Diebold: Bis 1985 Verfünfzigfachung der Geräte für Bildschirmtext:Tischcomputer sitzen zwischen den Stühlen

23.10.1981

MÜNCHEN (nw) - Langfristig auf verlorenem Posten sieht Professor Heiner-L. Müller-Lutz die Hersteller von Personal Computern. Diese Prognose begründete der Vorsitzende des SYSTEMS-Fachbeirats auf der Pressekonferenz zur Messe 81 damit, daß einerseits der Hobby-Bereich bald vom Bildschirmtext-Service bedient werde. Und um andererseits Daten zu Verarbeiten, reiche ein Tischrechner nicht aus - "da braucht man schon eine richtige DV-Anlage".

Bislang liegen die Tischcomputer mit Zuwachsraten im Auftragseingang von 50 bis 70 Prozent freilich ganz vorn im Rennen um DV-Begeisterte. Diese Zahl findet Gerhard Adler von Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt, um so bemerkenswerter, als die wachstumsverwöhnte Branche erstmalig "eins auf die Nase bekommen habe": Sowohl bei Standard- und Universalcomputern als auch beim Bürocomputer herrsche Flaute in den Verkaufsabteilungen. Insgesamt werde sich die Branche, deren Marktvolumen hierzulande bei jährlich 20 Milliarden Mark liegt, heuer mit einem plus minus null zufriedengeben müssen. Allerdings erwarten die Frankfurter Marktforscher recht unterschiedliche Ergebnisse für die einzelnen Produktsparten. Während demnach die Standardcomputer-Population von heute 14 200 bis 1985 nur gering auf 16 600 zunehmen wird, sollen bis in vier Jahren nahezu doppelt so viele Minicomputer (derzeitiger Bestand 39 200) und Bürocomputer (142 000) in bundesdeutschen Unternehmen stehen. Auch bei Textverarbeitungssystemen schaut es nicht schlecht aus: Hier wird eine Zunahme von 74 000 auf 253 000 erwartet.

Enorm nimmt sich dagegen der Zuwachs im Bereich Tischcomputer aus. Die Installationen sollen in diesem Zeitraum von 55 000 auf 330 000 ansteigen. Bei Terminals für Bildschirmtext rechnet die Branche gar mit einer Verfünfzigfachung auf 300 000 Geräte bis 1985.

Für Müller-Lutz gehört deshalb die Zukunft ganz eindeutig dem Bildschirmtext (Btx). Nach der für 1983 geplanten Freigabe des Btx-Services durch die Bundespost werde der Personal Computer überflüssig. Denn bei 25 Millionen Telefonen und fast ebenso vielen Fernsehgeräten sei der Btx-Masseneinsatz geradezu vorprogrammiert. Btx müsse zudem nicht erlernt werden und verlange keine spezifischen DV-Kenntnisse.

Der Schritt vom reinen Informations- zum Datenverarbeitungs-System sei dann nicht mehr groß. In einem Rechnerverbund beispielsweise könnten über die Schnittstelle X.25 die DV-Anlagen an die Bildschirmtextleitzentrale der Bundespost angeschlossen werden. Dies bedeute daß sich ein Btx-Teilnehmer zu Hause vor sein Fernseh-Terminal setzen und mit dem Computer kommunizieren könne. In seiner Freizeit habe er zudem die Möglichkeit, sich bei einem Schach- oder Telespiel von der Arbeit zu erholen. Weil nun Btx alles biete, was ein Tischrechner kann und über den Rechnerverbund darüber hinaus noch einiges mehr, sieht Müller-Lutz auf lange Sicht die Markt-Chancen für Personal Computer verblassen.