Die Zukunft der Dienstleistungsrechenzentren

02.09.1977

HANNOVER - Mit schöner Regelmäßigkeit und überwiegend im Hochsommer beschäftigt die Fachwelt die Frage, inwieweit Kleincomputer und Service-Rechenzentren sich gegenseitig den Garaus machen. Was die im Verband organisierten rund 100 Service-Rechenzentren mit ca. 250 Betriebsstätten anbetrifft, so haben diese in den Rezessionsjahren 74 und 75, verglichen zur Gesamtwirtschaft, wesentlich weniger Federn lassen müssen. Einige haben gerade in dieser Zeit beachtliche Umsatzzuwächse verzeichnen können. Daß heute, bei billigem Geld, wachsendem Preisleistungsverhältnis und einer zuversichtlicheren Wirtschaftseinschätzung die Experimentierfreudigkeit zunimmt, was die Anschaffung eines Kleincomputers anbetrifft, so kann das den Service-Rechenzentren nur recht sein.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß gerade jene Unternehmen die dankbarsten Kunden im RZ wurden, die bereits mit eigenen Computern gearbeitet hatten und einen Einblick in die damit verbundenen Kosten gewinnen konnten. In einigen Fällen geschah das auf recht schmerzliche Weise mit dem Gang zum Konkursrichter. Die Verkaufsinserate von Kleincomputern, "wenig gebraucht", "weit unter Neupreis", legen hier ein beredtes Zeugnis ab.

Die Rivalität von EDV-Fullservice einerseits und Heimcomputern andererseits ist keineswegs neu und wird wohl auch in Zukunft das Bild der Anwenderlandschaft bestimmen. Wer würde wohl den Glas- und Gebäudereinigern den Ruin prophezeien, nur weil der Umsatz von Ledertüchern angestiegen ist?

Die praxisfremde, häufig entwaffnende Fortschrittsgläubigkeit in Richtung "verteilte Intelligenz" muß an den ernüchternden und entmutigenden Erkenntnissen der "MIS-Idee" gemessen werden. Die hoch stilisierte "Benutzerfreundlichkeit" läßt die Vermutung entstehen, daß jeder Kleincomputer mit dem normalen Führerschein zu fahren ist.

Richtig ist sicher, daß durch die Miniaturisierung in der Computerfertigung und den Konkurrenzdruck ein starker Preisverfall zu beobachten ist, der sich fortsetzt. Zudem können die Hersteller der Minis künftig - nach eigenen Aussagen - kaum Programm- und Service-Unterstützung geben. Sie trachten danach, Vertriebs- und Fullservice-Firmen als Partner zu gewinnen, die vom Sachverstand, vom Fachpersonal und sicher auch vom Kapital her als OEM-Kunde geeignet sind. Wer kommt für diese Rolle mehr in Frage als die Service-Rechenzentren, die mehr als 800 000 EDV-Anwender bedienen? Die Rechenzentren ihrerseits sind durchaus daran interessiert, ihren Service durch Weitervermietung oder Wiederverkauf von Hardware abzurunden.

Die Erkenntnisse einer US-Studienreise von Verbandsmitgliedern im Frühjahr dieses Jahres bestätigen die Notwendigkeit dieses Zusammengehens.

Für die meisten Service-Rechenzentren war das Rechnungsjahr 1976 und das 1. Halbjahr 1977 umsatzorientiert gut bis sehr gut, für einige war 1976 das erfolgreichste seit Bestehen überhaupt (VDRZ).

Viele Wege sind zur weiteren Expansion der Branche gehbar: Spezialisierung auf einzelne Anwendergruppen ohne Außerachtlassung der bisherigen Auswertungs-Standards, Übernahme der Dialogverarbeitung bei weiter wachsendem Batch-Volumen, Fullservice mit Übernahme weiterer Betreuungsfunktionen wie Betriebsberatung, Lieferung von Computern, Datenerfassungsgeräten und Zubehör, Wartungsübernahme, Versanddiensten.

Der Gesetzgeber beschert uns jährlich eine Fülle von Auflagen und Änderungen von Auflagen, deren Berücksichtigung für den EDV-Anwender im eigenen Hause wertvolle manpower bindet. Sicher trifft dies auch auf die Service-Rechenzentren zu, nur hier wirkt sich eben der Multiplikator-Effekt aus, der "maintainance" zum Bestandteil des Fullservice-Angebotes der Rechenzentren werden läßt.

Längst hat sich bei den Service-Betrieben - dies gilt ebenso für die Softwarebranche - die Spreu vom Weizen getrennt. Die Branche der Rechenzentren ist konsolidiert. Sie hat sich im Verband Deutscher Rechenzentren e.V. (VDRZ) eine ernstzunehmende Interessenvertretung geschaffen, die eine wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit leistet, Betriebsvergleiche durchführt, Einfluß auf die Gesetzgebung nimmt, z. B. bei der Abgabenordnung, dem Steuerberatungsgesetz, dem Dritten DV-Förderungs- und dem Datenschutzgesetz. Der VDRZ erarbeitet Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Branche, gibt Jahrbücher heraus und formuliert in speziellen Arbeitskreisen Expertisen zum Datenschutz (Datenschutz-Kompaß 77) und zur Frage der Versicherungen im EDV-Bereich.

Darüber hinaus betreibt der Verband einen Wirtschaftsdienst für die Kunden der Rechenzentren in einer Auflage von 5000 Exemplaren, unterhält einen eigenen Veranstaltungsdienst, der bundesweit zu Seminaren und Erfahrungsaustauschsitzungen einlädt, informiert seine Mitglieder ständig über neue Programme und hilft beim Programmaustausch. Er fördert die Kooperation unter den Mitgliedsfirmen, hilft bei der Filialgründung und sorgt dafür, daß die Philosophie der Datenverarbeitung außer Haus zum Selbstverständnis wird.

An gleicher Stelle hat der Verfasser vor einigen Jahren angemerkt, daß in gleichem Maße, wie das Prestigedenken der 60er Jahre unter dem Diktat des Rotstiftes dem nüchternen Kalkül einer wirtschaftlicheren Betrachtungsweise weicht, der Trend zum Service-Rechenzentrum geht.

Wenn jüngste Beobachtungen im Hinblick auf den Preisverfall der Hardware dieser Aussage mancherorts zu widersprechen scheinen, so sollte dies kein Anlaß zur Überbewertung sein.

Die Service-Rechenzentren - so zeigt eine VDRZ-Blitzumfrage - erzielten im ersten Halbjahr 1977 einen Umsatzzuwachs von durchschnittlich 10,3%.