Die wichtigsten Fragen zum Recht in IT-Projekten

23.02.2010
Von Dr. Thomas Söbbing
Nicht nur bei der Vertragsgestaltung, sondern über die gesamte Laufzeit gibt es immer wieder rechtliche Probleme zu klären.

Ein klassisches IT-Projekt besteht aus den Phasen Planung (Plan), Implementierung (Build) und Betrieb (Run). Diese werden zum Beispiel in der Itil-Version 3 auch als "Service Design", "Service Transition" und "Service Operation" bezeichnet, während der ganze Prozess als "Service-Lebenszyklus" verstanden wird. In der Regel wird diese sehr aufwendige Vorgehensweise für Großprojekte, etwa die Einführung einer neuen Enterprise-Software-Lösung, verwendet.

Service Design (Planungsphase)

In der Planungsphase erstellt der Lieferant aus dem vom Kunden bereitgestellten Lastenheft ein Pflichtenheft. Es beschreibt in konkreter Form, wie der Auftragnehmer die Anforderungen im Lastenheft zu erbringen gedenkt. In einigen Unternehmen wird das Pflichtenheft auch als Business Blue Print bezeichnet. Gelingt es dem Kunden, in seinem Lastenheft so konkret zu beschreiben, welchen Inhalt ein Pflichtenheft haben sollte, dass daraus ein bestimmter Erfolg abzuleiten ist, kann hierfür hervorragend ein Werkvertrag nach den Paragrafen 631 ff. BGB verwendet werden.

Welche Gesetze wichtig sind

  • Die Paragrafen 631 ff. BGB widmen sich dem Thema Werkvertrag.

  • 611 ff. BGB haben den gesetzlich kodifizierten Dienstleistungsvertrag zum Gegenstand.

  • 280 ff. und 323 ff. BGB werden bei schlechten oder gar nicht erbrachten Leistungen des Dienstpflichtigen zu Rate gezogen.

  • Die Abnahme von werkvertraglich vereinbarten Projekten folgt dem Paragrafen 640 BGB.

  • Die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers sind im Paragrafen 642 BGB geregelt.

  • Nach der Abnahme lassen sich nur noch Mängelrechte gemäß Paragraf 634 BGB geltend machen.

Ist die Beschreibung des konkreten Erfolgs nicht möglich, was häufig der Fall ist, so bietet sich das gesetzlich kodifizierte Dienstleistungsvertragsrecht nach Paragraf 611 ff. BGB an. In der Regel braucht der Dienstleistungsvertrag vor allem Ergänzungen bezüglich der Leistungsstörungen, da dieser Bereich vom Gesetz nicht ausreichend abgedeckt ist. Grundsätzlich kennt das Dienstleistungsvertragsrecht keine Sachmängelhaftung für "Dienstmängel".

In der Praxis kommen folgende Leistungsstörungen häufig vor:

  • Nichterscheinen des Beraters;

  • teilweises Nichterscheinen des Beraters;

  • Erscheinen eines Beraters, der aber nicht für die Kunden tätig ist (zum Beispiel, weil er nur im Internet surft);

  • Berater verfügt nicht über den angeforderten Skill-Level (Branchen- oder technisches Know-how).

Nicht immer alltagstauglich

Schlechte oder gar nicht erbrachte Leistungen des Dienstpflichtigen erfasst das Dienstvertragsrecht über die allgemeinen Regeln für Leistungsstörungen (Paragrafen 280 ff. und 323 ff. BGB). Diesen Weg zu gehen ist aber insbesondere bei kleineren Mängeln nicht alltagstauglich, da als Rechtsfolge nur Schadenersatz und Rücktritt vom Vertrag vorgesehen sind. Daher sollten in Beratungsverträgen lieber entsprechende Regelungen zu einer Nacherfüllung aufgenommen werden.

