IT im Handel/Tiernahrungshändler Fressnapf vereinheitlicht Stammdatenverwaltung

Die Warenwirtschaft ist der Schlüssel zum Erfolg

30.07.2004

Aufgrund der raschen Expansion bei Fressnapf stieß die Warenwirtschaft im Jahr 2002 an ihre Grenzen. Stammdaten wie European Article Numbers (EAN) und Price Lookups (PLU) wurden in vier verschiedenen Systemen verwaltet: ein älteres Warenwirtschaftsystem, ein zusätzliches Stammdatensystem, ein weiteres für den Online-Shop und eine Verwaltung für das Lager existierten nebeneinander. Das führte zu Mehrarbeit und Reibungsverlusten. Abweichende Preisangaben in den viermal jährlich erscheinenden Handzetteln - Auflage 20 Millionen - und den Kassensystemen mussten vor Ort in Abstimmung mit der Krefelder Systemzentrale geändert werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Märkten waren deshalb oft im Büro gebunden und verloren Zeit, die sie im Verkaufsraum benötigt hätten.

Gleichzeitig war die IT-Abteilung in Krefeld mit Preisabgleichen beschäftigt. "Wir hatten seinerzeit bis zu 100 Anrufe pro Tag, was die Qualität von Daten anging", erinnert sich Alexander Erren, Leiter Zentrale IT. In den vier Systemen waren immer wieder unterschiedliche Preise für ein und denselben Artikel hinterlegt, aus verschiedenen Gründen. Auch war für die Zentrale nur schwer nachzuvollziehen, ob und welche Produkte sich gut oder schlecht verkauften. Da die Franchise-Partner zudem selbst Artikel neben dem Fressnapf-Sortiment aufnehmen dürfen, waren auch diese nur lokal, aber nicht zentral gespeichert.

Im April 2003 entschloss man sich darum bei Fressnapf, die Warenwirtschaft zu vereinheitlichen. Keine einfache Entscheidung: "Wir haben die ganze IT auf links gedreht", erinnert sich Erren. Gesucht war Standardsoftware, die sich rasch an die eigenen Bedürfnisse anpassen ließ. Die Warenwirtschaftslösung des Münchner Anbieters Soft M verwendete Fressnapf schon für die Beziehungen zu den Großhandelskunden. Nun wollte man daran gehen, die Datenverwaltung mit dem Einzelhandel, also zu den Franchise-Partnern, zu optimieren. Dafür bietet das aktuelle Release Soft M Suite 1.5 als neues Feature einen Stammdaten-Workflow. Dies war ausschlaggebend für den Auftrag.

Kunden, Lieferanten und Artikel werden von der Warenwirtschaft der Suite 1.5 als so genannte Business-Objekte verwaltet. Ein Handelsartikel mit seiner EAN und der PLU wird damit als geschlossene Einheit verwaltet. Alle Mitarbeiter in einem Workflow können je nach Aufgabe und mit individuell gestaltbaren Dialogen in der Software ihre Daten zum Artikel eingeben. Dabei können stets mehrere User mit einem Objekt arbeiten, der Einkauf kann bestellen, während das Marketing den Preis dafür ändert. Fressnapf gelang es damit, das Sortiment für alle Märkte über prozessorientierte Dialoge zu integrieren. "Die Warenwirtschaft ist unsere zentrale Datendrehscheibe geworden", kommentiert Erren. Das Nebeneinander der Daten war beendet. Gerade für Fast Moving Consumer Goods (FMCG) wie Lebensmittel eignet sich eine Standardsoftware, weil sie einheitliche Prozesse für große Mengen von Artikeln abwickelt.

Sanfter und schneller Umstieg

Nach der Entscheidung im April blieben nur wenige Wochen für die Übernahme der Altdaten und die Anpassungen der Software, so dass das System am 1. Juli 2003 in den Echtbetrieb ging. "Wir konnten seither die Qualität der Daten erheblich verbessern", resümiert Erren. Statt bisher sechs pflegen nun noch drei Anwender in der Fachabteilung die Stammdaten. Positive Resultate stellten sich rasch ein: "Wir sind in den Prozessen schneller geworden", so Errens klares Fazit. "Früher hat es bis zu einer Woche gedauert, bis die Daten zu einem neuen Artikel in den Filialen waren", erinnert er sich. "Heute pflegen wir sie ein, und morgen sind sie an der Kasse."

