Jobs bereits am 17. Oktober 2007 erstmals, dass ein vernünftiges SDK für das iPhone unterwegs sei, dieses brachte Apple dann auch im März 2008 heraus. Jailbreaking, was die einzige Methode war, um native Software neben der Apples auf das iPhone zu bringen, wurde womöglich deshalb nicht zum Massenphänomen. Denn es war ein wenig kompliziert und mit dem Risiko behaftet, das Telefon zu ruinieren – wenn man also aber nur ein wenig Geduld mitbrachte, konnte man auf das Risiko verzichten. Das Warten hat sich in jedem Fall gelohnt.

Auch für Apple hat sich das Angebot gelohnt, nicht nur für die Entwickler, wie Business Insider vorrechnet. Apple hat nach eigenen Angaben in den letzten zehn Jahren insgesamt 100 Milliarden US-Dollar an App-Anbieter ausbezahlt, so dürfte auch um die 40 Milliarden US-Dollar in den Kassen Cupertinos hängen geblieben sein.

In den vergangenen zehn Jahren habe sich der App Store zum vielfältigsten und zugänglichsten Software-Ökosystem entwickelt, was es auf der Welt gibt, meint auch Marco Arment, Entwickler von Overcast und langjähriger iOS-Entwickler.

Mithilfe der Apps konnten Nutzer erstmals auf völlig neue Art und Weise mit den Unternehmen kommunizieren und alltägliche Probleme lösen. Kaum vorzustellen, welchen Aufwand man noch vor 2008 und ohne entsprechende App auf sich nehmen musste, um seine Flug-, Bus- und Bahntickets, Hotelzimmerbuchungen oder Geschenkeinkäufe zu organisieren.

Wenn der Fortschritt in den nächsten zehn Jahren gleich bleibt, dürfen wir also gespannt sein, wie wir in Zukunft unseren Alltag bewältigen – und ob die heutigen Methoden im Jahr 2028 uns komplett veraltet erscheinen.

Schwierige Geburt

Kaum ein Softwareangebot hat die IT-Welt so verändert wie der App Store, zu dem sich Apple mehr oder minder von Entwicklern und Anwendern gezwungen sah. Denn vorgesehen war es erst einmal nicht, dass Dritte Zugang zum iPhone erhalten sollten und ihre Software darauf platzieren durften. Das Argument war nachvollziehbar: Apple wollte nicht, dass schlechte Software das ohnehin fragile Konstrukt iPhone durcheinander bringt. Nur wenn man selbst die Kontrolle über die Software und Hardware behalte, könne man die beste Erfahrung garantieren. Web-Apps sollten die Lösung sein, also Programme, die im Internet ausgeführt werden und gewissermaßen nur ihre Ergebnisse auf dem Hosentaschencomputer zeigen. Im Rückblick beteuern die damals Verantwortlichen zwar, dass Software von Dritten durchaus geplant war, aber eben erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Findige Unternehmer und Programmierer wollten ihre digitalen Geschäftsmodelle aber sehr schnell auf das sehr populäre iPhone bringen, und sahen sich zum Knacken der Plattform animiert: Der Begriff "Jailbreak" war geboren. Bei dem passierte aber meist das, was Apple eben befürchtet hatte: Durch ein späteres Systemupdate konnte das derart entsperrte iPhone völlig unbrauchbar werden.

Apples Kompromiss zwischen Sicherheit und Offenheit ist aber ein guter und nun seit zehn Jahren bewährter. Die Kontrolle behält der Anbieter, weil vor der Veröffentlichung einer Anwendung im App Store immer eine Prüfung ansteht. So verhindert der App Store effektiv, dass inkompatible Apps oder gar Malware das Erlebnis verhageln. Zwar gibt es immer wieder mal ärgerliche Ausnahmen, aber diese bestätigen die Regel: Der App Store ist sicher und sauber, ein perfekte Symbiose aus Zuverlässigkeit und Bequemlichkeit.

Aber der App Store bietet eben auch die einzige Möglichkeit – ausgenommen über Jailbreak – Apps für iOS zu vertreiben. Die meisten Entwickler kommen damit aber gut klar, die Beziehung hat auch Vorteile: Denn einen Softwarevertrieb selbst zu organisieren ist mit Kosten verbunden. Die 30 Prozent Provision, die Apple einstreicht, sehen die meisten Entwickler daher als einen fairen Beitrag an. Der App Store läuft und läuft und läuft – und es gibt keine Gründe anzunehmen, dass sich das in seiner zweiten Dekade ändern wird.

Hall of Fame: App Store-Edition

Möchte man eine objektive und meinungsfreie Liste für die erfolgreichsten Apps aller Zeiten zusammenstellen, dann gibt es zunächst zwei verschiedene Kriterien, nach denen man vorgehen kann: Download- und Umsatzzahlen.

Allerdings gibt es wahrscheinlich auch tausende Applikationen, die nicht unbedingt in solch wirtschaftliche Kategorien eingeordnet werden können. Nicht immer ist die Anzahl der Downloads oder der erzielte Gewinn ein Maßstab dafür, dass die App auch automatisch beim Nutzer auf große Beliebtheit stößt.

Nur als Beispiel: Die App namens „I am rich“ kostete knapp 1.000 US-Dollar. Der Name ist hier Programm, denn wer sich erhofft, für das viele Geld auch einen entsprechenden Service zu bekommen, wird schwer enttäuscht. Der Umfang der App besteht darin, dem Nutzer einen roten Diamanten anzuzeigen – und sonst nichts. Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass auch nur ein einziger Kauf dieser App sich für das „Entwickler“-Team rentiert hat und somit als wirtschaftlich profitabel zählt. Für den Nutzer aber wohl kaum. (Macwelt)