Service Transition (Implementierungsphase)

Die Umsetzung des Pflichtenhefts wird juristisch in der Regel mit einem Werkvertrag vereinbart, der an das Projekt angepasst wurde. Hier spielen insbesondere Regelungen, die die Abnahme (im Sinne von Paragraf 640 BGB) oder die Mitwirkungspflichten (Paragraf 642 BGB) konkretisieren, eine Rolle. Inhaltlich werden im Wesentlichen Leistungen geschuldet wie das Customizing von Standardapplikationen, das Entwickeln von Individualsoftware, das Programmieren von Tools, die Dokumentation, die Migration von Altdaten und ein Hosting-Konzept

Geht es nicht um Outsourcing, wird in der Implementierungsphase für den Auftraggeber auch Hardware und Software beschafft, beispielsweise Server und die Standardsoftware von SAP. Der Dienstleister möchte selbstverständlich, dass alle drei Elemente (Hardware, Software, Implementierungsleistung) in getrennten Verträgen abgewickelt werden, damit im Falle einer Pflichtverletzung in einem dieser Verträge nicht auch die anderen betroffen sind. Trotzdem könnte ein Gericht in einem späteren Rechtsstreit von einer "Systemlösung" ausgehen.

In der Regel erbringt der Dienstleister bei der Umsetzung der Anforderung aus dem Pflichtenheft Werkleistungen im Sinne der Paragrafen 631 ff. BGB. Im Vordergrund steht hier das Erbringen einer Leistung, nicht das Liefern eines Gegenstands, so dass zumeist von Werkrecht und nicht Kaufrecht auszugehen ist. Die werkvertragliche Abnahme und deren inhaltliche Ausgestaltung bekommen vor allem in Systemintegrationsprojekten einen hohen Stellenwert, etwa wenn SAP-Software als Enterprise-System eingeführt wird. Solche Lösungen werden meist nicht im "Big Bang" in die Produktion überführt.

Grundsätzlich ist bei Werkleistungen die Abnahme in Paragraf 640 BGB geregelt. Gemäß Absatz 1 Satz 1 ist der Besteller verpflichtet, das mängelfreie und mit den zugesicherten Eigenschaften versehene Werk abzunehmen. Der juristische Geschäftsprozess der Abnahme sollte entsprechend den Anforderungen der IT im Vertrag konkretisiert werden. Hierbei muss der Abnahmeprozess wie ein Geschäftsprozess definiert werden.

Nach Paragraf 640 Absatz 1 Satz 2 BGB kann der Kunde die Abnahme nicht wegen unwesentlicher Mängel verweigern. Unwesentlich heißt, es ist dem Besteller zuzumuten, die Leistungsgegenstände als im Wesentlichen vertragsgemäße Erfüllung anzunehmen und sich mit den Mängelrechten gemäß Paragraf 634 BGB zu begnügen. Beurteilt wird das anhand von Art und Umfang des Mangels sowie seiner Auswirkungen im Einzelfall.

In der Praxis führt die Definition eines unwesentlichen Mangels zum Teil zu erheblich unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Deshalb gibt es Sinn, bestimmte Fehlerklassen (Fehler im Sinne von Mängeln) zu definieren – im Einzelfall auch mit Rechtsfolgen. Hierbei werden bis zu vier Fehlerklassen definiert. Dabei würden zwei völlig ausreichen: erstens die eine Abnahme verhindernden Fehler und zweitens Fehler, die die Abnahme nicht verhindern, aber später behoben werden müssen.

Regeln für die Abnahme

Gemäß Paragraf 640 Absatz 1 Satz 3 BGB kommt es einer Abnahme gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, aber dazu verpflichtet ist. Angemessen ist die Frist, wenn sie dem Schuldner die Gelegenheit zur Vertragserfüllung gibt. Eine solche Frist kann bereits im Vorfeld in den Vertrag aufgenommen werden.

