Software-Engineering/Kommentar

Die (Wieder-)Entdeckung des Menschen

09.03.2001

Wenn der Eindruck nicht trügt, dann kommt beim Thema Softwareentwicklung den "weichen" Fakoren, also den sozialen Aspekten, immer stärkere Aufmerksamkeit zu. Publikationen über den Sinn und Unsinn von strengen Planungen und detaillierten Pflichtenheften, über soziale Organisationsformen von Programmierteams oder die Interaktion von Projektverantwortlichen und Anwendern haben Konjunktur. Das kann daran liegen, dass sich die Debatten um Objektorientierung und Komponentensoftware aufgrund deren Erfolgs erübrigen.

Wenn also Projekte scheitern, dann gerät zwangsläufig die Projektorganisation in Verdacht. Neuere Untersuchungen sprechen von 40 Prozent Fehlschlägen, wenn mehr als 20 Mitarbeiter beteiligt sind. Natürlich gelten da teilweise immer noch die alten Erklärungen: Projektleiter, die ihr Geschäft nicht lernen müssen, weil sie glauben, dass ihnen alle notwendigen kommunikativen und organisatorischen Fähigkeiten in die Wiege gelegt wurden, ahnungslose Auftraggeber, die dem Treiben tatenlos zusehen, und natürlich die notorische Zeit- und Personalknappheit.

Nachdem diese Übel wohl nie ganz verschwinden werden, sollen modisch gewordene Ansätze wie eXtreme Programming, Projekte flexibler und überschaubarer machen. Der Tenor lautet: Reduktion des Planungsaufwands, Verkleinerung von Teams und frühe Auslieferung von lauffähigem Code. Unübersehbar sind dabei Ähnlichkeiten mit der Entwicklungsmethode von Open Source, besonders das Credo "release early, release often".

Trotz der neuen Aufmerksamkeit für die sozialen Faktoren der Softwareentwicklung steht der Fortschritt beim Engineering nicht still. Eine Reihe interessanter Ansätze wie die generative Programmierung oder Softwareproduktlinien versprechen grundlegende Umwälzungen. Bis sie die Forschungslabors verlassen haben und reif für die Praxis sind, wird indes noch einige Zeit vergehen.