"Die Wohltaten der Deregulierung"

12.12.1997

Jetzt ist es also soweit. Ab Januar hat Deutschland den liberalsten Telekommunikationsmarkt der Welt. Was aus zwei Gründen eine Supersache ist. Endlich sind wir zumindest in einem Bereich wieder weltweit spitze, und außerdem soll diese neue Freiheit das Telefonieren und andere TK-Dienste billiger machen.

Damit sind die Wohltaten der Deregulierung allerdings noch nicht erschöpft. Weil - so die Rechnung der Politik - die alternativen Anbieter nicht nur die Preise senken, sondern auch vielfältige Services anbieten müssen, um erfolgreich mit der Telekom zu konkurrieren, werden sie viele Leute einstellen. Außerdem dürften aufgrund der preiswerten Gebühren neue Dienstleister mit ganz frischen Geschäftsideen entstehen - vom Call-Center über das Call- Center bis zum Call-Center -, die auch wieder etliche Arbeitslose von der Straße holen. Und weil Menschen mit Arbeit es sich viel öfter leisten können zu telefonieren, stellen die alternativen Anbieter ihren Erfolg buchstäblich aus eigener Kraft sicher. Damit es nicht heißt, daß wir Deutschen an allem etwas auszusetzen hätten, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Deregulierung des TK-Marktes wahrscheinlich von Kanzler Kohl eingeleitet wurde, um bis zum Jahr 2000 die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren. In diesem Lichte besehen versteht jetzt sicher auch jeder, warum das Postministerium nur in "Der Regulierer" umbenannt, aber nicht nennenswert verkleinert wird.

Natürlich geht diese Supergleichung nur auf, wenn so viele Unternehmen so schnell wie möglich beginnen, einen neuen Carrier zu suchen. An ausreichendem Willen gebricht es ihnen dabei nicht. Allerdings müssen die TK-Anbieter noch einiges tun, um dieses neue Wirtschaftswunder Wirklichkeit werden zu lassen. Noch sind die Telekom-Konkurrenten aufgrund fehlender Infrastruktur kaum in der Lage, Großanwendern einen Full-Service anzubieten. Außerdem drohen sie, Kohls Pläne mit der Geheimniskrämerei um ihre Preise zu durchkreuzen. Wahrscheinlich tun sie das nicht absichtlich, sondern nur weil sie Deregulierung mit der Freiheit gleichsetzen, ihre Dienste anzubieten. Daß zu einem deregulierten Markt neben der Leistungs- auch die Preistransparenz für die Anwender gehört, haben sie wohl in der Hektik der letzten Jahre einfach vergessen.