Customer-Relationship-Management/RoI nur schwer erfassbar

Die weichen Faktoren dominieren

15.03.2002
Jeder weiß um die Bedeutung der Kundenpflege, dennoch hält sich bei den Entscheidern die Begeisterung für CRM-Systeme in Grenzen. Ein Grund dafür mag sein, dass die Amortisation solcher Investitionen nur schwer quantifizierbar ist. Von Johannes Beschnidt und Rüdiger Spies*

Unter den Managern deutscher Unternehmen hält sich die Begeisterung für Systeme zur Kundenpflege bislang noch in Grenzen. Nach einer Studie der Meta Group beschäftigt sich nur rund ein Drittel der Geschäftsführungen überhaupt mit diesem Thema. Alle anderen Befragten halten ihr Unternehmen aus organisatorischen Gründen für ungeeignet und lehnen CRM ab. Fachabteilungen, die dennoch auf CRM-Systeme setzen wollen, müssen daher oft viel Überzeugungsarbeit leisten, um die Chefetage zu dieser Investition zu bewegen. Denn nur schwer lassen sich die durch CRM zu erzielenden Erfolge in bloßen Zahlen belegen. Einfache Instrumente des Controlling greifen hierbei nicht. Voraussetzung für die Finanzierung von Anwendungen ist aber eine klare und effektive Kostenanalyse. Zudem muss von einer IT-Investition verlangt werden, dass sie kurzfristig einen hohen Nutzen bringt und sich in die Geschäftsstrategie einfügt.

Abseits des ZahlenjonglierensInvestitions-Controller wollen diese Zahlen in Form von Return on Investment (RoI), Cash-Flow oder Economic Value Added (EVA) überprüfen, um die realen Kapitalflüsse nachvollziehen zu können, die durch eine Investition ausgelöst wurden. Solche Bewertungsmethoden sind aber oft zu grobmaschig, um alle notwendigen Informationen zu berücksichtigen. Weiter verbreitet ist daher inzwischen die Vorgehensweise, Einschätzungen anhand von bereits durchgeführten Projekten und deren Einsparungen vorzunehmen. In diesem Fall ist es erforderlich, den zeitlichen Geldwert mit heranzuziehen. Weiter spezifizieren lässt sich die Kosten-Nutzen-Rechnung nach den Kriterien von Net Present Value (NPV) und Internal Rate of Return (IRR). Es ist bei dieser Abwägung daher sinnvoll, einen mehrschichtigen ökonomischen Ansatz zu wählen.

Doch mit reiner Zahlenlehre ist eine CRM-Initiative nur schwer zu erfassen, vor allem deshalb, weil sie nach einer ganzheitlichen Vorgehensweise verlangt. Die Auswahl der richtigen Software spielt dabei nur eine nachgeordnete Rolle. Entscheidend für die erfolgreiche Implementierung eines Kundenbeziehungs-Management-Systems sind die Ausgestaltung eines unternehmerischen Ziels, die dafür nötige Strategie und die darauf ausgerichteten Geschäftsprozesse. Es spielen also vor allem Menschen und deren Aktivitäten die entscheidende Rolle - die Auswahl der Technik steht an letzter Stelle.

Kunden verlieren ihr Interesse an einer Unternehmensleistung, wenn sie sich nicht gut genug behandelt fühlen. Dabei kann ihnen in jeder Phase des Akquisitionsprozesses ein negatives Gefühl vermittelt werden. Aus Sicht des Kunden lassen sich im Verkaufsprozess vier Stadien (Entscheidungszyklus) unterscheiden: Indifferenz, Suche, Angebot und Kauf sowie der Besitz eines Produkts. Bei Industriekunden rechnet man in diesem Modell zwischen dem Zeitraum der Indifferenz und der Suche noch die Phase des Handlungsbedarfs hinzu. Zudem werden an Stelle von Angebot die Begriffe Auswahl und Ausschreibung sowie schließlich Realisierung und Betriebsphase gewählt. In jedem Fall ist aber das Ziel von CRM, den Kundenverlust pro Entscheidungszyklus zu minimieren. Erst die Verbindung von Unternehmenszielen mit Kundenbedürfnissen nach dem Entscheidungszyklus ergibt ein in sich schlüssiges CRM-System.

