Ein zentraler Ansatz senkt die Anforderungen

Die zukünftige Rolle der Workstation

24.01.2003
MÜNCHEN (kk) - Seitdem Intel immer leistungsfähigere Pentium-Prozessoren auf den Markt wirft, scheint das Ende Risc-basierender Workstations eingeläutet. Tatsächlich haben aber die Spezialmaschinen unter Unix und Linux ihre Nische gefunden. SGI versucht mit einem zentralen Host-Ansatz, dem Markt für technisches Computing neues Leben einzuhauchen.

Der Markt für Workstations - egal ob Intel- oder Risc-basierend - leidet ebenso unter der Wirtschaftsflaute wie andere IT-Bereiche auch. Die früher von den Marktforschern der IDC prognostizierten durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von 18 Prozent wurden schon Anfang 2001 auf zehn Prozent zurückgenommen. Für das gerade abgelaufene Jahr erwarten die IDC-Analysten weiter rückläufige Zuwächse und Umsätze. Besonders betroffen werden die Unix-basierenden Workstations sein, während die Zahlen für technische PCs unter Windows etwa die Werte des Vorjahres erreichen dürften.

Die technische Neuerung fehlt

Ein etwas anderes Bild zeichnen die Marktforscher von Gartner Dataquest, die noch immer einen leichten Aufwärtstrend im Gesamtmarkt ausmachen. So erbrachte beispielsweise das dritte Quartal 2002 im Vergleich zum vorhergehenden zweiten Dreimonatsabschnitt leicht erhöhte Absatzzahlen. Damit haben laut Gartner die Hersteller zum zweiten Mal in Folge ein Quartal besser abgeschlossen als die Vorperiode, eine leichte Erholung sei spürbar. Gartner-Analystin Pia Rieppo: "Die Auslieferungen im dritten Quartal 2002 erreichen zwar nicht annähernd die Verkaufszahlen des Rekordjahres 2000, aber jedes Zeichen des Aufschwungs ist derzeit willkommen." Die Analystin macht aber nicht nur die zögerliche Nachfrage für den fehlenden Aufschwung verantwortlich. Vielmehr trage die Industrie selbst zur Malaise bei: "Es gibt im Workstation-Markt derzeit keine zwingende technische Neuerung."

Die Folge davon sei schon in der Vergangenheit gewesen, dass Anwender immer stärker kostengünstige Wintel-Geräte nachfragten und die Risc-basierenden Unix-Geräte ignorierten. Jetzt zeige sich, dass auch die Intel-Workstations unter Druck gerieten und durch billige PC-Lösungen ersetzt würden. Tatsächlich sind Einsteiger-Workstations schon für weniger als 1000 Euro zu haben. Acer bietet mit dem "Acerpower SD" ein Tower-Modell für 819 Euro an. Beim Marktführer für Wintel-Workstations Dell kostet das kleinste Modell "Precision 340" derzeit 969 Euro.

In der Sparte Risc-Workstations hat Sun Microsystems mit der Sparc-Solaris-Maschine "Sun Blade 150" das billigste Angebot im Portfolio: Das Einstiegsmodell kann für 1800 Euro bezogen werden. Doch dieses Lowend-Modell ist nicht der Maßstab. Durchschnittlich ausgestattete Unix-Risc-Geräte schlagen mit rund 10000 Euro zu Buche. Sitzen zwei hochgetaktete Prozessoren und 1 GB Hauptspeicher im Rechner, kann sich der Preis verdoppeln.

Trotz der höheren Kosten kommen manche Anwender noch immer nicht an Unix-Workstations vorbei. Der Trend in der Fertigungsindustrie geht dahin, immer größere Baugruppen zu erstellen. So fertigt beispielsweise Audi in Ingolstadt die Seitenteile der Karosserie aus nur einem Blech, früher waren dafür mindestens drei Arbeitsschritte notwendig. Bei der Konstruktion dieser Teile fallen so große Datensätze an, dass die Hauptspeicher bis zur maximalen Ausbaustufe aufgerüstet werden, um die Daten nicht von der Festplatte ziehen zu müssen. Bei diesen Aufgaben spielen Risc-Maschinen ihre Stärke aus: Während sich PC-Workstations meistens auf eine maximale Hauptspeichergröße von 2 GB beschränken, lassen sich die Risc-basierenden Arbeitsstationen im Mittel mit 4 GB, Highend-Systeme mit bis zu 16 GB RAM bestücken.

