Open Source im Unternehmen

Die wichtigsten Linux-Zertifizierungen

06.01.2016
Von Ludger Schmitz 
Der anhaltende Trend zu Linux im Data Center sorgt für einen wachsenden Bedarf an qualifizierten Experten für das Open-Source-Betriebssystem. Doch was zeichnet Linux-Spezialisten aus? Der Hinweis auf Linux-Erfahrungen im Lebenslauf oder in Arbeitszeugnissen genügt nicht. IT-Spezialisten und Arbeitgeber legen Wert auf allgemein anerkannte Zertifikate. Beide Seiten sollten dabei einige Feinheiten beachten.

Der Boom ließ sich noch nicht absehen, und Linux war etwas, das besonders aufgeschlossene IT-Profis auf "Underground-Servern" ausprobierten, als die erste Initiative zur Zertifizierung von Linux-Kenntnissen startete. Schon 1999 entstand im kanadischen New Brunswick die Non-Profit-Organisation Linux Professional Institute (LPI). Sie wollte von den - sich damals noch recht heftig befehdenden - Distributionen des Betriebssystems unabhängig sein. Daher hat das LPI seither die einheitliche Code-Basis Linux Standard Base zur Grundlage. Im deutschsprachigen Raum ist der übergreifende Regionalbereich Central Europe zuständig. Der ist aus dem 2003 in Karlsruhe gegründeten LPI e.V. hervorgegangen und hat heute seinen Sitz in Kassel.

Das LPI ist zum Inbegriff für Linux-Zertifizierung geworden. Seine Prüfungen haben andere ersetzt. Aber es sind nicht die einzigen Angebote. Besonders bei den hochwertigen Zeugnissen gibt es Alternativen. Und ganz neu im Rennen um den Zertifizierungsmarkt ist die Linux Foundation.

Linux Professional Institute (LPI)

Das LPI versteht sich ausschließlich als Prüfungsinstitution. Es veranstaltet keine Schulungen und setzt für solche auch keine Vorgaben. Soweit sich Schulungsmaterial mit Labels wie "LPI Approved" auf dem Markt findet, bezieht sich dies auf das Programm "LPI Approved Training Materials" (LPI ATM). Das ist seit 2009 nicht mehr weltweit gültig, regionale Organisationen des LPI dürfen es aber noch verwenden.

Es gibt Fachbücher im Handel und massenhaft Material im Internet zur eigenständigen Vorbereitung auf die Prüfungen. Dies ist eine verbreitete Vorgehensweise für IT-Spezialisten mit Linux-Kenntnissen aus dem Studium oder der Praxis. Gleichwohl können die zahlreichen Anbieter von Vorbereitungskursen auf die LPI-Prüfungen nicht über mangelnde Nachfrage klagen.

Das LPI unterscheidet zwischen zwei Arten von Ausbildungspartnern: "Approved Academic Partner" (AAP) umfasst öffentliche Bildungseinrichtungen. Allein in Deutschland sind das rund 70. Daneben gibt es "Approved Training Partner" (ATP). Hierzulande sind es 33, darunter in Open-Source-Kreisen bekannte Namen wie Linuxhotel (Essen), Heinlein (Berlin), Medialinx und Open Source School (beide München). Diese Einrichtungen müssen unter anderem geeignetes Schulungsmaterial und LPI-zertifizierte Ausbilder (LPI CTs) nachweisen. Nicht alle Ausbildungspartner, AAPs wie ATPs, bieten Vorbereitung auf das gesamte Spektrum der LPI-Zertifikate an.

Die LPI-Prüfungen lassen sich auf zwei Arten absolvieren. Eine beaufsichtigte Online-Prüfung läuft über das Prüfungszentrum von Pearson VUE. Die Möglichkeit schriftlicher Prüfungen bietet das LPI bei größeren IT-Veranstaltungen wie der CeBIT oder dem Chemnitzer LinuxTag an, oft verbilligt. Dabei gilt es, Multiple-Choice- oder Textfragen zu beantworten. Ein LPI-Zertifikat verlangt in der Regel zwei Prüfungen mit jeweils 60 Fragen, wobei 500 von 800 möglichen Punkten erreicht werden müssen. Noten gibt es anschließend nicht, sondern nur das Zertifikat.

