TK-Anlage bleibt Teil der Unternehmenskommunikation

Die Wirtschaft reagiert zwiespältig auf steigende Gebühren

15.02.1991

Es war viel vom privaten Verbraucher die Rede, als die Erhöhung der Telefongebühren jüngst unter dem Schlagwort Telefonsteuer Furore machte. Im Zentrum wirtschaftspolitischer Überlegungen hingegen stand fast ausschließlich die miserable TK-Infrastruktur der neuen Bundesländer; die Deutsche Bundespost Telekom weiß ein Lied davon zu singen. Wo man aber (berechtigt) nach TK-Technik ruft, wird auch über die Kosten nachgedacht, unterstellt die CW und wollte wissen, was denn die gewerblichen Kunden der Telekom von weiteren Gebührenerhöhungen halten. In den Unternehmen selbst, soviel scheint festzustellen, kann oder will man die Ausgaben für die Telekommunikation nicht definieren, vor konkreten Maßnahmen scheut man weitgehend zurück. Geht es um Auskünfte zu diesem Thema, wird unter der Hand gejammert und ansonsten ein strikter Sparkurs eingeschlagen.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie stellt sich das Problem höherer Telefongebühren klar und einfach dar. In der steuerpolitischen Debatte hat die Arbeitgeber-Organisation frühzeitig Position bezogen und vor einer zusätzlichen Belastung der Telekom angesichts der immensen Aufgaben in Ostdeutschland gewarnt. Im übrigen verweist man auf das im europäischen Durchschnitt höchste Gebührenniveau.

Dies ist letztlich auch, so ein Sprecher des BDI, eine Frage der "Attraktivität des Industriestandortes Bundesrepublik". In dieser Einschätzung weiß sich, so der Sprecher weiter, seine Organisation mit ihren Mitgliedern einig; darüber, wie die Unternehmen im Einzelfall auf die ständig steigenden Kommunikationskosten reagieren, fehle jedoch der Überblick.

Ein Überblick, den es nach Ansicht Emil Hübners vom Verband der Postbenutzer gar nicht geben kann. Laut Hübner existiert in den Unternehmen kein Verantwortlicher für den Gesamtbereich Kommunikation. Grund: Die einzelnen Abteilungen rechnen ihre Ausgaben auf den unterschiedlichsten Konten ab. Die Telefonkosten würden beispielsweise zusammen mit Telexgebühren und ähnlichem abgerechnet, Grundgebühren und Wartung auf einem weiteren Konto geführt, die Kosten für Kauf oder Leasing einer TK-Anlage werden abgeschrieben und wiederum an anderer Stelle registriert. Dies alles sei, so Hübner weiter, letztlich unter dem Begriff Kommunikationskosten zu berücksichtigen, und dann komme man sehr schnell zu dem Ergebnis, daß "nahezu niemand, ich behaupte niemand, die Gesamtkosten der Unternehmenskommunikation kennt".

Bestätigt wurde diese Einschätzung zumindest in der Frankfurter Zentrale einer deutschen Großbank. Dort will man, erstens, im Zusammenhang mit dem Gebührenthema nicht genannt werden und verfügt, zweitens, über keine konzernweiten Zahlen, da aufgrund der dezentralen Organisation des Hauses die jeweiligen Niederlassungen bei der Gebührenabrechnung verantwortlich zeichnen. Die Münchner Dependance des Bankenkonzerns konnte immerhin mitteilen, daß sich ihre jährlichen Kommunikationskosten in puncto Gebühren im sechsstelligen Bereich bewegen. Zudem sei eine weitere Erhöhung der Telefongebühren bereits im Budget einkalkuliert. Wird das Budget überschritten, muß der jeweilige Abteilungsleiter einschreiten. Einen Maßnahmenkatalog oder Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter gebe es allerdings nicht.

Auskunftsfreudiger zeigte sich die in München ansässige Bayerische Handelsbank AG. Aufgrund ihrer regionalen Ausrichtung hat die Bank eine straffere Unternehmensstruktur und verfügt auch über ein zentrales Kommunikationsbudget. Mit den Worten: "Wir bemühen uns, die Kommunikationskosten in Grenzen zu halten, aber es ist nicht der Spardaumen drauf", umriß Werner Schrammek, stellvertretender Direktor des Bankhauses, die Haushaltspolitik der Bank. Auch er wußte von einem sechsstelligen Betrag bei den jährlichen variablen Kommunikationskosten zu berichten, mit steigender Tendenz, wie er hinzufügte.

