Technologischer Fortschritt bei magnetischen Speichermedien:

Die Zukunft gehört Hochleistungs-Laufwerken

21.10.1988

Von Mark Brownstein, IDG News-Service

MENLO PARK - Industrieexperten sind der Ansicht, daß in den nächsten Jahren Diskettenlaufwerke auf den Markt kommen werden, die bis zu 100 MB auf einer einzigen 3?-Zoll-Diskette speichern können.

Diskettenlaufwerke mit einer Kapazität von bis zu 25 MB sind zur Auslieferung für Anfang nächsten Jahres angekündigt worden, während in Japan bereits ein 12-MB-Laufwerk erhältlich ist. "Sobald solche Laufwerke kommerziell vermarktet werden, wartet auf sie ein großes Marktpotential", sagte Jim Porter, Analytiker von Disk/Trends Inc. in Mountain View, Kalifornien. Das Marktpotential für High-Capacity-Disketten und Laufwerke könnte sich, laut Porter, auf einige Millionen Einheiten belaufen.

Anwender ahnen ihr Glück noch nicht

"Wenn Sie die Anzahl kleiner Winchester-Laufwerke ansehen, müssen Sie auch die Backup-Einrichtungen mitbedenken", sagte Porter, "und die einzig verfügbare

(Hardware-)Option sind Magnetband-Laufwerke, die deshalb nicht als ideal betrachtet werden können, weil die Magnetbänder nicht wie logische Disketten adressiert werden können." Computer-Anwender und Hardware-Hersteller würden High-Capacity-Disketten den Magnetbändern als Zusatz zur Festplatte vorziehen, meinte Porter weiter. Und er fügte hinzu, daß es vermutlich Millionen von Computerkäufern gäbe, die sich noch gar nicht darüber bewußt seien, daß sie ein High-Capacity-Disketten-Laufwerk brauchen können.

Richard Weiss, Manager bei dem Diskettenhersteller 3M, erklärte, es gebe zwei Arten, mehr Informationen auf eine Diskette zu bekommen. Die erste Methode sei das Erhöhen der linearen Aufzeichnungsdichte. Dabei werden mehr Daten auf jeden Zoll entlang des konzentrischen Ringes gelegt.

Die zweite Methode ist das Erhöhen der Anzahl von Aufzeichnungsspuren auf jedem Zoll, wobei diese Spuren gemäß des Diskettenradius gezählt werden. Die Methode des Erhöhens der linearen Dichte wurde von Brier Technology, Inc. untersucht. Ein Firmensprecher von Brier kündigte kürzlich ein 3?-Zoll-Laufwerkssystem an, das auf einer Diskette 25 MB unformatierter oder 21,4 MB formatierter Daten speichern kann. Die linear erhöhte Dichte wird durch eine Technik erzielt die man "Zonen-Aufzeichnung" nennt. Die Theorie dahinter ist ziemlich einfach, aber die benötigte Elektronik relativ kompliziert.

Eine Diskette ist in Spuren und Sektoren unterteilt. Aufzeichnungs-Spuren sind eine Reihe konzentrischer Ringe, die von der Diskettenmitte nach außen verlaufen. Jede Spur ist ihrerseits in Sektoren unterteilt. Eine so unterteilte Diskette sieht ungefähr wie ein in Scheiben geschnittener Kuchen aus. Wenn die Spuren zu den Sektoreninformationen zugefügt werden, besteht die Diskette am Ende aus vielen logisch definierten Kreissegmenten, von denen jedes Daten enthält.

Jeder Sektor trägt wiederum eine identische Datenmenge, jedoch sind Sektoren am äußeren Rand der Diskette physikalisch größer, da der Spurumfang größer ist. Wenn man nun davon ausgeht, daß das Diskettenmedium auf der gesamten Oberfläche mit der gleichen Empfindlichkeit arbeitet, dann sind die äußeren Sektoren nicht voll ausgelastet. Das wiederum bedeutet, daß sie weitaus mehr Daten aufnehmen könnten, als ihnen der Kontroller zuweist. Die "Zonen-Aufzeichnung" nutzt den somit zur Verfügung stehenden zusätzlichen Speicherplatz am äußeren Rand der Diskette dadurch aus, daß Aufzeichnungszonen für die zu speichernden Daten definiert werden.