Die Rationalisierung, gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krise, ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema im Handel. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Euro-Handelsinstituts (EHI) in Köln aus dem Jahr 2003, in der 55 Handelsunternehmen befragt wurden. Eine verbesserte Warenwirtschaft und die Anbindung der Filialen stehen demnach heute im Vordergrund der IT-Investitionen. Entscheidende Kriterien für eine neue Warenwirtschaft sind TCO (Total Cost of Ownership), Stabilität des Anbieters und Integrationsfähigkeit der Lösung.

Amortisation in zwei Jahren

Der Datenaustausch von und zu den Ladenterminals bei Fressnapf läuft nun automatisch nachts über eine DFÜ-Verbindung nach Krefeld. Zusatznutzen: Jeder Franchise-Partner kann heute seine individuell eingekauften Artikel in die Warenwirtschaft einpflegen, statt sie wie zuvor nur lokal zu verwalten. Dazu hat Fressnapf mit Unterstützung von Strat EDI, Schwelm, eine Extranet-Schnittstelle an das Warenwirtschaftssystem angebunden. Via Browser pflegen die Partner darüber ihre Daten ein. So kann man in Krefeld erkennen, ob sich ein Artikel lokal sehr gut verkauft, und diesen für alle Partner anbieten, indem man ihn zentral einkauft. Auch die verschiedenen Preise in Deutschland verwaltet die Warenwirtschaft individuell: Wenn das Futter in Hamburg zehn Cent billiger angeboten wird als in München, so lässt sich das nun zentral verfolgen. An den Kassen in den Filialen kommen jetzt auch ausführlichere Daten zu den Artikeln an. So finden sich heute detailliertere Angaben zum Artikel auf dem Kassenbon als früher.

Die neue Warenwirtschaft hat auch auf eine weitere Weise die Pflege des Sortiments beschleunigt: "Heute kennen wir alle Artikel und deren Umsätze und können entsprechende Auswertungen auf unserem Data Warehouse laufen lassen, tagesgenau und pro Artikel", sagt Erren. Eine Woche nach Auslieferung eines Artikels kann Fressnapf sehen, wie er sich an der Kasse verkauft hat. "Bei 28 Varietäten für eine 225-Milliliter-Dose Katzenfutter laufen nicht alle Sorten gleich gut. Da können wir schnell aussortieren, was in das Sortiment kommt und was nicht", ist Erren zufrieden. Der IT-Leiter rechnet für die Warenwirtschaft mit dem Erreichen der Rentabilitätsgrenze nach zwei Jahren.

Basis für die Expansion

Das Upgrade der Warenwirtschaft war Teil eines großen Ganzen: Topfit (Totale Optimierung aller Prozesse und der Filial-IT) heißt das Programm, das unter anderem allen 450 deutschen Filialen neue Posiflex-Kassenterminals mit Touchscreen und mobilen Handheld-Computern für den Verkaufsraum brachte. Mit dem Investment in Krisenzeiten verfolgt Fressnapf eine langfristige Strategie. So hat die leistungsfähige Lösung nicht nur die laufenden Geschäftsprozesse mit den einzelnen Märkten beschleunigt, sondern bildet auch das Fundament für die geplante Auslandsexpansion. "Wir haben mit der neuen Plattform den nationalen Rahmen verlassen und können nun Schweizer, Dänen und Ungarn genauso handhaben wie die deutschen User", sagt Erren. Jedes Land lässt sich als eigener Mandant in der Warenwirtschaft anlegen und verwalten. Weitere Länder in Europa sollen rasch dazukommen. (bi)

*Detlev Karg ist freier Autor in Köln.

Hier lesen Sie ...

- warum Tiernahrungshändler Fressnapf seine unterschiedlichen Stammdatensysteme ablösen wollte;

- warum sich das Krefelder Unternehmen für eine Standardsoftware entschied;

- warum die Warenwirtschaft zur zentralen Drehscheibe wurde;

- wie die Franchise-Partner in das neue System eingebunden sind.

Das Unternehmen

Von der Krefelder Zentrale aus beliefert Fressnapf seine rund 560 Franchise-Betriebe in Europa mit rund 10000 verschiedenen Artikeln für Herrchens und Frauchens Lieblinge. 552 Millionen Euro setzte das 1990 gegründete Unternehmen im Jahr 2003 damit um - fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Logistikzentrale liefert täglich rund 2000 Paletten aus. Die Franchise-Partner in den Filialen ordern und verkaufen jedoch zusätzlich auch regionale Produkte.

Die Expansion geht weiter. 80 bis 100 Neueröffnungen im Jahr plant "Europas größte Fachhandelskette" für Tiernahrung und -zubehör. Über 14 Prozent Marktanteil hält Fressnapf derzeit in Deutschland.