Sein Haus hat im übrigen gerade die Installation einer neuen TK-Anlage abgeschlossen, mit entsprechenden Kontrollmöglichkeiten der Sprechzeiten. Zunächst vertraue man jedoch, so Schrammek weiter, auf das Kostenbewußtsein der Mitarbeiter, wird sich aber mit einer weiteren Gebührenerhöhung auseinandersetzen müssen, "nicht zuletzt, weil wir unser Geld nicht mehr so leicht verdienen". Konkrete Maßnahmen seien aber noch nicht geplant. Im übrigen stellt der Banker etwas resigniert fest: "Gegen unabdingbare Kosten sträuben wir uns nicht, denn ein Unternehmen kann ohne Kommunikation in einem immer enger werdenden Markt nicht existieren".

Konkretere Vorstellungen hat man bei der Hoechst AG. "Natürlich kennen wir unsere monatliche Gebührenüberweisung an die Bundespost" erklärte Rudolf Kunert, Kommunikations-Betriebsleiter der Niederlassung in Frankfurt. Er bezifferte die gesamten Kommunikationskosten allein für das Frankfurter Werk des Chemieriesen auf 15 Millionen Mark pro Jahr. Um diese im Telefonbereich zu senken, ist laut Kunert jedoch zunächst Voraussetzung, "daß wir erst einmal wissen müssen, welche Gebührenveränderungen auf uns zukommen".

Prinzipiell gelte bei der Hoechst AG, daß die Frage nach der Höhe der Kosten in den Händen der Verursacher liegt. Die Abteilungen werden gegebenenfalls selbst Sparmaßnahmen ergreifen müssen, jeweils in Übereinstimmung und mit Überwachung durch ihre Controller. Überdies wurden mit der Telekom im Bereich der Datennetze bereits Verhandlungen über Paketlösungen angestrebt. Die Frage, welchen Rabatt die Bundespost bei der Vergabe eines Auftrages für ein Gesamtnetz unter Einbeziehung der Sprachkommunikation geben würde, wurde gestellt, bisher aber noch nicht beantwortet.

Daß die Telekom in der Sprachkommunikation noch keine Sonderregelungen für "Großabnehmer" anbietet, bedauert man auch in der Zentrale eines in Hamburg ansässigen Mineralölkonzerns. Dort legt man zwar keinerlei Wert auf Publizität im Rahmen der Gebührendiskussion, hat aber um so mehr "das Ohr am Puls der Zeit". Derzeit werden hausintern nur die üblichen Sparmaßnahmen wie das zeitversetzte Versenden von Fernkopien und Fernschreiben in den gebührengünstigeren Zeiten praktiziert, ansonsten vertrauen die Öl-Manager auf informelle Kontakte zur Telekom. Der Konzern nutzt, so dessen technischer Leiter, die schon vorhandene Flexibilität der Bundespost im Bereich Datenkommunikation in Form von Standleitungen mit integrierten Zahlungssystemen, bei den Telefongebühren sei aber eine vergleichbare Flexibilität noch nicht erkennbar.

Die Telekom dementierte auf Anfrage der COMPUTERWOCHE jegliche Sonderabsprache mit Firmenkunden im Telefonbereich, auch seien entsprechende Überlegungen nicht im Gange. Größte Schwierigkeiten mit einer Flexibilität bei der Gebührenabrechnung hätte auch Postbenutzer Emil Hübner. Für ihn wären Sondervereinbarungen mit der Telekom schlichtweg gesetzlich unzulässig. Die Gebührenordnung sei, so Hübner, "eine Rechtsverordnung mit Gesetzeskraft, gültig für jedermann". Überdies wäre so etwas technisch bei den jeweiligen Fernmeldeämtern gar nicht umzusetzen, es sei denn, die Zähler würden bewußt falsch abgelesen.

Nicht auf etwaige Sondervereinbarungen, sondern auf andere Techniken setzt man bei der Robert Bosch GmbH. Laut Hans-Helmar Kreis, zuständig für Planung und Koordination der Datennetze in der Bosch-Gruppe, registriert der Elektronik-Konzern sehr wohl die hohen Kommunikationskosten im Sprachbereich und will nun zunehmend versuchen, diese nach Möglichkeit in die vorhandenen Datennetze zu integrieren. Dies geschieht einerseits durch die weitgehende konzernweite Substitution der Sprachkommunikation durch Electronic Mail mit derzeit schön rund 15 000 Teilnehmern. Ferner sind Bestrebungen im Gange, die Kommunikation weg vom öffentlichen Fernsprechnetz in vorhandene Standleitungen zu legen, um so vor allem zwischen den Hauptstandorten in Deutschland kosteneffizienter zu kommunizieren.

