"Die zentrale DV hat sich in den Aemtern ueberholt"

03.11.1995

Die oeffentlichen Verwaltungen erwarten von den Anbietern wirtschaftliche Loesungen und guten Service. Nicht jede Stadt oder Gemeinde favorisiert noch den kommunalen DV-Dienstleister. Mit eigenen Anwendungen will man sich von den starren Arbeitsablaeufen zentraler Rechenzentren abnabeln.

Eigener Herd ist Goldes wert, wenn man den Kommunen zukunftsweisende Loesungen anbieten will. Die Zeit dafuer ist laengst gekommen. Jaehrlich verschaeft sich der finanzielle Druck auf die oeffentlichen Verwaltungen. Steigende Personalkosten und neue Aufgaben zwingen die IT-Bereiche zur Reorganisation. Vor allem in den neuen Laendern machen hohe Aufwendungen und der Umbau der Infrastruktur moderne Anwendungen notwendig.

Geschenkte Computersysteme ohne Wartung und Pflege sowie alte, zentralisierte Verfahren lassen eine Zeitbombe ticken. Kostensteigerung ist vorprogrammiert, da Unwirtschaftlichkeit eine moderne Verwaltung unmoeglich macht.

Die Entwicklung begann vor fuenf Jahren: War man nach der Wende erst einmal froh, mit Althergebrachtem beginnen zu koennen, so zeigten sich sehr bald die Schwaechen uebernommener alter Strukturen. Die oeffentlichen Verwaltungen wuchsen damit zwangslaeufig in zentrale Grossrechnerverfahren mit ihrem aufgesetzten Dialog hinein. Konzepte, die heute von den meisten Anwendern als "unbeweglich und kostenintensiv" abgelehnt werden.

In der Startphase war die zentral organisierte DV fuer die Staedte und Gemeinden jedoch ein Vorteil. Durch die hohe Anzahl der Sachbearbeiter konnte die Ausbildung intensiver erfolgen, als das bei autonomen Anwendungen moeglich war. Die Software-Entwickler eigener Verfahren aus den alten Bundeslaendern waren meist nicht in der Lage, bei der Einfuehrung der Loesungen eine optimale Betreuung zu garantieren.

Fuer die Verwaltung der Kommunen sind heute andere Forderungen entscheidend. Diskutiert wird ueber Steuerungsmodelle, Kosten- und Leistungsrechnung, Budgetierung, Controlling oder Finanzbuchhaltung nach dem Dobbik-Prinzip (doppelte Buchfuehrung). Dabei geht die Entwicklung in Richtung dezentrale Verwaltung ueber PCs, Workstations und Netze.

Wie in der Industrie, so ist es auch in der Software-Entwicklung wirtschaftlicher, auf einer gruenen Wiese zu beginnen. Das Aufpeppen vorhandener, meist alter Loesungen erhoeht hoechstens die Stueckkosten. Auch der Kauf von Softwarepaketen ueber Handelsketten hat bisher den Anwendern wenig Vorteile gebracht.

Viele ostdeutsche Systemhaeuser haben sich deshalb spezialisiert und entwickeln Branchenloesungen. Nur wer den Quellcode besitzt, sagen sie, kann die Programme den jeweiligen Wuenschen des Kunden oder den gesetzlichen Forderungen der Laender anpassen. Ohne Ballast aus alter Zeit werden moderne IT-Konzepte erarbeitet. Wesentliche Kriterien: Bedieneroberflaeche, -fuehrung, Datenbanken, 4-GL-Systeme sowie Client-Server-Architekturen.

Dass moderne dezentrale Loesungen fuer die oeffentlichen Verwaltungen wirtschaftlicher sind als Host-basierte Anwendungen, ist heute nicht mehr zu uebersehen. Ein Beispiel: Ein Staedtchen mit 10000 Einwohnern zahlt fuer eine zentralisierte DV-Dienstleistung monatlich etwa 6200 Mark. Mit dem Einsatz eines Client-Server- Konzepts kostet das Ganze nur noch 3150 Mark. Hinzu kommt ein Gewinn von etwa 30 Prozent fuer ersparte Personalaufwendungen.

Mit der Nutzung von Standards kann in das neue IT-Konzept auch bereits vorhandene Hard- und Software integriert werden.

Die heute zur Verfuegung stehende moderne IuK hat die Diskussionen, ob zentrale oder dezentrale Verarbeitung den Erfolg bringt, laengst ueberholt. Damit gehoert auch die Bindung an nur einen Hardware-Anbieter der Vergangenheit an, und das gibt dem Nutzer die freie Wahl von Konfiguration und Vernetzung.

Ralf Gruenewald Der Autor ist geschaeftsfuehrender Gesellschafter der GEK Consulting Unternehmensberatung, Chemnitz.