560000 Besucher, davon 25000 aus der DDR

Dienstleistungsmesse CeBIT: Hardware im Rückwärtsgang

06.04.1990

HANNOVER (dow/see) - Die CeBIT wandelt sich zunehmend zu einer Dienstleistungsmesse. Damit repräsentiert sie einen Trend, in dessen Verlauf sich der Anteil der Beratungsleistungen und der Software am DV-Markt auf Kosten des Hardwaregeschäftes vergrößert.

Diese Ansicht vertreten übereinstimmend der Bundesverband Büro- und Informationssysteme e. V., Bad Homburg (BVB), und die Deutsche Messe AG, Hannover. Deren Vorstandsmitglied Hubert Lange stellte fest, daß zwar insgesamt die DV-Konjunktur nicht mehr auf so hohen Touren laufe wie zu Beginn der Achtziger Jahre, gleichwohl aber den CeBIT-Ausstellern während der acht Messetage weitreichende Investitionswünsche signalisiert worden seien. Die Branche, so schätzt auch der ZVEI, erwarte jetzt ein Umsatzwachstum von acht Prozent für 1990.

Aus einem "erfreulichen Messeverlauf mit direkten Geschäftsabschlüssen", die in Anzahl und Höhe deutlich über denen des Vorjahres gelegen hätten, leitet der BVB eine ebenso optimistische Einschätzung der Konjunkturentwicklung für die DV-Branche ab. Besonders als Vermarktungspartner, also als Value Added Reseller, erlebten Handels- Lind Dienstleistungshäuser "eine echte Renaissance

Die erhoffte Traumzahl von 600000 Besuchern wurde in diesem Jahr nicht erreicht: Mit rund 560 000 (Vorjahr: 511000) zahlenden Gästen hat die CeBIT dennoch einen Rekord gebracht. Die hohen Erwartungen seien sogar übertroffen worden, berichteten die Vertreter der Aussteller und Branchenverbände zum Abschluß der Messe. Wie die Messegesellschaft ermittelte, wollen 92 Prozent der mehr als 4000 Aussteller 1991 wieder dabei sein.

Direkt gefragt hatten einige Unternehmen neben Erfolgsmeldungen dennoch grundsätzlich Kritisches anzumerken: Zwar sei die Messe ein Erfolg gewesen, wenn man die Zahl und den Kenntnisstand der Besucher als Maßstab anlege, stellt Friedhelm Weidelich, Sprecher der Siemens-Tochter Computergesellschaft Konstanz mbH (CGK), fest. Dennoch, so gab er zu bedenken, entpuppe sich der Branchentreff immer mehr als Show, als Pflichtveranstaltung, jenseits Ergebnisse: "Es werden immer weniger Neuheiten gezeigt. Von daher könnte man durchaus überlegen, ob man diese Messe nur noch zweijährlich veranstaltet."

Über die Bedeutung der CeBIT als Neuigkeitenmesse gibt es unterschiedliche Einschätzungen: Die Messe AG hebt im Abschlußbericht hervor, daß Hannover der zentrale Platz für die Präsentation internationaler Innovationen sei und bleiben werde. Mehr als 40 Prozent der Aussteller hätten auf der CeBIT 90 echte technische Neuheiten vorgestellt.

Der ZVEI sieht das etwas nüchterner: Es hätten keine spektakulären Neuerungen im Vordergrund des Messegeschehens gestanden, heißt es. Vielmehr seien Produkte gezeigt worden, die auf kontinuierlichen Weiterentwicklungen leistungsfähiger Techniken basierten. Dabei halte, so der ZVEI, der Trend zu offenen Systemen, zur Dezentralisierung und Vernetzung sowie zu größerer Mobilität an. Besondere Beachtung fand in diesem Jahr die Entwicklung der Zahlen osteuropäischer Besucher. Nach der Öffnung der Grenzen im vergangenen Jahr hatte die Messe AG darauf verzichtet, DDR-Bürgern vergünstigten oder freien Eintritt zu gewähren und daher auch nur etwa 10000 von ihnen einwandte. Daß schließlich 25000 Besucher aus dem östlichen Teil Deutschlands gezählt wurden, geht vor allem auf die Initiativen von Verbänden und Institutionen zurück. So hatten der Sparkassenverband und kommunale Anwender dafür gesorgt, daß Kollegen ans dem Osten den Branchentreff der DV-Industrie besuchen konnten. Die nächste CeBIT, deren Partnerland Hongkong sein wird, findet vorn 13. bis zum 20. März 1991 statt. Die Ausstellungsfläche, so ist es geplant, wird im Vergleich zu 1990 erneut um 20000 Quadratmeter erweitert werden.