Wirtschaftlichkeit tut not, denn nach Angaben von Kreis bewegen sich die Gebühren, die das Unternehmen pro Jahr zu entrichten habe, in einer zweistelligen Millionenhöhe. Aufschlüsse über die Effizienz dieser Vorgehensweise konnten bereits aus dem internationalen Datenaustausch des Unternehmens gezogen werden. So erzielte der Konzern nach Angaben des Bosch-Managers bei transkontinentalen Mietleitungen mittels Integration von zwei bis sechs Sprachleitungen pro Link eine recht deutliche Kostenreduktion in der Sprachkommunikation.

Ähnliche Kommunikationspfade beschreitet auch die Deutschen Lufthansa, wo trotz steigender Gebühren nicht über Sparmaßnahmen in Form von Mitarbeiterkontrollen nachgedacht wird. Der deutsche Carrier baut in der internen Kommunikation voll auf die PC-Vernetzung und den weiteren Ausbau von Electronic Mail. Hinzu käme, so eine Sprecherin der Lufthansa ergänzend, das Reservierungssystem "Amadeus", das große Teile der Kundenkommunikation abdeckt. Auch die BMW AG knüpft große Hoffnungen an Netzkonzepte, die die Sprach- und Datenkommunikation zwischen den verschiedenen Standorten des Automobilherstellers wirtschaftlicher gewährleisten können. Über weitergehende Maßnahmen hält sich das Haus BMW jedoch bedeckt.

Ausgedient hat das Telefon als Instrument der Unternehmenskommunikation auf unabsehbare Zeit nicht, darin waren sich alle Befragten weitgehend einig, auch wenn an der Gebührenschraube weiter gedreht werden sollte. Dies gilt um so mehr für Wirtschaftsbereiche, die das Telefon als Marketing-Instrument erfolgreich etablieren konnten, wie etwa die Versandhäuser. Der Marktführer in diesem Bereich, der Otto Versand in Hamburg, sieht sich von der angekündigten Gebührenerhöhung noch nicht betroffen, da seine Kunden bei telefonischen Bestellungen oder Rückfragen in der Regel innerhalb des Zeittaktes blieben. Dennoch gab ein Sprecher des Versandhauses zu Protokoll, "ist dies eine Tendenz, die uns langfristig nicht sehr glücklich erscheint, weil wir vom Telefon abhängig sind".

Genauso sieht es das Konkurrenzunternehmen Quelle in Fürth. Dort kann man auch mit der jetzt geplanten Verkürzung des Zeittaktes auf fünf Minuten noch leben, fürchtet aber bei eventuell noch weitergehenden Gebührenerhöhungen eine emotionale Barriere bei den Kunden. Dann, so Hans-Peter Hurst, Bereichsleiter Tele-Service bei Quelle, "könnten wir Probleme bekommen, wenn unsere Kunden dadurch das Telefon unattraktiv finden würden und zu dem Ergebnis kämen, dann schreib ich lieber".

Ambivalent beurteilt auch die Reisebranche das Gebührenthema. Das Amtliche Bayerische Reisebüro arbeitet mit Datenfernleitungen, wenn es um die Anbindung an die Großrechner der einzelnen Verkehrsträger geht. Im Kontakt mit den Kunden rangiert das Telefon jedoch mit Abstand an erster Stelle. "Das Telefon wird das Kommunikationsinstrument des kleinen Mannes in diesem Jahrtausend bleiben", resümiert Christa Nikastro, Bereichsleiterin Zentrale Dienste beim Münchner Reiseveranstalter, ihre Einschätzung in bezug auf die eigene Branche. Demzufolge gibt es beim abr auch keinerlei Bestrebungen, vom Telefon in entscheidender Weise Abstand zu nehmen.

Gemischte Gefühle herrschen bei Online-Diensten und Datenbankanbietern vor. Für die professionellen TK-Anwender ist das Gebührenthema äußerst sensibel, weil zweischneidig. Reinhold Gokl, Bereichsleiter Genios Wirtschaftsdatenbanken in der Verlagsgruppe Handelsblatt, sieht vor allem Probleme für die überregionale Anbindung weiterer Kunden an seinen Wirtschaftsdienst. In den Ballungszentren sei der Kunde unabhängig von der Datex-P-Gebührenstruktur und könne zum Ortstarif den jeweils nächsten Knoten anwählen. Höhere Gebühren könnten aber, so Gokl weiter, die Datenfernübertragung in entferntere Gebiete nachhaltig bremsen.