Die Einstellung muss stimmenAuch setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass ein direkter Zusammenhang zwischen loyalen Mitarbeitern und loyalen Kunden besteht. Nicht zuletzt deshalb gewinnt die Mitarbeitermotivation bei den CRM-Initiativen eine herausragende Bedeutung. Denn bislang haben Mitarbeiter im Unternehmen den geforderten "Dienst am Kunden" oft nicht wirklich verinnerlicht. Der nötige Einstellungswandel muss in die Unternehmenskultur integriert werden.

Solche Aspekte machen deutlich, wie schwer eine Kosten-Nutzen-Rechnung kalkulierbar ist. Die größte Schwierigkeit besteht aber nicht da-rin, eine Investition mit einer mathematischen Berechnung zu untermauern, sondern in der richtigen Auswahl der Zahlen. Sowohl beim Aufwand als auch beim Nutzen sind direkte und indirekte Kosten sowie andere Effekte zu berücksichtigen, wobei der Fokus in der Regel auf den direkten Kosten liegt. Um die Ausgaben zu rechtfertigen, müssen die Rückflüsse deutlich an die Projektergebnisse gekoppelt sein. Beispiele dafür sind eine verbesserte Kundenrückgewinnung aufgrund größerer Kundenzufriedenheit, das frühzeitige Erkennen von potenziell untreuen Kunden, ein messbar besserer Service, ein größeres Produktangebot, ein verbessertes Image sowie eine deutlich messbar höhere Kundenneugewinnung. Trotzdem steht keiner dieser Nutzen im unmittelbaren Zusammenhang mit den direkten Kosten. Um hierzu aussagefähige Zahlen zu erhalten, sind detaillierte Wettbewerbsvergleiche und umfassende Marktforschung erforderlich.

Der Aufwand ist leicht zu erfassenDirekte Einsparungen bei den Geschäftskosten kommen idealerweise unter anderem aus einer gestiegenen Produktivität, weniger Fehlern aufgrund höherer Qualität, einer verbesserten Kalkulation, aus dem Echtzeit-Informationsfluss, weniger Dienstreisen, einem effektiveren Marketing (geringere Kosten pro Neukontakt) sowie aus einem höheren Durchsatz im Call-Center (mehr erfolgreiche Anrufe pro Zeiteinheit durch bessere Information).

Gegenzurechnen sind die Kosten für eine Unterbrechung oder den Parallelbetrieb während der Umstellung auf CRM, der Verzicht auf Arbeitskräfte und die erforderlichen Schulungen. Diese Zusatzausgaben sollten neben den bloßen Entwicklungskosten einschließlich Tests, Installation, Validierung und Wartung erfasst werden. Diesen Kosten werden die IT-Investitionen für zusätzliche Hardware, Software, Helpdesk-Support sowie Netzwerk hinzugefügt. Ein neues CRM-System bedeutet eine weitere Belastung der Infrastruktur, sodass zusätzliche Unterstützung in Bezug auf Verfügbarkeit, Antwortzeit und Anwendersupport benötigt wird.

Trotz aller monetären Aspekte spielen gerade wegen der starken Rolle der beteiligten Personen die so genannten weichen Faktoren (soft facts) eine immer größere Rolle. Deshalb sollte zusätzlich eine aus dem Balanced-Scorecard-Modell abgeleitete Scorecard für die CRM-Initiative entwickelt werden, die auch die nichtmonetären Aspekte gebührend berücksichtigt. Hier muss sich auch niederschlagen, inwieweit die Bereitschaft der Mitarbeiter reicht, das Projekt überhaupt mitzutragen. Denn es gilt: Ohne motivierte Mitarbeiter kein CRM. (ue)

*Johannes Beschnidt und Rüdiger Spies sind Consultants der Management- und Technologieberatung Gora, Hecken & Partner GmbH in Sulzbach (www.ghp-cs.de).

Drei MarktsegmenteKommunikatives oder interaktives CRM / Operatives CRM / Analytisches CRM

- Persönlicher Kontakt / - Marketing Automation / - Data-Warehousing

- Internet / - Sales Automation / - Data Mining

- Mailings / - Service Automation / - Churn-Management

- E-Mail, Fax / - Built-to-Order, Integration in die Lieferkette (SCM) / - Kundenpotenzialanalyse

- Telefon, Call-Center / / - Event-based-Marketing

- SMS, WAP, UMTS / - Auftragsverfolgung

Abb: Phasen des Verkaufsprozesses

Entwicklungszyklus: Das wesentliche Ziel von CRM ist, den Kundenverlust in jedem der vier Stadien möglichst gering zu halten. Quelle: GHP