Kolumne

"Die Zeit der fetten Margen geht zu Ende"

28.06.2002
Martin Ottomeier Redakteur CW

13 Prozent Gewinnrückgang beim Jahresergebnis, 23 Prozent beim Quartalsergebnis - einem Oracle-Aktionär mögen diese Zahlen die Tränen in die Augen treiben. Doch Grund zur Panik gibt es deshalb nicht: Oracle hat im Geschäftsjahr 2002 immer noch einen Nettogewinn von 2,2 Milliarden Dollar eingefahren - satte 23 Prozent vom Gesamtumsatz. Darüber hinaus stehen Oracle fünf Milliarden Dollar in Form von Bargeld und kurzfristigen Anlagen zur Verfügung. Das ist rund die Hälfte des Jahresumsatzes. Firmenchef Larry Ellison braucht also noch lange keine Endzeitstimmung aufkommen lassen.

Oracle steht nicht allein da. Bei SAP beläuft sich die Nettomarge auf zehn Prozent, bei Microsoft gar auf 29 Prozent - jeweils gemessen am zuletzt berichteten Jahresergebnis. Microsoft verfügt über Barreserven in Höhe von 30 Milliarden Dollar. Hardwarehersteller müssen sich dagegen mit deutlich weniger Gewinn zufrieden geben: HP stand zuletzt bei einer Gewinnmarge von einem Prozent, IBM erwirtschaftete neun Prozent, und Dell muss sich mit 2,4 Prozent bescheiden. Trotzdem: Unternehmen anderer Branchen träumen in diesen Zeiten von solchen Ergebnissen.

Um es klar zu sagen: Die hohen Gewinnmargen kommen durch überhöhte Preise zustande. Dass Microsoft sein Monopol ausnutzt und die Preise nach Gutdünken festsetzt, war noch nie ein Geheimnis. Doch auch Oracle und SAP nutzen ihre Vormachtstellung aus, um Kunden abzukassieren. Das darf nicht so weitergehen - und wird es auch nicht. Langfristig werden Oracle und Co. keine Chance haben, weiter Mondpreise zu verlangen. Oracle ist schon lange nicht mehr die unumstrittene Nummer eins im Datenbankmarkt: IBM und Microsoft haben viel Boden gutgemacht. Auch Microsoft bekommt Konkurrenz, vor allem aus dem Open-Source-Lager. Es fehlt nur noch das auslösende Moment, um die Lawine ins Rollen zu bringen. Wenn erst einmal ein großes Unternehmen die Grundsatzentscheidung trifft, etwa auf Microsoft Office zu verzichten und stattdessen Staroffice einzusetzen, werden ihm bald weitere folgen.

Bei den Anwendern gärt es. Sie sind sensibler geworden, wenn es um den Preis der Software geht. Die Hersteller müssen sich die Frage gefallen lassen, warum von jedem Euro, den sie zahlen, gleich ein Viertel direkt in die Taschen eines Larry Ellison oder Bill Gates fließt. Wer die Benutzer abzockt, wird irgendwann gestraft - mit Kaufentzug.

Für den IT-Markt und die Börse bedeutet das: Das Ende der Talfahrt ist noch nicht erreicht. Auch eine Softwareindustrie wird erwachsen. Auch hier werden Gewinnmargen von wenigen Prozent zum Alltag. Die Anwender wollen nicht mehr die exzentrischen Spielereien wie Yachtrennen, Privatjets und Hightech-Villen finanzieren, während sie selbst nicht wissen, wo das Geld für das nächste Upgrade herkommen soll.