Das LPI bietet vier Zertifikate an, die zum größten Teil aufeinander aufbauen, also Vorbedingungen für das nächste Level sind. Nicht die Themen, aber die konkreten Fragen bei den Prüfungen ändern sich ständig. Es dürfte also wenig nützen, im Internet kursierende Testbögen auswendig zu lernen. Die Prüflinge müssen sich wirklich auskennen. Über die Jahre hat der hardwarebezogene Teil der Prüfungsfragen ständig abgenommen.

LPIC-1 - das älteste LPI-Zertifikat

Das älteste LPI-Zertifikat gibt es seit Januar 2000: das Zertifikat LPIC-1, auch bekannt als "Junior Level Linux Professional". Dafür sind zwei Prüfungen zu absolvieren. Die Prüfung 101 dreht sich um Systemarchitektur, Linux-Installation und Paketmanagement, GNU- und Unix-Befehle sowie Laufwerke, Dateisysteme, Verzeichnisstruktur und Filesystem Hierarchy Standards. Prüfung 102 erfordert Wissen zu Shell, Skripten und SQL, Benutzer-Interface und Desktop, administrativen Aufgaben, Systemdiensten, Netzwerkgrundlagen und Sicherheit. Hier geht es also noch relativ deutlich um Linux-Basics und den Stand-alone-Betrieb.

LPIC-2 Advanced Level Linux Professional

Deutlich stärker Server-bezogen ist das Zertifikat. Zur Zulassung ist das Zertifikat LPIC-1 erforderlich. Außerdem sind auch hier wieder zwei Tests zu schaffen: Prüfung 201 beschäftigt sich mit Kernel, Systemstart, Dateisystem, erweiterter Administration von Storage-Devices, Netzwerkkonfiguration und DNS. Prüfung 202 dreht sich um Webdienste, Freigabe von Dateien, Verwaltung von Netzwerk-Clients, E-Mail-Dienste, Systemsicherheit und Lösung von Systemproblemen.

LPIC-3 Senior Level Linux Professional

Das anspruchsvollste und spezialisierende LPI-Level ist das Zertifikat LPIC-3 "Senior Level Linux Professional". Eingangsvoraussetzungen sind die Zeugnisse LPIC-1 und -2. Hier umfasst jede Examensklausur 50 Fragen. Es gibt drei Tests: Bei der Basisprüfung LPI-300 (Mixed Environments") stehen thematisch Samba sowie die Integration von Linux- und Windows-Systemen im Zentrum. Dieser Test ersetzt die alte Prüfung 302 mit gleichem Titel; ersatzlos gestrichen ist Prüfung 301 ("Core").

Spezialisierend gibt es die erweiternde Prüfung 303 ("Security") mit den Themen Kryptografie, Zugriffskontrolle, Betriebs- und Netzwerksicherheit. Eine andere Spezialisierung ermöglicht das Examen 304 ("Hochverfügbarkeit und Virtualisierung") zu Virtualisierungstechniken, Lastverteilung, Speicher- und Cluster-Verwaltung.

Linux Essentials - für Schüler und Azubis

Ein viertes Zeugnis auf Einstiegsniveau bietet das LPI seit Juni 2012 an, das Zertifikat "Linux Essentials". Dieses Angebot richtet sich vor allem an Schüler und jugendliche Auszubildende. Die Prüfung fragt nicht nur theoretisches Wissen über die Open-Source-Community, verbreitete Distributionen, Open-Source-Anwendungen und Lizenzen ab. Es gilt auch, Basiskenntnisse zu praktischen Arbeiten mit der Kommandozeile, Scriptsprachen, Dateiberechtigungen und Sicherheit nachzuweisen.

Grundsätzlich haben LPI-Zeugnisse unbegrenzte Gültigkeit, allerdings empfiehlt das LPI "dringend" eine Rezertifizierung nach fünf Jahren. Zur Zulassung für eine nächsthöhere Prüfung darf ein Zertifikat ohnehin nicht älter als fünf Jahre sein, dann gilt es als "inaktiv". Die Rezertifizierung auf einem höchsten Level erneuert gleichzeitig die niedrigeren Zertifikate. Auf dem Level 30x ist eine Wiederholung der Prüfung nötig.

Dieses Rezertifizierungsverfahren erklärt, warum das LPI zwar rund 425.000 Prüfungen abgenommen, aber nur 150.000 Zertifikate ausgestellt hat. Die Diskrepanz ist keine Aussage über die Durchfallquote. Über die macht das LPI ebenso wenig Aussagen wie über die Zahl der Absolventen auf den verschiedenen Prüfungsebenen.