Umsteigen auf Komponenten anderer Hersteller

Die Zukunft gehört "offenen" Systemen

19.02.1988

In der Datenverarbeitung beziehungsweise Bürokommunikation ist zwischen "offenen" und "geschlossenen" Systemen zu unterscheiden. In der Vergangenheit dominierten "geschlossene" Systeme. Damit sind herstellerorientierte Systeme auf der Basis eines herstellereigenen Betriebssystems gemeint, die keine oder nur eine begrenzte Kommunikation mit Fremdsystemen ermöglichen. Unbestritten ist, daß es sich dabei um leistungsfähige Informationssysteme handelt, die auch laufend verbessert und optimiert werden. Geschlossene Systeme haben jedoch einen gravierenden Nachteil: ein Wechsel des Computerlieferanten ist kaum möglich, da die gesamte Software im Regelfalle auf dem neuen System nicht lauffähig ist. Eine Portierung der Anwendungssoftware auf ein anderes, nicht kompatibles Computersystem ist jedoch mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Aus der Sicht der Anbieter ist diese Kundenbindung natürlich erwünscht. Dies kann jedoch nicht im Interesse des Anwenders und der von ihm angestrebten Zukunftssicherheit sein.

Immer mehr Anwender stellen heute die Forderung nach "offenen" das heißt herstellerunabhängigen Systemen. In der Praxis bedeutet dies, daß der Anwender im Bedarfsfall auch auf Systemkomponenten anderer Hersteller unter Nutzung seiner vorhandenen Software "umsteigen" kann. Dies verringert die Abhängigkeit von einem Hersteller und gibt dem Anwender eine ungleich höhere Flexibilität.

Grundlagen dafür sind:

* einheitliche technische Normen und Standards, wie das sogenannte OSI (Open System Interconnection) der internationalen Standardisierungsorganisation ISO.

- MS-DOS (etwa 60 Prozent),

- Unix und Derivate (etwa 20 Prozent),

- Hersteller-Betriebssysteme (etwa 20 Prozent).

Der Trend geht heute eindeutig in Richtung Standard-Betriebssysteme. Daher wird der Versuch des Marktführers IBM, mit "BS/2" wieder einen eigenen Standard zu schaffen, von vielen Fachleuten skeptisch beurteilt.

* Anschluß an die öffentliche Datendienste und -netze. Unabdingbarer Bestandteil moderner Bürokommunikationssysteme ist der Anschluß an öffentliche Datendienste und -netze.

* ISDN-Fähigkeit für künftige Anwendungen. Die hier genannten Standardisierungsbestrebungen

sind die Grundvoraussetzung für die Installation des geplanten dienstintegrierten Universalnetzes ISDN, über das in der Bundesrepublik Deutschland im Laufe der 90er Jahre die gesamte öffentliche Kommunikation laufen soll.

Daher verweisen die Anbieter von Bürokommunikationssystemen verstärkt auf die "ISDN-Fähigkeit" ihrer Systeme. Im Grunde wollen sie dem Anwender damit signalisieren daß ihre Systeme durch Beachtung internationaler Normen, Standards und herstellerunabhängigen Schnittstellen bereits auf die künftigen ISDN-Erfordernisse ausgerichtet sind, obwohl der volle ISDN-Nutzen erst in der 90er Jahren zum Tragen kommen wird. Damit soll der Begriff "Zukunftssicherheit" verdeutlicht werden.

Die Einführung von Bürokommunikationssystemen erfordert auf seiten des Anbieters ein hohes Maß an fachlichem und organisatorischem Know-how. Von ihm wird die Mitwirkung an folgenden Aufgabenstellungen verlangt:

- individuelle Bedarfsanalyse,

- Entwicklung des Gesamtkonzepts,

- Festlegung der Einzelschritte,

- Unterstützung in der Implementationsphase,

- Lieferung und Wartung der Hard- und Software sowie

- laufende organisatorische und technische Betreuung.

Mit diesen Dienstleistungen steht und fällt die erfolgreiche Einführung der Bürokommunikation. Der Anwender ist gut beraten, wenn er sich dabei auf Anbieter stützt, die über korrekte Erfahrungen in der Bürokommunikation verfügen. Hier ist der Direktvertrieb der Hersteller oder das qualifizierte Systemhaus gefragt und weniger der Computerhändler um die Ecke. Der Anwender sollte sich dabei auch nicht scheuen, neutrale Berater mit hinzuzuziehen.

Vorteil der auf Bürokommunikation spezialisierten Systemhauser ist es, daß sie auch eine herstellerübergreifende Beratung gewährleisten können, da sie nicht nur an einen Hersteller gebunden sind.