3?-Zoll-Laufwerk ist exakt zentriert

So ist zum Beispiel eine Diskette in der Mitte in neun Zonen unterteilt, wobei jede Zone einem Sektor entspricht. An den äußeren Rändern der Diskette kann eine Spur jedoch zwanzig oder mehr Zonen aufweisen, wobei jede dieser Zonen genauso viele Daten enthält wie die anderen Zonen auch.

Die Zonenaufzeichnung erfordert komplexere Controller, da die übliche Sektorenverwaltung einfacher zu implementieren war. Vermutlich wird die Zonenaufzeichnung immer teurer bleiben als die einfache Sektorenaufzeichnung. Eine zweite Methode, die von allen wichtigen Herstellern von High-Capacity-Disketten angewandt wird, ist die Verwendung von Servospuren. Das Grundprinzip ist hierbei folgendes: Je genauer der Kopf des Laufwerkes positioniert werden kann, desto größer ist die Anzahl der Positionen auf der Diskette, auf die zuverlässig geschrieben oder gelesen werden kann.

Dieser Bezug wird im Vergleich von 5?-Zoll- und 3?-Zoll-Disketten deutlich. In 5?-Zoll-Laufwerken kann die Diskette leicht aus dem Zentrum herauslaufen, was dazu führt, daß der Laufwerks-Kopf weniger genau positioniert werden kann. Ein 3?-Zoll-Laufwerk verriegelt die Disketten fest in einer Metallvorrichtung, was zu einer genaueren Positionierung des Schreib/Lese-Kopfes führt. Bei der Servo-Methode wird auf der Diskette ein Positionierungs-Signal plaziert.

Aufgrund dieser speziellen Markierung kann der Schreib/Lese-Kopf die Servospur genau verfolgen. Da der Kopf exakter positioniert werden kann, erzielt man engere Spurbreiten und somit eine entsprechend höhere Aufzeichnungsdichte.

Auf Basis von Standard 3?-Zoll-Disketten haben Brier Technology Inc. und Insite Peripherals Servospuren auf dem Speichermedium angelegt, was zu einer Speicherkapazität von 21,4 MB formatierter Daten führte.

Zusätzlich liefert Iomega seit Jahren die Bernoulli Box aus, ein portables High-Capacity-Speichersystem. Die Bernoulli Box arbeitet ebenfalls mit Servospuren. Die Methode, ein Servosignal auf die Diskette zu bringen, bedeutet, daß eine magnetische Servospur aufgezeichnet wird. Das Laufwerk folgt dann dieser Spur und positioniert den Schreib/Lese-Kopf exakt auf der Diskette. Wenn der Kopf einmal aus der Spur herausläuft, positioniert der Controller ihn mittels eines Feedback-Signals erneut.

Insite hat eine neue Methode angekündigt, die zu billigeren und zuverläßigeren High-Capacity-Disk-Drives führen soll. Insite-Geschäftsführer Jim Abkisson erklärte, daß dabei ein optisches Signal auf eine magnetische Diskette gelegt wird, anstatt ein magnetisches Servosignal zu benutzen. Er ergänzte, daß eine optische Servospur, welche die Reflexion der Diskettenoberfläche alterniert, dem optischen System des Laufwerkes das Abtasten ermöglicht. Somit seien auch die Probleme mit magnetischen Servospuren gelöst.

"Die optische Servo-Methode kümmert sich nicht um Fehler (auf der magnetischen Diskette)", sagte Abkisson, "wenn ein Fehler gefunden wird, arbeitet das System einfach darum herum. Mit dem magnetischen Servosystem können Fehler eines magnetischen Servosignals nicht ausgeglichen werden." Abkisson ist der Ansicht, daß die Insite-Methode zu niedrigeren Produktionskosten für Laufwerke und Disketten führen wird.

Kapazität kann vervierfacht werden

High-Capacity-5? Zoll Laufwerke gibt es schon seit einiger Zeit, wobei die Bernoulli Box von Iomega in dieser Klasse Marktführer ist. Konica bietet jetzt ebenfalls ein leistungsfähigeres 5?-Zoll-System an (10,7 MB formatierte Daten). Porter von Disk/Trends meint jedoch, daß "die Zukunft der PCs bei den 3?-Zoll-Speichermedien liegt."

Während aktuelle Technologien das Lesen und Schreiben von 25 MB (unformatiert) oder 21,4 MB (formatiert) auf 3?-Zoll-Disketten ermöglichen, so könnten die bereits erzielten Fortschritte in den Speichermedien in relativ kurzer Zeit dazu führen, daß diese Kapazität noch vervierfacht wird.