Die Rechtsfolgen der Abnahme beim Werkvertrag sind die Beendigung der Vorleistungspflicht des Unternehmers, die Fälligkeit des Werklohns samt Zinsen sowie der Beginn der Verjährung zum Jahresende. Die dreijährige Regel-Verjährungsfrist

  • ersetzt den Herstellungs- (Paragraf 631 Absatz 1 BGB) durch einen Nacherfüllungsanspruch (Paragraf 634 Nr. 1 BGB),

  • bürdet dem Besteller die Beweislast für Werkmängel auf (Paragraf 363 BGB),

  • setzt die Verjährung der Mängelansprüche in Lauf (Paragraf 634a Absatz 2 BGB),

  • wälzt die Gefahr auf den Besteller ab (Paragrafen 644, 645 BGB) und

  • kann zum Verlust von Gewährleistung und Vertragsstrafe führen (Paragrafen 640 Absatz 2, 341 ff. BGB).

Sieht der Werkvertrag die Mitwirkung des Kunden vor, kann der Dienstleister eine angemessene Entschädigung verlangen, wenn der Kunde dem nicht nachkommt und sich dadurch die Abnahme verzögert (Paragraf 642 Absatz 1 BGB). Ferner ist der Dienstleister nach dem Paragrafen 642 berechtigt, dem Kunden eine Frist zu setzen, binnen derer er die Handlung nachholen muss, und ihm bei weiterer Untätigkeit mit Vertragskündigung zu drohen (Paragraf 643 Satz 1 BGB). Der Vertrag gilt dann als aufgehoben, wenn die Nachholung nicht bis zum Ablauf der Frist erfolgt. Im Kaufrecht gibt es keine vergleichbare Regelung.

Service Operation (Laufender Betrieb)

Der laufende Betrieb unterscheidet sich nach Basisleistungen und erweiterten Services. Basisleistungen umfassen in der Regel das Hosting der entwickelten oder angepassten Softwareapplikationen, während die erweiterten IT-Services Incident- oder Problem-Management implizieren.

Bei den erweiterten IT-Services, zum Beispiel Application Services, stellt sich die Frage, was tatsächlich geschuldet ist. Ist es etwa beim Incident-Management die Behebung eines Fehlers, so stellt dies sicher einen werkvertraglichen Erfolg im Sinne der Paragrafen 631 ff. BGB dar.

Inwieweit sich Outsourcing-Verträge rund um Hosting- und RZ-Services mit den im BGB gesetzlich normierten Verträgen abdecken lassen, richtet sich ebenfalls nach der tatsächlich geschuldeten Leistung.

Das reine Operating (Hosting) lässt sich eher dem Dienstvertragsrecht nach den Paragrafen 611 ff. BGB zuordnen, sofern kein Erfolgsmoment vorliegt. Im Falle des Web-Hostings, bei dem Daten auf dem Host des Providers gespeichert werden, handelt es sich nicht um einen Mietvertrag nach den Paragrafen 535 ff. BGB, sondern um einen Werkvertrag nach 631 ff. BGB. Der Hosting-Provider schuldet als Leistung lediglich, dass die Website des Kunden bei ihm irgendwo gespeichert wird und im Internet aufgerufen werden kann.

Keine nachträgliche Beschränkung

Es kommt also im Wesentlichen auf die vereinbarten Leistungen an, um diese rechtlich beurteilen zu können. Sofern die Parteien keine AGBs verwenden wollen, also bei Individualverträgen, ist es sinnvoll, sich vom gesetzlichen Leitbild des BGB zu entfernen und einfach die geschuldete Leistung zu beschreiben. Das hat auch den Vorteil, dass SLA-Regelungen nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen.

Grundsätzlich haben die Gerichte ein Problem damit, wenn in AGBs im Nachhinein die vorher beschriebene Leistung reduziert wird. So hat der Bundesgerichtshof beispielsweise entschieden, dass die nachträgliche Beschränkung der Verfügbarkeit eines Online-Banking-Systems (zum Beispiel auf 99 Prozent) in den AGBs nicht zulässig ist. (hv)