Probleme bei der Einführung der Bürokommunikation

Die Einführung in die Bürokommunikation stellt für jedes Unternehmen ein so wichtiges und in die Zukunft reichendes Ereignis dar, daß sich jegliche Zufallsaktivitäten eigentlich von selbst verbieten. Leider ist es in der Praxis so, daß oft schon in der Verbreitungsphase eklatante Fehler gemacht werden, die den späten Erfolg von vornherein in Frage stellen.

Diese Fehler sind kostspielig und können das Unternehmen um Jahre zurückwerfen. Bestes Beispiel ist die jahrelang praktizierte Methode, die unmittelbar Beteiligten mit kurzfristigen Entscheidungen zu überraschen. Der Widerstand gegen eine solche Vorgehensweise ist manchmal oft versteckt, aber doppelt wirksam.

Wir wollen hier auf einige der wichtigsten Punkte hinweisen.

Ein in der ganzen Informationstechnologie sichtbares Dilemma äußert sich darin, daß Anbieter und Anwender häufig aneinander vorbeireden. Die technologisch Berater der Anbieter überschütten den Anwender mit einer Fülle von Schlagworten und Fachbegriffen, die ihn schlicht überfordern. Das vom elitären Denken geprägte Fachchinesisch führt dazu, daß der Anwender "streikt" und seine Investitionsentscheidungen bis auf weiteres zurückstellt.

Daher ist die Frage berechtigt: "Was nützen Spitzen-Innovationen, wenn sie den Anwender nicht erreichen?"

Anwenderbedürfnisse werden zu wenig berücksichtigt

Daß jeder Hersteller und Anbieter von Bürokommunikationslösungen verkaufen will, ist legitim. Weniger verständlich ist jedoch die Tatsache, daß die echten Anwenderbedürfnisse häufig viel zu wenig Berücksichtigung finden. Bei einer von uns im ersten Halbjahr 1987 durchgeführten Befragung in Unternehmen unterschiedlichst Größenordnung ergab sich erstaunlicherweise eine weitgehende Deckungsgleichheit, was die Wünsche der potentiellen

Bürokommunikations-Anwender betraf.

Wir haben die am häufigsten genannten Anwenderwünsche nachstehend zusammengestellt. Sie decken sich voll mit unseren Beobachtungen in der Praxis und sollten von den Anbietern aufmerksam registriert werden:

- objektive Beratung

- Schutz bestehender Installationen und Investitionen unterschiedlicher Herkunft,

- offene Systemkonzepte ohne einseitigen Zwang auf bestimmte Herstellerkonzepte,

- Zusammenarbeit unterschiedlicher, bisher isolierter Insellösungen (Integration),

- Flexibilität durch arbeitsplatzorientierte Systemkonzepte,

- Zukunftssicherheit durch Kommunikationsstandards,

- Hilfestellung bei Mitarbeiterentwicklung,

- Hilfe bei Anpassung der Organisationsstrukturen,

- Hilfe bei Implementierung und Weiterentwicklung.

Darf Bürokommunikation von der Stange kommen?

Ein weiterer, schwerwiegender Fehler bei der Einführung der Bürokommunikation ist die Erzeugung zu großer oder falscher Erwartungen. Manche Anbieter vermitteln dem potentiellen Anwender das Gefühl, daß Bürokommunikation gewissermaßen "von der Stage weg" als Konfektionsware erhältlich und einsetzbar wäre. Hier schwingt auch die Suggestion des "vollautomatischen Büros" mit.

Diese Argumentation ist falsch und schadet beiden Seiten.

Denn:

- Bürokommunikation ist kein fertiges Produkt, das man von der Stange kaufen kann;

- Bürokommunikation ist eine Vielzahl von Komponenten und Verfahren, die im Rahmen einer organisatorischen Gesamtplanung schrittweise entsteht;

- Bürokommunikation erfordert auch vom Anwender ein hohes Maß an Engagement und Zeit;

- Bürokommunikation muß daher von innen heraus und von oben nach unter beginnen.

Anbieter, die ihren Kunden den Eindruck vermitteln, "daß die Einführung der Bürokommunikation eine Sache von Wochen" sei, handeln unseriös.

Der Anwender muß wissen, daß er sich auf ein lernintensives und mitunter auch anstrengendes Projekt einstellen muß. Natürlich kann ihm ein erfahrener Anbieter diese Arbeit wesentlich erleichtern. Aber letzlich hängt der Erfolg doch von seinem persönlichen Engagement ab.

Bürokommunikation contra DV-Abteilung?

Die Bürokommunikation leitet eine neue Epoche in der betrieblichen Informationsverarbeitung ein und ist in etwa mit der EDV-Einführung vor 25 Jahren vergleichbar. Dies wird nicht ohne Auswirkungen auf die klassische DV-Landschaft bleiben und die vorhanden Hierarchien und Strukturen nachhaltig beeinflussen, wie auch aus nachstehender Grafik hervorgeht.

