Hardware allein kann den Umsatz kaum mehr steigern:

Dienstleistungen als Marketing- Vehikel

16.09.1983

Präsenz auf dem Hardwaresektor allein bietet den meisten Herstellern heute keine Gewähr mehr für entscheidende Umsatzsteigerungen. Das Ausweichen auf den Dienstleistungssektor bietet sich hier als Möglichkeit, das Geschäftsergebnis dennoch zu verbessern. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist heute nicht Zuwachs in einzelnen, eng begrenzten Unternehmensbereichen, was zählt, ist vielmehr das Angebot an Komplettlösungen. Das bindet den Kunden an sein Dienstleistungsunternehmen und trägt damit wiederum zur Steigerung des Gesamtumsatzes bei.

Die im Dienstleistungsektor engagierten Anbieter lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Auf der einen Seite Servicerechenzentren und Unternehmen wie zum Beispiel die weltweit operierende General Electric Information, für die Hardware von Anfang an nur ein zusätzliches Engagement darstellte. Zum anderen Hardwarehersteller wie die Control Data GmbH, Honeywell Bull oder Sperry Univac, die ihre Geschäftsstrategie überarbeitet haben.

Zur erstgenannten Gruppe gehört der Verein Deutscher Rechenzentren (VDRZ) in Hannover, der den Hardwareanteil am Gesamtumsatz mit 15 bis 20 Prozent angibt. Für Peter Lange- Hellwig, den Geschäftsführer des Unternehmens, stehen Software, Beratung und Rechenleistung im Vordergrund des Angebots. Der Kunde, soll eine Komplettlösung aus einer Hand bekommen und mit qualifizierter Beratung und gutem Service umworben werden.

Entsprechende langfristige Verträge decken eigenen Angaben zufolge etwa 70 bis 80 Prozent des VDRZ- Gesamtumsatzes. Da Hardwarehersteller nach Ansicht des Geschäftsführers vorrangig am Vertrieb der eigenen Produkte interessiert sein müssen, sind sie in ihrem Angebot ziemlich eingeschränkt. Unternehmen, die sich in erster Linie als Anbieter von Dienstleistungen verstehen, könnten deshalb im Normalfall ihre Kunden objektiver beraten.

Eine weitere Verbesserung der Geschäfte verspricht man sich beim VDRZ von der "Verkabelung der Bundesrepublik". Neben Datenbankdiensten und Ferndiagnose sei es dann möglich, die Beratung einerseits zu zentralisieren und andererseits internationaler zu gestalten. So könnten auch kleinere oder hochspezialisierte Unternehmen wie etwa Grundstücksmaklerbüros in den Genuß von Spezialprogrammen aus den USA kommen.

Eine wesentliche Umsatzsteigerung im Bereich der Hardware erwartet der Sprecher des VDRZ auf dem Umweg über das Dienstleistungsangebot nicht. "Das ist ein nettes Zubrot", so Lange- Hellwig, "aber nicht Bestandteil unserer Anschauung eines Servicerechenzentrums".

Internationale Anwendungen anbieten

Ähnlich stellt sich die Sachlage bei der General Electric Informations Service GmbH dar. Den Markt des Unternehmens sieht Pressesprecher Rudolf Beyenburg im Bereich der DV- Dienstleistungen, Lösungen und Anwendungen auf internationaler Ebene. Den Problemen, die sich im grenzüberschreitenden Datenverkehr ergeben, begegnet General Electric, Beyenburg zufolge, durch Anpassung der multilingual gehaltenen Programmpakete an die jeweiligen Gegebenheiten eines Landes.

Daten aus anderen Staaten, die für deutsche Kunden relevant sein könnten, werden überspielt und dann an die hiesigen Verhältnisse angepaßt. Lokale Anwendungen ließen sich heute bereits auf Personal Computern oder Inhouse- Anlagen realisieren. General Electric verstehe sich nicht als Konkurrenz, sondern als sinnvolle Ergänzung zu diesen Möglichkeiten, da das Unternehmen die "umfassende Lösung weltweit" (Beyenburg) anstrebe.