Breite Datenpfade gefragt

Mit der kommerziellen Verfügbarkeit von Intels 64-Bit-Chips "Itanium" hat sich die Leistungsfähigkeit der PC-Workstations allerdings verbessert. Hewlett-Packard nutzte als einer der ersten Hersteller die neue Intel-Architektur nicht nur für Business-Server, sondern auch für technische Rechner. Die "i2000"-Workstations arbeiteten mit der ersten 64-Bit-Chip-Generation "Merced", die mit 733 und 800 Megahertz getaktet war. Mittlerweile bietet HP mit "ZX2000" und "ZX6000" (auch als Dual-Prozessor-System) zwei Maschinen mit Itanium-2-Prozessoren ("McKinley") an, deren Hauptspeicher sich auf 4 GB (ZX2000) beziehungsweise 12 GB (ZX6000) ausbauen lassen. Die McKinley-Chips sind mit 900 Megahertz und 1 Gigahertz getaktet.

Damit die in der Konstruktion anfallenden gewaltigen Datenberge schnell abgearbeitet und transportiert werden können, etwa zum Simulationsrechner oder zum Virtual-Reality-Center (VR), sind schnelle Bussysteme und ein 64-Bit-Betriebssystem hilfreich. Herkömmliche PC-Workstations arbeiten meist mit einem auf 400 oder 533 Megahertz getakteten Systembus. Highend-Workstations nutzen dagegen I/O-Techniken aus dem Server-Bereich. Sun beispielsweise stattet die Solaris-Workstation "Sun Blade 2000" mit einem "Crossbar"-Switch aus, der eine Bandbreite von 4 GB/s bereitstellt, so dass Prozessoren und Grafiksubsysteme schnell arbeiten können und mit genug Daten versorgt werden. Der Systembus von HPs Itanium-Arbeitsstation ZX2000 erlaubt den Datentransfer von 4,3 GB/s. Die Zwei-Prozessor-Variante wird mit einem Systembus geliefert, der 6,4 GB/s schafft.

64-Bit-Software erwünscht

Im Highend-Bereich muss außer breitem Bussystem und 64-Bit-Chip auch das Betriebssystem entsprechende Bandbreiten zur Verfügung stellen. Microsofts 32-Bit-Betriebssysteme stoßen dann oft an ihre Grenzen. Deshalb bietet die Softwareschmiede vor allem für technisches Computing schon seit längerem die "64-Bit Edition" von Windows XP an. HP lässt bei den Itanium-Workstations die Wahl zwischen den Betriebssystemen HP-UX, Windows XP 64-Bit Edition sowie Red Hats 64-Bit Linux. Die Anwender sind allerdings darauf angewiesen, dass die zu verarbeitenden Softwareprogramme die Vorteile der 64-Bit-Architektur nutzen können. Nach Meinung von Fachleuten ist der Programmieraufwand für die Portierung von Software für Windows-32-Bit auf Windows-64 relativ einfach zu erledigen. Soll das Programm allerdings von Unix auf Windows XP 64-Bit gebracht werden, muss es praktisch neu geschrieben werden.

Ein weiterer Vorteil von Unix-Workstations ist die Tatsache, dass für die Weiterverarbeitung der CAD-Daten meist große Unix-Server eingesetzt werden und sich dank einer einheitlichen Umgebung der Aufwand für die Administration verringern lässt. Das zeigen beispielsweise die Erfahrungen der Systemverantwortlichen von Rohde & Schwarz in München. Der Hersteller von Geräten für Messtechnik, Funkkommunikation, Radio- und Fernsehtechnik sowie für Überwachung und Informationssicherheit beschäftigt rund 200 Ingenieuere für die Hardwarentwicklung und etwa 60 Konstrukteure, die Board-Layouts entwerfen. Zudem verfügt der Hersteller weltweit über Niederlassungen und Fertigungsstätten. Alle für die globale Entwicklung und Fertigung benötigten Daten werden über die Münchner Zentrale repliziert und die Geräte von dort administriert. Rohde & Schwarz hat sich für eine einheitliche Ausstattung mit Sun-Rechnern unter Solaris entschieden und benötigt für die Verwaltung nur zwei Systemadministratoren.