Standard-Disketten können 17 000 Stromwechsel pro Zoll unterstützen (Flux changes per inch, fcpi), sagte Weiss von 3M. Allerdings könnten die existierenden Medien auf 75 000 fcpi gebracht werden. Abkisson von Insite stimmt Weiss' Vorstellungen zu. Bislang wurden noch keine Aufzeichnungs-Technologien implementiert, die tatsächlich die maximale Spurdichte ausnutzen. Die 25-MB-Diskette arbeitet mit 16 000 fcpi, sagte Abkisson und wies darauf hin, daß neue Materialien bis zu 60 000 fcpi unterstützen können. "Ich glaube, daß wir innerhalb der nächsten zwei Jahre die Disketten in die 100-MB-Klasse bringen können", meinte Abkisson.

Allerdings gibt es noch bedeutende Hindernisse auf dem Weg zu einer allgemeinen Akzeptanz dieser Speicher. Eines dieser Hindernisse sind die Kosten: Auf Kundenseite gebe es noch Hemmungen, mehr Geld für eine 20-MB-Diskette als für eine 20-MB-Festplatte auszugeben, meinte David Claridge, Disketten-Spezialist bei Hambrecht & Quist in San Francisco. Und diese Hemmungen werden auch für High-Capacity-Laufwerke erwartet.

Experten sehen 100-MB-Disketten voraus

"Ein solches System kann mehr kosten als die zu ersetzende Festplatte", sagte Porter. "Es ist allgemein verbreitet, daß ein neues Disketten-Medium nicht mehr kosten darf als ein Bandlaufwerk (Streamer). Wenn es allerdings genausoviel kostet, dann wird diese zusätzliche Funktionalität für System-Hersteller und Enduser sehr interessant und die Möglichkeit eröffnen, den Markt für High-Capacity-Disketten in den Griff zu bekommen".

Obwohl der Preis ein entscheidender Faktor ist, rechnet Hambrecht & Quist damit, daß in 12 bis 18 Monaten die Systemhersteller etwa 150 Dollar für die Laufwerke ausgeben werden. Abkisson sieht ein weiteres Hindernis bei der Einführung der neuen 3?-Zoll-Laufwerke: die Inkompatibilität zum bisherigen 3?-Zoll-Standard. "Wir müssen eine Kompatibilität zu den Standard 3?-Zoll-Disketten (720 KB) bieten. Die Lösungen liegen bereits in der Schublade."

Ein drittes Problem ist, daß das Format von einem der großen Hersteller akzeptiert werden müßte. "Wenn IBM sagt, so machen wir's dann entsteht ein Standard", sagte Porter.

Laufwerk ersetzt Festplatte nicht

Und schließlich stellt sich noch die Frage, wie das eingesetzte Laufwerk adressiert wird. Die High-Capacity-Diskettenlaufwerke werden, so Claridge, die Festplatten nicht ersetzen. Die neuen Laufwerke sollen vielmehr zusätzlich zu Festplattenlaufwerken eingesetzt werden. "Die Festplatten werden zur Speicherung ständig benutzter Software eingesetzt und die Diskettenlaufwerke zum Backup und Vertrieb neuer Software", sagte Claridge.

Ein zweiter Zielmarkt für die High-Capacity-Disketten werden die portablen Computer sein. Festplatten in solchen Rechnern sind immer etwas zu groß und verbrauchen viel Energie, da die Scheiben der Festplatte ständig in Rotation gehalten werden müssen. Die Verwendung der kleineren High-Capacity-Diskettenlaufwerke, die weniger Strom verbrauchen, könnte hier eine Alternative sein.

Dadurch, daß amerikanische Firmen die 3?-Zoll-25-MB-Laufwerke und eine Anzahl High-Capacity Laufwerke mit 5? Zoll lancieren, während japanische Entwickler an den 3?-Zoll-12,5-MB- und -4-MB-Laufwerken arbeiten, stellt sich eine gewisse Fragmentierung in diesem Markt ein. Auf jeden Fall ist die Technologie jetzt in einem Stadium, in dem High-Capacity-Diskettenlaufwerke hergestellt werden können. Kostensparende Technologien wurden sowohl in den USA wie in Japan entwickelt. Die Industrie wartet nun auf eine Grundsatzentscheidung eines großen Herstellers, dieses spezielle Format für zukünftige Computer zu akzeptieren, die High-Capacity-Laufwerke verwenden sollen.