Die Wachstumskurve ist flacher geworden Ovum: Auch Microsoft muss sich nach neuen Maerkten umschauen

11.03.1994

MUeNCHEN (CW) - Auch fuer die Software-Anbieter ist die Zeit der exorbitanten Umsatzsteigerungen vorbei. Wie das Londoner Marktforschungsunternehmen Ovum Ltd. prognostiziert, macht Microsoft dabei keine Ausnahme.

Als das Microsoft-Management zum Abschluss des Geschaeftsjahres 1992/93 niedrigere Umsatzsteigerungen in Aussicht stellte, wusste es wohl kaum, wie schnell sich seine Prophezeihung erfuellen sollte: Fuer das am 31. Dezember 1993 beendete zweite Quartal 1993/94 war lediglich ein Zuwachs von 20 Prozent zu verbuchen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres betrug die Steigerungsrate noch 38 Prozent.

Nach Ansicht der Ovum-Experten waren vor allem drei Gruende fuer das Abflachen der Wachstumskurve verantwortlich: Zum einen hatte Microsoft verstaerkt mit OEM-Partner gearbeitet, die selbstverstaendlich einen Teil der Einnahmen fuer sich behielten. Zum anderen brachte es die steigende Akzeptanz bei Grossabnehmern mit sich, dass Preisnachlaesse gewaehrt wurden. Drittens geht ein wachsender Anteil des Micorosoft-Umsatzes auf das Konto von preisguenstigen Produktpaketen.

Nach Ansicht der Londoner Marktbeobachter steht jedoch jeder dieser Gruende fuer einen Teil der Strategie, mit der Microsoft sich die Marktdominanz sichern will. Der Softwareriese habe sich zur Maxime gemacht, Umsatz zu opfern, um Marktanteile zu erbeuten.

Wenn der Windows-Anbieter sein Wachstumstempo halten will, kann er sich allerdings nicht auf seinen Lorbeeren auruhen. Das designierte Server-Betriebssystem Windows NT, als das neue Flaggschiff der Microsoft-Produktflotte angekuendigt, konnte schon vor seiner Marktfreigabe einen erstaunlichen "Vapour- share" - sprich: virtuellen Marktanteil - vorweisen. Denn zahlreiche IS- Abteilungnen hatten es als strategische Plattform in Erwaegung gezogen. Tatsaechlich verlief der Absatz des Produkts jedoch bisher enttaeuschend.

Heather Stark, geschaeftsfuehrende Redakteurin des monatlich aktualisierten Ovum-Dienstes "Software Product Markets Europe" schiebt die Schuld dafuer in erster Linie auf die "Versionsmuedigkeit" der Anwender. "Die Richtung stimmt, aber Entwickler und Einkaeufer wollen nicht unbedingt an jeder Haltestelle ein neues Ticket kaufen."

Die Suche nach neuen Maerkten trieb jedoch auch andere Blueten. Beispielsweise bemueht sich der Anbieter mit "Microsoft at Work" um die Kompatibilitaet von digitaler und analoger (Fax-)Kommunikation. Zudem plant er, seinen Einflussbereich in den Home-User-Markt auszudehnen, indem er interaktive Services auf dem heimischen TV- Schirm anbietet. Kommentiert Stark: "Die beiden Initiativen geben dem Unternehmen Microsoft die Chance, seine am hoechsten entwickelte Faehigkeit auszuspielen, naemlich existierende Technologie in neues Geschaeft umzumuenzen."

Die Verfuegbarkeit von Windows-Anwendungen und die sinkenden PC- Hardwarepreise haben in der Vergangenheit dafuer gesorgt, dass die Nachfrage nach Windows und nach mehr Verarbeitungs-Power staendig stiegen. Der naechste grosse Wachstumszyklus werde jedoch von der Kommunikation bestimmt. Wenn es Microsoft gelinge, diesen Zyklus zu nutzen, koenne der Anbieter seine Wachstum noch einmal steil nach oben treiben.