"Die Zukunft heißt Batch aus der Steckdose"

27.06.1975

Mit Dipl.-Kfm. Kurt Huprecht, Vorstandsvorsitzer des Verbandes

Deutscher Rechenzentren, sprach CW-Chefredakteur Dr. Gerhard Maurer

- Eine Strukturanalyse des Verbandes Deutscher Rechenzentren ergab vor eineinhalb Jahren, daß diese Branche einen schweren Stand hat. Die Umsatzrendite war nur 1,8 Prozent, das heißt auf jede Mark Umsatz wurden nur 1,8 Pfennig verdient. Geht es den Rechenzentren schlecht?

Einmal wird die Umsatzrendite durch die Zurverfügungstellung größerer Mittel für Neuprogrammierung bestimmt und zum anderen sind die Rechenzentren dadurch gekennzeichnet, daß sich ihre Wirtschaftsentwicklung entgegen dem Konjunkturzyklus entwickelt.

- Hieße das, daß es den freien Rechenzentren in Zeiten der Hochkonjunktur schlecht geht und jetzt demnach also wieder besser?

In Zeiten der Rezession geht es ihnen besser als der Gesamt-Wirtschaft. Zwar bringt die Rezession durch Ausfall von Kunden und Verringerung des Datenanfalls gewisse Rückschläge, andererseits gibt es aber ein vermehrtes Interesse an der Datenverarbeitung außer Haus, Einmal, weil sie als kostengünstiger als die eigene Anlage im Haus angesehen wird. Und andererseits, weil das Informationsbedürfnis gerade in Zeiten schlechter wirtschaftlicher Entwicklung wächst.

- Geht es der Branche nun eher gut oder eher schlecht?

Die Umsatzentwicklung der Rechenzentren im Vergleich zum Vorjahr zeigt eine Steigerung von zirka zehn Prozent im Schnitt. Das heißt, daß es der Branche im Verhältnis zur allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sicherlich besser geht.

- Gelegentlich hört man auch von Pleiten bei Service-Rechenzentren. Eine solche Pleite ist für den Kunden ja geradezu katastrophal. Wieviele Rechenzentren haben Sie im letzten Jahr aufgeben müssen?

Verschiedene Rechenzentren haben durch Zusammenschluß zwar ihre wirtschaftliche Selbständigkeit verloren aber ohne die von lhnen genannten Auswirkungen für den Kunden. Der Verband begrüßt diese Kooperationsbestrebungen auch mit einer eigenen Kooperations-Börse. Mir persönlich sind im letzten Jahr im Bereich unseres Verbandes nur zwei Rechenzentren bekannt, die wirklich aufgeben mußten.

- Die genannte VDRZ-Strukturanalyse ergab, daß etwa zwei Drittel des Branchenumsatzes von nur 20 Prozent der Firmen gemacht werden. Haben die kleinen Rechenzentren eigentlich eine Zukunft?

Die Entwicklung ist ähnlich wie im Einzelhandel. Auch hier haben wir die großen Kaufhäuser und daneben die kleinen Boutiquen. Auch in der Datenverarbeitung gibt es immer Spezialaufgaben, die für ein großes Rechenzentrum nicht geeignet sind, sondern für die ein maßgeschneidertes Programm von dem kleinen und mittleren Rechenzentrum preisgünstiger und besser durchgeführt werden kann.

Beide Formen der Rechenzentren werden auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung haben.

- In VDRZ-Kreisen spricht man ein wenig abfällig vom sogenannten Rucksack-Rechenzentren. Wer ist eigentlich gemeint?

Wir meinen den Programmierer oder Operator, der sich nebenbei mit oder ohne Wissen seines Arbeitgebers irgendeinen Datenverarbeitungsauftrag besorgt und den dann während der Nachtschicht mehr oder minder illegal ausführt. Wir haben hier Bedenken, weil der Ruf der Branche in Mißkredit kommen kann, zum anderen aber auch weil hier weder die steuerlichen noch sonstigen staatlichen Belange gewahrt werden.

- Fürchtet die Branche die Amerikaner? Der Mark-III-Service wird recht erfolgreich in der Bundesrepublik angeboten, -gerechnet wird in Cleveland/Ohio über Satelliten-Verbindungen.

Neuerdings kommt jetzt auch die CDC mit ihrer Service Bureau Corporation und dem Dienst Call 370 nach Deutschland. Wie reagieren Sie?

Der Timesharing-Service hat in Deutschland nicht die Entwicklung genommen die man ihm noch vor zehn Jahren vorausgesagt hat. Die Service-Rechenzentren sind im wesentlichen mit druckintensiven Batch-Arbeiten beschäftigt, die im Timesharing-Service nicht abzuwickeln sind.

- Ihre Aussage überrascht. Glauben Sie nicht, daß die Zukunft dieser Branche die "Computerleistung aus der Steckdose" ist?

Das ist vollkommen richtig. Doch wird es "Batch aus der Steckdose" sein und nicht Timesharing-Service. Im übrigen wird der "Computer aus der Steckdose" natürlich so lange Illusion bleiben, so lange die Deutsche Bundespost mit ihren Gebühren und der Zurverfügungstellung von Leitungen die Entwicklung hemmt.

- Die Rechenzentren sind chronisch kapitalschwach. So ergab die VDRZ-Strukturanalyse.

Die schwache Kapitalausstattung ist darauf zurückzuführen, daß die Rechenzentren sowohl in ihrer Hardware als auch in ihrer Software immer Investitionen auf die Zukunft machen müssen. Doch glauben wir, daß gerade durch Kooperationen gewisse Bereinigung inzwischen eingetreten ist.

- Wie steht es im Dauer-Streit mit den Steuerberatern ?

Hier geht es um die Abgrenzung der steuerberatenden Tätigkeit zur Tätigkeit der Service-Rechenzentren. Das Dritte Änderungsgesetz zum Steuerberatungsgesetz, das jetzt im Bundestag verabschiedet wurde, bestimmt im Paragraphen 6, daß Buchungsanweisungen und Kontierungen steuerberatende Tätigkeiten sind. Bei extensiver Auslegung würde damit jede Tätigkeit der Service-Rechenzentren und jede Fremdprogrammierung durch Softwarehäuser unterbunden. Denn bei jedem Fakturierprogramm zum Beispiel werden durch das Programm bestimmte Buchungsanweisungen für Erlöskonten gegeben. Das Gesetz erscheint uns deshalb in dieser Form auch wirtschaftlich überhaupt nicht durchführbar. Außerdem ist es unserer Meinung nach auch verfassungswidrig, da es gegen Artikel 12 und 14 des Grundgesetzes verstößt, die die freie Berufsausübung und die Wahrung des Besitzstandes garantieren.

- Was hat der Verband unternommen?

Wir haben in einem Telegramm den Bundespräsidenten aufgefordert, dieses Gesetz nicht zu unterschreiben. Sollte das trotzdem der Fall sein, werden wir eine Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht einreichen.