Seiner Ansicht nach sind die Online-Dienste von vornherein durch bürokratische Hindernisse benachteiligt, die die Telekom für die Datex-P-Kunden bisher auch noch nicht abbauen konnte. Wenn die Bundespost nun auch auf der Kostenseite weitere Barrieren errichten würde, sei abzusehen, daß sich der Datex-P-Markt nicht wie geplant weiterentwickle. Gokl daher abschließend: "Ich erwarte nicht nur Umsatzeinbußen, sondern eher noch weitere Verzögerungen im Zugang zu Datenfernübertragungs-Systemen."

Als Gegensatz zu den Privatisierungsbestrebungen bei den Postdiensten werten die Netzanbieter der GE Information Services eine weitere Gebührenerhöhung. Allerdings, so gibt Public-Relations-Manager Peter Emde offen zu, könnte, wenn die Anwählkosten auf Dauer die Kosten für einen Datex-P-Hauptanschluß übersteigen würden, ein Anstieg der Gebühren viele Anwender dazu bringen, sich selbst einen Datex-P-Hauptanschluß legen zu lassen. Das eigene Angebot würde so unter Umständen noch attraktiver werden. Emdes Fazit: "Wenn die Post die Telefongebühren weiter erhöht, werden private Anbieter von Online-Diensten größere Chancen erhalten."

Was ist also angesagt bei deutschen Unternehmen, wenn die Bundespost Telekom die Telefonrechnung stellt? Sparmaßnahmen ja, aber wenn möglich ohne viel Aufhebens und im Bewußtsein der Mitarbeiter verankert, Substitutin, mit Hilfe anderer Techniken, aber kein Verzicht aufs Telefon, wo es offensichtlich unersetzbar ist. Dies gilt erst recht dort, wo man, wie im Bereich der Online-Dienste stillschweigend eher mit steigenden Umsätzen kalkuliert. Gelten Kommunikationskosten, verursacht durch das Telefon, in den meisten Fällen als notwendiges Übel?

Verbandsvorsitzender Emil Hübner wehrt sich entschieden gegen den Ausdruck notwendiges Übel. "Manche Unternehmen wollen gar nicht wissen, was ihre Mitarbeiter an Telefonkosten verursachend stellt Hübner fest, abgesehen davon sei es ein leichtes über Gebührencomputer in den TK-Anlagen entsprechende Auswertungen vorzunehmen - Auswertungen, die nach Hübners Informationen zum Beispiel bei Behörden durchaus Praxis sind. Er sieht darin auch keinen Widerspruch zu der Feststellung, daß niemand die Gesamtkosten der Unternehmenskommunikation kenne; im Telefonbereich seien sie aus den genannten Gründen sehr wohl in den Griff zu bekommen.

Da, wo man dies wollte, so Hübner weitere wurden dann auch größtenteils entsprechende Konsequenzen gezogen. Daß die Telekom ausschließlich in ihrem Monopolbereich der Sprachkommunikation an der Gebührenschraube drehe, komme ja nicht von ungefähr. Dies hat, so Hübner abschließend, bereits zur Folge, daß zumindest Großunternehmen auch im Telefonbereich zunehmend auf ihre internationalen Netzknoten zurückgreifen.

Bleibt der "Kostenfaktor" Mitarbeiter? Klare Worte zu diesem "heißen Eisen" fand Hübners Kollege Hans Joachim Vallery vom Verband Deutscher Telekom-Anwender. Seine Mitte letzten Jahres gegründete Organisation sammelte bisher vor allem Erfahrungen in den neuen Bundesländern. Für ihn ist die Gebührenfrage im Moment zweitrangig, da der Tätigkeitsschwerpunkt seiner Arbeit bei der Beratung gewerblicher Anwender im Hinblick auf die Neuausstattung mit TK-Anlagen liegt. Eines kann Vallery allerdings jetzt schon mit Bestimmtheit festmachen: Da bei den derzeit noch veralteten ostdeutschen TK-Anlagen eine Gebührenkontrolle technisch nicht möglich ist, wird dort jedenfalls "auf Teufel komm raus telefoniert".