Die Tatsache, daß die reinen Dienstleistungsunternehmen im Gegensatz zu den meisten Herstellern den internationalen Datenverkehr relativ optimistisch sehen, erklärt Beyenburg mit den unterschiedlichen Unternehmenskonzepten. Viele Hersteller seien nämlich nicht wie die IBM mit weltumspannenden Datennetzen auf dem Markt. Die Betonung anderer Schwerpunkte innerhalb einer Geschäftsstrategie könne deshalb durchaus dazu führen, daß die internationale Datenkommunikation zunächst einmal skeptisch betrachtet werde.

Lösungen aus einer Hand gefragt

Entscheidender als die Hardware selbst sind für den General Electric- Pressesprecher in der Regel die Möglichkeiten, die eine DV- Anlage dem Benutzer bietet, um seine Probleme zu bewältigen. Aus diesem Grund gingen auch immer mehr Hersteller dazu über, Komplettlösungen anzubieten, da mit der Hardware allein auf Dauer kein Geschäft mehr zu machen sei. Beyenburg: "Für einen Hersteller ist es sicherlich ein gutes Geschäft, auf dem Umweg über die Dienstleistungsbranche auch seinen Hardwareverkauf anzukurbeln." Diese Formulierung ist Harald Weiß, Manager Marketing Services bei der Control Data GmbH in Frankfurt, nicht ganz genehm. Sein Unternehmen möchte sich als Anbieter qualifizierter "Lösungen aus einer Hand" für kundenspezifische Problemstellungen verstanden wissen. Den umfassenden Service könne man zwar als Marketing- Vehikel gelten lassen, doch seien Umsatzsteigerungen auf dem Hardwaresektor keinesfalls Ziel dieser Unternehmensstrategie.

Besonders weist Weiß darauf hin, daß Control Data auch Software anbiete, die auf der Hardware anderer Hersteller laufe und für solche Kunden selbstverständlich auch Dienstleistungen bereitstelle. Weiß: "Wer sich vor zehn oder fünfzehn Jahren auf eine Hardwarelinie festgelegt und inzwischen Millionen investiert hat, ist auch mit dem besten Service nicht mehr davon wegzubringen. "

Hardware nach wie vor als Umsatzstütze

Da diese Anwendergruppe ein großes Kundenpotential darstelle, biete Control Data auch hier Service- und Dienstleistungen an. Kapazitätsanalysen und Performance- Checks für IBM- Systeme, bei kleineren Kunden von Big Blue sogar die Systemwartung, seien mehr oder weniger selbstverständlich.

Den Begriff der Hardware selbst möchte der Marketing- Manager für sein Unternehmen differenziert sehen: Control Data verstehe sich als großer OEM- Lieferant, der einen beträchtlichen Teil seiner Umsätze natürlich auf dem Hardwaresektor erziele. Die Zuwachsraten seien jedoch im Service- und Dienstleistungsbereich wesentlich höher, vor allem bei den Mainframes.

Deshalb habe Control Data versucht, hier ein zweites Bein auf den Boden zu bekommen. Dieses frühzeitige Engagement erweise sich nun als nutzbringend. "Es würde uns nicht von den Füßen werfen", so Weiß, "wenn die Zuwachsraten bei Hardware und Dienstleistungen eines Tages noch stärker auseinanderklaffen. Da sind wir etwas besser dran als manche andere Hersteller."

Kundenberatung muß individuell erfolgen

Auch bei Honeywell Bull in Köln geht man davon aus, daß die Hardware mit Anwendungssoftware und flankierenden Dienstleistungen entsprechend verpackt sein müsse. Neben dem eigenen Angebot bezüglich Rechnern und Dienstleistungen befürwortet Klaus Rufer, Leiter des Branchen- Marketing, in bestimmten Bereichen eine geregelte und vertraglich abgesicherte Zusammenarbeit mit Softwarehäusern.

Dabei könne Honeywell Bull als alleiniger Anbieter fungieren oder aber selbst lediglich Hardware und Systemsoftware vermarkten, die dazugehörige Anwendungs- und Dienstleistungssoftware dagegen durch ein Softwarehaus liefern. Am besten für den Kunden ist es laut Rufer, wenn Hardware, Systemsoftware und Anwendungspaket, sowie Dienstleistung in Form von ergänzenden Programmen und Einführungsunterstützung aufeinander abgestimmt sind.