Die denkbaren Folgen dieser Strukturveränderungen sind:

- Reduzierung der Machtbefugnisse des DV-Leiters

Der DV-Leiter hatte in der Vergangenheit eine fast unangreifbare Machtposition erreicht. Mit dem Aufkommen der arbeitsplatzorientierten PCs waren in dieser Bastion die ersten Risse erkennbar. Mit dem Trend zur integrierten Bürokommunikation stellt sich die Frage der Neuorientierung des Aufgabenbilds "DV-Leiter". Entweder paßt er sich dieser Entwicklung an und löst sich vom "Nur-EDV-Denken" - oder er wird zunehmend an Einfluß verlieren.

- Bedeutung der zentralen Organisation wird zunehmen

Die Bedeutung des Organisationsleiters innerhalb der betrieblichen Hierarchie hat deutlich zugenommen. Früher primär nur auf die Textverarbeitung und deren Randgebiete fixiert, entwickeln sich heute die Organisatoren immer mehr zu "abteilungsübergreifenden Koordinatoren" . Sie sind maßgeblich an der Entwicklung von Gesamtkonzepten und Einführungsstrategien beteiligt. Das führt in manchen Fällen zu Reibereien zwischen DV- und Org. - Leiter, wo dann die Geschäftsleitung gezwungen ist, klare Prioritäten zu setzen.

- Trend zum Informationsmanager?

Diese Entwicklung hat bereits bei einer ganzen Reihe von Unternehmen zu einer neuen Rollenverteilung in Form eines speziellen "Informationsmanagers" geführt. Er hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Aufgabenstellungen, Strategien und Techniken im Interesse des Unternehmens und einer einheitlichen Kommunikationsstrategie zusammenzuführen. Meist handelt es sich dabei um ehemalige Org-Leiter; aber es gibt auch DV-Leiter, die diese zukunftsorientierte Aufgabe übernommen haben.

- In der Realität dominiert noch die Insellösung

Erste Ansätze zur abteilungsübergreifenden Koordination können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen daß die betriebliche Realität im Regelfall noch von Insellösungen und von Abteilungs- und Personenegoismus (Besitzdenken) gekennzeichnet ist, die die dringend notwendige Weiterentwicklung und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens blockieren.

Einzig sinnvoller Weg aus einer solch verfahrenen Situation kann es nur sein, alle Beteiligten an den Tisch zu bringen und gemeinsam eine verbindliche Kommunikationsstrategie und -planung zu entwickeln. Die Durchsetzung muß einem kompetenten Projektleiter übertragen werden, der direkt an die Geschäftsleitung berichtet.

Akzeptanzhürden werden oft zu spät erkannt

Der häufigste Fehler technokratisch geprägter Fachleute ist es, daß sie ihre Denkweise allzugerne auf andere übertragen. Wer ständig mit Computern und anderen modernen Technologien umgeht, kann sich kaum vorstellen, daß diese Geräte auf der Arbeitsplatzebene tiefsitzende Ängste und Vorbehalte hervorrufen können. Untersuchungen haben dabei bestätigt, daß die Akzeptanzproblematik zur Zeit eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Bürokommunikation darstellt.

Technik ist für den Menschen da - und nicht umgekehrt. Diese simple Forderung steht heute zwar in jedem Computerprospekt, wird in der Praxis aber meist vernachlässigt. Das beginnt bei fehlerhaften Bedienungshandbüchern und endet bei streßbeladenen Einarbeitungen.

Die entscheidende Zielsetzung muß sein, die Mitarbeiter nicht mit vollendeten Tatsachen zu überraschen, sondern sie von Anfang an in den Entscheidungsprozeß einzubeziehen!

Wo dies nicht gemacht wird, gibt es viel Arger, der bis zum passiven oder aktiven Widerstand gehen kann und das Unternehmen viel Zeit und Geld kostet. Hier die wichtigsten Regeln zum Akzeptanzthema:

Regel 1: Fachchinesisch möglichst vermeiden

Regel 2: Einführungs-/Schulungsplan erstellen

Regel 3: Ängste durch Information abbauen

Regel 4: Ergonomieaspekte berücksichtigen

Regel 5: Beteiligte rechtzeitig mit einbeziehen

Regel 6: Interne Koordination und Kompetenzen festlegen

Es fehlt ein mittelfristiges Gesamtkonzept

Wir haben bereits mehrfach darauf hingewiesen: Ohne mittelfristiges Gesamtkonzept kann die Einführung der Bürokommunikation zum riskanten Abenteuer werden. So lobenswert der Drang mancher Unternehmen an sich auch ist - die Zeit für die konzeptionelle Grundlagenarbeit muß einfach gegeben sein. Im Gegenteil: Eine gute Vorbereitung erspart später viel Zeit und Probleme.

