Die Vorzüge und Nachteile von Wikis

09.12.2008
Von Andreas Heilwagen
Wikis gelten als einfache und effiziente Werkzeuge für das WissensManagement. Trotz anfänglicher Begeisterung über das Enterprise2.0-Tool haben sie neben unbestrittenen Vorzügen auch Nachteile.

Software für Enterprise-Wikis existiert erst seit wenigen Jahren, dementsprechend fehlt ihr der lange Reifungsprozess, den beispielsweise gängige Textverarbeitungen durchgemacht haben. Daher weisen die meisten Systeme mehr oder weniger große Defizite auf, was die technischen Aspekte betrifft. Ihnen gegenüber stehen die Vorteile, die dem Wiki-Konzept entspringen.

Vorteile

  • Vernetzung von kleinen Wissenseinheiten: Im Gegensatz zu monolithischen Office-Dokumenten brechen Wikis große Dokumente in vernetzte Wissenseinheiten auf. Wiki-Seiten lassen sich von den verschiedensten Stellen aus verlinken, ohne dass Informationen vervielfacht werden müssten. Für das Management von Wissen sind Wikis der Kombination aus File-Server und Office-Dokumenten überlegen.

  • Niedrige Hürden für Autoren: Wikis reduzieren die Komplexität gängiger Office-Software auf die häufig benötigen Mittel, ergänzt um leistungsstarke Automatismen. Alle gängigen Enterprise-Wikis bieten inzwischen Wysiwyg-Editoren und reduzieren damit den Lernaufwand. Die Einstiegshürde beschränkt sich im Wesentlichen auf das Verständnis der Konzepte.

  • Jeder darf alles bearbeiten: Content-Management-Systeme bieten detaillierte Kontrolle über die Erstellung und Veröffentlichung von Informationen. In einem Wiki darf jeder Mitarbeiter - sofern der Zugriff durch ein Rechte-Management nicht explizit eingeschränkt wird - alle Einträge verändern und neue Seiten anlegen. Das erleichtert den Einstieg für Autoren und die Verschriftlichung von Wissen.

  • Teamarbeit wird gestärkt: Sobald einige Teammitglieder angefangen haben, ein Wiki zu nutzen, folgen die Kollegen schnell. Dabei können erfahrene Wiki-Autoren ("Wiki-Champions") Einsteigern helfen, eigene Seiten zu erstellen.

  • Zusammenarbeit über Teamgrenzen hinaus: Als Web-basierende Tools können Wikis Kollegen aus anderen Abteilungen oder externe Mitarbeiter einbinden, ohne dass erst lokale Software auf ihren Rechnern installiert werden muss.

  • Erweiterbarkeit: Sobald ein Enterprise-Wiki als Standardwerkzeug eines Unternehmens eingeführt wurde, wünschen sich die Benutzer meist weitere Funktionen. Die gängigen Tools erlauben eine komfortable Installation von Plug-ins und bieten APIs, mit denen sich eigene Erweiterungen entwickeln lassen.

  • Versionierung: Alle Enterprise-Wikis speichern unterschiedliche Versionen eines Eintrags, die bei Bedarf wiederhergestellt werden können. So wird das Risiko unpassender Änderungen kompensiert.

  • Auditing: Neben der Verfolgung von Änderungen und der Wiederherstellung historischer Stände kann über die Versionierung ermittelt werden, wer eine Seite wann wie verändert hat.

  • Wenige Personen können viel bewegen: Die 90/9/1-Theorie besagt, dass 90 Prozent der Nutzer nur lesend auf ein Wiki zugreifen, neun Prozent gelegentlich Inhalte erstellen und eine kleine Gruppe von einem Prozent regelmäßig Beiträge schreibt. Die besonders aktiven Autoren kennen sich meist persönlich, stellen ihre Regeln selbst auf und verbessern bei Bedarf die Struktur des Wikis.

Nachteile

  • Erschwerte Nutzungsbedingungen: An Wikis ist die Entwicklung zu mehr Bedienerfreundlichkeit im Web 2.0 leider weitgehend vorbeigegangen. Die einzige Ausnahme sind Javascript-basierende Wysiwyg-Editoren, deren Einsatz jedoch gelegentlich die Wiki-Seiten beschädigt. Plug-ins können von solchen Editoren nicht angesteuert werden. Seiten mit kompliziertem Layout sollten daher besser in der Wiki-Ansicht bearbeitet werden.

  • Unzureichende Dokumentation: Die Einsteigerdokumentation der Wikis ist meist sehr gut, doch bei der genauen Funktion vieler Features muss der Anwender häufig raten und ausprobieren. Um das zu umgehen, sollten Wiki-Champions gute Beispielseiten als Muster für das richtige Vorgehen anbieten.

  • Stabilität und Performance: Die gängigen Enterprise-Wikis sind bei fachgerechter Installation stabil und schnell, allerdings können einzelne ressourcen-hungrige Funktionen die Nutzung des gesamten Wikis beeinträchtigen.

  • Mangelhafte Exportqualität: Viele Wikis verwenden Apache FOP, um PDF-Dokumente zu erzeugen; dessen aktuelle Version stellt jedoch alle Tabellenspalten immer in derselben Breite dar. Darüber hinaus gibt es noch keine geeigneten Mechanismen, um die zu exportierenden Wiki-Seiten auszuwählen und in eine bestimmte Reihenfolge zu bringen.

  • Eingeschränktes Layout: Trotz leistungsstarker Syntax sind die Darstellungsmöglichkeiten in allen Wikis auf einen Teil der HTML-Fähigkeiten beschränkt.

  • Karge Administrationswerkzeuge: Bei jedem Wiki sind die Administrationswerkzeuge bisher spartanisch, teilweise muss man Konfigurationsdateien von Hand ändern oder wie bei TWiki Änderungen im Sourcecode vornehmen.

  • Unterschiedliche Syntax: Derzeit existieren mehrere Syntaxfamilien mit Untergruppen. Das erschwert den Umstieg zwischen unterschiedlichen Wiki-Engines. Migrations-Tools gibt es meist nicht.

  • Zögerliche Management-Unterstützung: Wikis unterlaufen gängige Kontrollmechanismen. Deshalb ist es schwierig, für ihre Einführung Unterstützung aus dem Management zu erhalten - ein Grund für die meist virale Verbreitung von Wikis.

  • Resistenz der Office-Fraktion: Wie jede neue Technik stoßen auch Wikis auf ein starkes Beharrungsvermögen der Mitarbeiter. Im Rahmen der Einführung ist es deshalb wichtig, die Informationen vollständig zu migrieren und die alten Quellen einfach abzuschalten. Außerdem lohnt sich die Einbindung von Mitarbeitern oder Externen, die Erfahrung im Change-Management mitbringen. (ws)