Hinzu kommt, dass die einzelnen Abteilungen eines Fertigungsbetriebs meistens eigene spezifische Hard- und Softwarelösungen einsetzen: In der Konstruktion werden die CAD-Daten mit Workstations bearbeitet, die Berechnungsabteilungen nutzen oft Supercomputer für CAE-Anwendungen, und die VR-Studios verwenden hochleistungsfähige Grafikrechner. Jeder dieser Bereiche besitzt in der Regel auch eigene Konzepte zur Datenhaltung und -archivierung. Die Folge: Informationen werden öfter zwischen den einzelnen Speichersystemen kopiert, liegen also mehrfach vor. Zudem besteht die Gefahr, dass im Netzverbund mit unterschiedlichen und inkonsistenten Versionen eines Datensatzes weitergearbeitet wird.

Zentralrechner-Ansatz

An diesem Punkt setzt SGI mit der Vision vom "Visual Area Network" (VAN) an. Dahinter verbirgt sich die Idee, Daten ressortübergreifend auf einem zentralen Rechner zu organisieren. Entfernt agierende oder mobile Anwender erhalten Zugriff auf dessen Rechenleistung und können mit Kollegen weltweit zusammenarbeiten - und das notfalls vom simplen Notebook aus. Seit dem letzten Jahr ist dazu die Software "Open GL Vizserver 3.0" am Markt. Ähnlich wie beim Citrix-Metaframe-Konzept läuft die Berechnung der Modelle auf dem Server - die Daten müssen also nicht transferiert werden - , und die Workstation wird zum grafischen Thin Client, die über keine großartige Rechenpower mehr verfügen muss.

Als zentraler Server für das technische Computing dienen die modular aufgebauten Rechnersysteme "Origin". Die neuen Modelle verfügen über bis zu 512 Prozessoren, 1 TB Memory und bis zu 16 Grafik-Pipes. Mit den entsprechenden Modulen bestückt, kombiniert das Gerät die Fähigkeiten von Supercomputer, Highend-Visualisierungssystem, CAD-Workstation und Speicherlösung in einem Single-System-Image-Gerät. SGI will die Anzahl der Grafik-Pipes Zug um Zug auf 64 erweitern. Mit Hilfe von "Compositoren" lassen sich mehrere Pipes zusammenzuschließen.

Damit ist es möglich, auf einem System die Berechnung (CAE) und Darstellung (CAD) von Konstruktionsanwendungen ablaufen zu lassen, es aber auch als VR-Studio einzusetzen. VR-Systeme dienen dazu, Neukonstruktionen möglichst naturgetreu im Maßstab eins zu eins darzustellen und teure Holzmodelle zu ersetzen. Bei der Präsentation von zukünftigen Fahrzeugmodellen lassen sich Änderungen gleich ausprobieren. Geplante Bohrinseln können virtuell begangen, Schiffsbäuche untersucht werden. Ablaufen könnte beispielsweise das von IBM und Dassault entwickelte Softwarepaket "Catia Version 5 Release 10", das "Multipipe-fähig" ist und über VR-Qualitäten verfügt.

VAN auch für kleinere Unternehmen

SGI-Manager Harry Dumke glaubt, ein skalierbares Universalsystem könne sich auch für kleinere und mittelgroße Ingenieursbüros rechnen, wenn neben der Konstruktion als Dienstleistung auch die Berechnung angeboten werde. Voraussetzung ist allerdings, dass der Preis für das System nicht höher liegt als die Summe der sonst benötigten Einzelkomponenten. SGI überlegt deshalb, für das Grafiksystem auch kostengünstigere Versionen auf Basis von Intel-Prozessoren unter Linux anzubieten, statt nur auf die hauseigenen Risc-Systeme mit Mips-Prozessoren und das Unix-Derivat Irix zu setzen. Die Architektur des Rechnermoduls basiert aber in jedem Fall auf Mips und Irix.

Abb.1: Workstation-Markt aufgeteilt nach PC- und Risc-Architektur

Die Marktforscher der IDC sehen im dritten Quartal 2002 rückläufige Verkaufszahlen für Workstations. Das Segment für Unix-Rechner brach gegenüber dem zweiten Quartal um 25 Prozent ein. Quelle: IDC

Abb.2: Workstation-Gesamtmarkt

Dataquest ist optimistischer als IDC und verzeichnet im dritten Quartal einen Aufwärtstrend. Quelle: Dataquest