So sehr wir für den Einsatz der Bürokommunikation plädieren, so klar und deutlich möchten wir auch vor der überstürzten Einführung warnen. In dem Bestreben, die Vorteile möglichst schnell in Anspruch nehmen zu können, werden oft unrealistische Zeitvorgaben gemacht, die die Mitarbeiter schlicht überfordern. Aus diesem Grund ist eine schrittweise Einführung in Form eines Stufenplans dringend zu empfehlen.

Zur richtigen Vorgehensweise

Abschließend möchten wir die wichtigsten Empfehlungen nochmals in vereinfachter Form zusammenfassen. Zuvor sei jedoch darauf hingewiesen, daß es keine Patentrezepte für die Einführung der Bürokommunikation gibt, da die Anforderungen der einzelnen Betriebe viel zu unterschiedlich sind. Überdies lähmt das Warten auf solche Patentrezepte meist die notwendige Eigeninitiative und verzögert die notwendigen Entscheidungen.

Wenn es auch kein Patentrezept gibt, so existieren doch einige Entscheidungshilfen und Erfahrungen, die sich in der Praxis bewährt haben. Sie sind zwar kein Allheilmittel gegen jegliche Fehler, grenzen das Risiko von Fehlentscheidungen jedoch erheblich ein. Dazu zählen folgende Tips:

1. Basisinformationen beschaffen, neutralen Rat einholen (Identifikation auf GL-Ebene)

2. Interne Bestandsaufnahme durchführen (IST-Zustand, Informations- und Kommunikationsbedarf pro Arbeitsplatz)

3. Interne Koordination festlegen (Trotzdem: BK ist GL-Sache!)

4. Mittelfristiges Gesamtkonzept erstellen (Fachleute hinzuziehen auf Patentrezepte verzichten)

5. Akzeptanzschwellen abbauen (Einbeziehung der Mitarbeiter, Schulung)

6. Schrittweise einführen (nach Stufenkonzept)

Wichtige Anbieter der Bürokommunikation

Zahlreiche Hersteller und Händler für Bürotechnologien bezeichnen

sich heute als "Anbieter von Bürokommunikationslösungen". Dieser Begriff ist dehnbar und reicht vom PC-Anbieter mit Textlösungen über spezialisierte Systemhäuser bis zum Direktvertrieb der Hersteller. Die Auswahl des richtigen Lieferanten ist letztlich vom individuellen Anforderungsprofil des Anwenders abhängig: Das kann im Einzelfall auch ein qualifizierter PC-Händler oder ein entsprechender Bürofachhändler sein, der über die notwendige Erfahrung verfügt. Bei wirklich integrativen Lösungen und den damit verbundenen Anforderungen konzentriert sich das Angebot sehr schnell auf spezialisierte Systemhäuser und den Direktvertrieb der Hersteller. Zu den Herstellern, die geschlossene Bürokommunikationssysteme - auch über qualifizierte Handelspartner - anbieten, zählen unter anderem DEC, Ericsson, IBM, Nixdorf, Philips, Siemens, Telenorma, Unisys und Wang.

Die Zusammenarbeit mit den auf Bürokommunikation spezialisierten Systemhäusern (in der Bundesrepublik Deutschland zur Zeit etwa 60 bis 80 Handelspartner) gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung, da sie den Vorteil der regionalen Präsenz haben.

Anforderungen an Bürokommunikationssysteme

Faßt man die Anforderungen zusammen, die heute an ein zukunftsorientiertes Bürokommunikationssystem gestellt werden, so ergeben sich folgende Faktoren:

- Die Geräte müssen multifunktional sein und einen Mehrfachnutzen für Kommunikation, Be- und Verarbeitung von Text, Daten, Grafik und Sprache gewährleisten. Bei neuen und künftigen Geräten der Informationstechnologie ist dies generell der Fall.

- Die Arbeiten müssen voneinander unabhängig und in beliebiger Reihenfolge zu bewältigen sein.

- Die Bedienung muß einfach, das heißt ohne EDV-Kenntnisse möglich sein. Dazu ist eine einheitliche Benutzeroberfläche erforderlich, die heute noch stark verbesserungsfähig ist.

- Das System muß "offen" sein - Kommunikation mit Fremdsystemen und öffentlichen Diensten muß problemlos möglich sein.

- Vorhandene Büroprodukte und -systeme müssen in das neue Bürokommunikationskonzept integrierbar sein. Keinem Anwender kann zugemutet werden, seinen gesamten Büropark von heute auf morgen zu "verschrotten".