Der Vertriebsstrategie von Honeywell Bull zufolge muß die Ansprache des Kunden von der Anwendungsseite und der Komplettlösung her erfolgen. Die Beratung müsse branchenorientiert und kundenspezifisch sein. Rufer: "Ich glaube, auch im Bereich der mittleren Datenverarbeitung werden immer mehr fertige Lösungen zum Einsatz kommen. Es macht sich nicht mehr bezahlt, umfangreichere Anwendungen selbst zu erstellen."

Viele Benutzer würden darüber hinaus die damit verbundenen Schwierigkeiten unterschätzen. Einnahmen aus dem Dienstleistungsbereich plant Rufer fest in seine Marketingstrategie ein, da sich damit seiner Ansicht nach ausgeprägte Steigerungsmöglichkeiten bieten. Auch hier dient also das gute Unternehmensimage offensichtlich als erprobtes Mittel, Kunden über einen längeren Zeitraum hinweg nicht an Mitbewerber zu verlieren.

Problemanalyse als Angebotsgrundlage

Ähnlich verhält sich die Situation auch bei Sperry Univac. Nach Ansicht von Marketing- Direktor Bernd Blasberg erwartet der Kunde vom Hersteller ein Angebot, bei dem die Systemlösung im Vordergrund steht. Der Anwender gibt zu Protokoll, welche Probleme er in seinem Betrieb mit Hilfe der Datenverarbeitung bewältigen möchte.

Auf dieser Grundlage erstellt Sperry laut Blasberg unter rein betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Kurzstudie, aus der ein DV/ organisatorisches Konzept abgeleitet wird. Eingeschlossen ist ein konkretes Angebot, das Vorgehensweise und Programme sowie die Hardware umfaßt, auf der die Software im praktischen Einsatz laufen soll. Blasberg: "Wir sind bereit, über die Lieferung von Datenverarbeitungsanlagen hinaus mehr zu leisten und wollen uns auch für die richtige Auswahl und Realisierung in die Verantwortung begeben."

Neue Produktbereiche erschließen

Der Trend bei Sperry gehe also auch nicht dahin, ausschließlich Hardware zu vertreiben. Man wolle vielmehr dem Kunden ein möglichst umfassendes Angebot machen und dort, wo geplante Lücken vorhanden seien, die Sperry auch nicht mit eigenen Produkten füllen wolle, mit anderen Anbietern kooperieren. Als grundsätzliche Überlegungen stelle sich hier die Frage, welche Kombination am meisten Chancen verspreche, den Auftrag zu bekommen. Sie sei fast immer auch diejenige, die den Kunden am meisten überzeugen könne.

Nach Ansicht des Sperry- Marketing- Direktors ist der Kunde durchaus bereit, mit mehreren Anbietern zusammenzuarbeiten. Er fordere nur in den seltensten Fällen eine Gesamtunternehmenschaft, erwarte aber, daß sich die anbietenden Partner untereinander abstimmten und einer die Koordination übernehme. Auf diese Weise könne der Kundenkontakt meist über eine längere Zeit hinweg erhalten werden.

Blasberg: "Der Kunde sollte uns auch in Fällen konsultieren, in denen er nicht sicher ist, ob wir ihm helfen können. Wir werden versuchen, ihn dann zu überzeugen, daß wir sehr wohl in der Lage sind, die von ihm geforderten Leistungen zu erbringen."

Aus Sperry- Sicht reicht der Dienstleistungsmarkt nicht aus, um den Gesamtumsatz zu stützen. Es sei nicht geplant, hardwaremäßig zurückzustecken. Eine weitere Reaktion auf die sinkenden Hardwareumsätze stelle vielmehr das Eindringen in neue Produktbereiche wie den Mikrocomputermarkt, Bürokommunikation oder Glasfasertechnologie dar.

Diese dazugewonnenen Territorien ließen sich wiederum mit dem Dienstleistungssektor verknüpfen und ermöglichten große Wachstumschancen. Blasberg: "Diese Versuche mit zusätzlichen Produktgattungen tragen dazu bei, einen Umsatzrückgang in anderen Bereichen aufzufangen. Man kann nicht davon ausgehen, daß sich allein durch Dienstleistungen und Software der Hardwareverfall ausgleichen läßt."