Interview

Die Zukunft von Baan

23.06.2000
Invensys will das schlingernde Softwarehaus Baan übernehmen. Baans künftiger President Laurens Van der Tang im Gespräch mit CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer

CW: Invensys ist ja nicht gerade bekannt dafür, in den Geschäftsfeldern Kompetenz aufgebaut zu haben, für die Baan steht. Viele Aktionäre zweifeln offenbar, dass die Briten die richtigen Käufer sind. Was meinen Sie?

Van der Tang: Wir haben uns das sehr genau überlegt. Sowohl Baan als auch Invensys sind in der produzierenden Industrie sehr stark. Invensys kommt dabei mehr aus dem maschinennahen Fabrikbereich, Baan hat mehr Know-how in ERP-Systemen. Es gibt aber eine Menge Kunden, die es sehr gerne sehen würden, wenn diese beiden Bereiche miteinander verknüpft würden. Das ist umso wichtiger, als mehr und mehr produzierende Unternehmen ins Internet gehen, ihre Produkte also über das Web verkaufen oder eine Built-to-order-Strategie verfolgen. Für diese neue Geschäftswelt mit seinen Lean-Manufacturing-Konzepten, bei denen produktionsnahe Aufgaben mit Supply-Chain-Management-Fragen eng verknüpft sind, glauben wir ein komplettes Lösungsangebot zu besitzen.

CW: Nachdem die Übernahme publik geworden war, vermuteten einige Analysten, Invensys könnte Baans CRM-Softwarelösung "Aurum" sowie die von Caps Logistics gekaufte SCM-Lösung als strategisches Faustpfand halten, um diese Produkte wieder zu verkaufen. Ist das wahrscheinlich?

Van der Tang: Das ist alles reine Spekulation. Invensys hat betont, dass es sich der gesamten Baan-Produktpalette verpflichtet fühlt, und da gehören die CRM- und SCM-Produkte ja wohl dazu. Wenn Sie zudem sehen, dass sich die Welt heute rapide ändert, dass zunehmend Supply-Chain-Mechanismen ein Unternehmen tragen und wenn Sie darüber hinaus sehen, dass alle Unternehmen zunehmend Built-to-order-Strategien entwickeln, dann ist es einsichtig, dass eine nahtlose Integration der Front- mit den Backoffice-Lösungen von immer größerer Bedeutung ist. Und in diesem Zusammenhang sind CRM-Lösungen von strategischer Bedeutung - also auch für Invensys.

CW: Es gibt Analysten, die behaupten, Invensys vereine nun unter seinem Dach völlig unterschiedliche Produkte, nämlich die von Foxboro, Wonderware, Marcam und Baan. Ist es sinnvoll, diese Produkt zu integrieren?

Van der Tang: Natürlich nicht in ein Produkt. Marcam beispielsweise ist völlig auf die Prozessindustrie konzentriert, Baan wiederum hat sich sehr stark in der diskreten Fertigung engagiert. Das sind also komplementäre Produkte. Viele glauben übrigens fälschlicher Weise, Invensys sei vor allem in der Prozessindustrie zu Hause. Das stimmt aber so gar nicht. Invensys hat viele Aktivitäten auch in der diskreten Fertigungsindustrie. Es gibt bei der Verschmelzung von Baan in Invensys kaum Produktüberschneidungen.

CW: Gibt es denn Bereiche, wo eine Integration der Produkte sinnvoll wäre?

Van der Tang: Durchaus. Die Integration beispielsweise der Wonderware-Produkte für die diskrete Fertigung mit dem Baan-ERP-System. Wir haben in diesem Bereich eine Menge gemeinsamer Kunden. Außerdem hat Baan mit der XML-basierenden Infrastruktur "Open World" eine Architektur, die auch ganz einfach zur Integration für Produkte wie die von Wonderware genutzt werden kann. Baan hat ja in der Vergangenheit schon erfolgreich diverse eingekaufte Produkte, etwa aus den Bereichen Frontoffice, ERP und SCM, in die Baan Enterprise Solutions integriert.

CW: Wie die Wettbewerber SAP, Peoplesoft, J.D.Edwards oder Oracle muss sich auch Invensys/Baan im E-Commerce-Gewerbe umsehen. Dort geben Startups wie Commerce One, Ariba oder Broadvision den Ton an. Was werden Invensys und Baan tun, um in diesem Marktsegment zu bestehen?

Van der Tang: Weil alle Aufmerksamkeit in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten ausschließlich auf das finanzielle Überleben von Baan ausgerichtet war, haben nur wenige mitbekommen, dass wir erhebliche Fortschritte gemacht haben, gute Produkte für den B-to-B-Markt zu entwickeln, wie E-Procurement, E-Sales, E-Service und E-Collaboration. Unsere E-Business-Familie ist zudem durch diverse Produkte erweitert worden, die alle möglichen B-to-B-Szenarien unterstützen. Unser Plan ist, dass wir auch weiterhin aggressiv in diesen Markt investieren wollen. Darüber hinaus werden wir sicherstellen, dass unsere Produkte auch mit denen anderer Hersteller, beispielsweise denen von Ariba, zusammenarbeiten können.