CWLeserbrief

"Die Welt ist komplex"

21.11.2005

Betrifft CW 45/05, Seite 6: "Nehmen Sie die einfachste Software"

Das Bild des ERP-Marktes, wie es im angesprochenen Artikel gezeichnet wird, bedarf aus unserer Sicht der Differenzierung. Beim Lesen entsteht der Eindruck, ERP-Systeme in Gestalt eines "Molochs aus den 80er Jahren" wären heute noch weit verbreitet. Es mag zutreffen, dass die ERP-Software bei einigen Anbietern überladen ist. Aber gerade der deutsche Markt ist durch eine Reihe innovativer mittelständischer Anbieter geprägt, deren Systeme über eine moderne Softwarearchitektur verfügen, modularisiert und anpassungsfähig sind.

Die Pauschalempfehlung, "das einfachste System zu nehmen, das man bekommen kann", halten wir aus verschiedenen Gründen für falsch. So wahr es ist, dass etliche Anwender viel zu umfangreiche, teure und schwer individualisierbare ERP-Software gekauft haben, so wenig sinnvoll ist es, nun "einfachste Software" zu fordern. Die Welt ist komplex, und die Software muss Kunden mit sehr unterschiedlichen Geschäftsprozessen in die Lage versetzen, die Komplexität effizient zu managen. Eine für mittelständische Firmen geschriebene Software, die sich daran orientiert, was sinnvoll und machbar ist, kann nicht "einfachste Software" sein. Es ist auch kein Beinbruch, wenn Kunden nur 60 oder 80 Prozent des Funktionsumfangs nutzen, problematisch ist, wenn vieles hinzugestrickt werden muss, weil die "einfachste Software" nicht die Funktionen beinhaltet, die gebraucht werden.

Sinnvoller Workflow

Wer strikt dem Ratschlag folgt, den "integrierten Workflow" quasi als Anzeichen dafür zu werten, dass die Software überladen sei, könnte gute Chancen auslassen, seine Geschäftsprozesse effizienter zu machen. So kann ein bereits in die ERP-Software integrierter Workflow für viele Kunden - beispielsweise bei der Prüfung, Bearbeitung, Buchung und Zahlung von Eingangsrechnungen - außerordentlich hilfreich sein.

Was die Einführung und das Customizing betrifft, hängt viel von der richtigen Herangehensweise und dem Projekt-Management ab. Denn Mittelständler - das zeichnet sie ganz besonders aus - sind flexibel und ändern daher schnell ihre Geschäftsprozesse entsprechend den Marktgegebenheiten. Die Software sollte so flexibel sein, diese Veränderungen ohne zu großen Umstellungsaufwand unterstützen zu können. Dann hat sie auch eine längere Lebenszeit als die veranschlagten fünf Jahre. Ich glaube, die wenigsten mittelständischen Unternehmen wollen alle paar Jahre eine neue ERP-Software einführen. Sie wünschen vielmehr eine Software, die Veränderungen mit einschließt. Dann kann daraus durchaus eine Beziehung von über zehn Jahren werden.

Ralf Gärtner, Vorstand Vertrieb und Marketing Soft M AG, München

Siehe auch Diskussion im Weblog der computerwoche: http://blog.computer woche.de/2005/11/11/alle-erp- systeme-sind-gleich/