Aufbruch in digitales Neuland

Die Vorteile der Digitalisierung im Gesundheitswesen

Kommentar  01.03.2019
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Karsten Glied ist Geschäftsführer der Techniklotsen GmbH, die sich auf IT- und Technik-Lösungen für die Sozial- und Gesundheitswirtschaft spezialisiert hat. Als studierter Diplom-Betriebswirt entwickelte er schon lange vor dem Megatrend „Digitalisierung“ Strategien für eine bessere Verzahnung von IT mit den fachlichen und wirtschaftlichen Anforderungen eines Unternehmens. Zudem tritt er als Vortragender auf internationalen Konferenzen auf und referiert rund um die Themen Digitalisierung und IT Business Alignment.

Mehr Qualität, niedrigere Kosten: Wie die Gesundheits- und Sozialwirtschaft von der Digitalisierung profitieren kann, lesen Sie hier.
Eine Patientin wird per Telemedizin von der Ärztin angeleitet, ihren Pulz zu messen.
Eine Patientin wird per Telemedizin von der Ärztin angeleitet, ihren Pulz zu messen.
Foto: Miriam Doerr Martin Frommherz - shutterstock.com

Digitale Techniken versetzen den Gesundheits- und Sozialsektor in die Lage, viele Prozesse zu verschlanken und anfallende Tätigkeiten erheblich zu vereinfachen. Partiell geschieht dies auch bereits. Dennoch ist das Potenzial, das die Digitalisierung der Branche bietet, sehr viel größer und noch nicht annähernd voll ausgeschöpft. Intelligent eingesetzt und unter der Voraussetzung flächendeckend verfügbaren schnellen Internets sparen digitale Anwendungen nicht nur viel Geld und Zeit, sondern steigern auch die Qualität der Arbeit der gesamten Branche enorm.

Auf der Höhe der Zeit

Angesichts des demografischen Wandels, einer immer älter werdenden Bevölkerung und eines dramatischen Mangels an Pflegekräften steigen die qualitativen und quantitativen Anforderungen an das Gesundheitswesen sowie auch dessen Kosten permanent. Einsparungen und Verbesserungen sollten also höchst willkommen sein. Hierzu bietet die Digitalisierung vielversprechende Chancen. Laut einer Studie von McKinsey liegen die Einsparpotenziale durch die Digitalisierung im deutschen Gesundheits- und Sozialwesen bei bis zu 34 Milliarden Euro, was 12 Prozent des Gesamtkostenvolumens dieses Sektors entspricht.

Schon durch die Umstellung auf papierlose Prozesse ließen sich die Kosten um 9 Milliarden Euro senken. Hier sticht die Möglichkeit der Einführung einer einheitlichen elektronischen Gesundheitsakte (eGA) heraus, was allein eine Kostensenkung von 6,4 Milliarden Euro nach sich zöge. Erhebliche Effizienz-und Produktivitätssteigerungen durch stark vereinfachte Arbeitsabläufe und Zeitgewinne kämen hinzu. Vorteil der eGA: Alle relevanten Daten wie etwa Krankheitsverläufe, Behandlungen und verabreichte Medikamente wären so von den medizinischen Leistungserbringern direkt und ohne Zeitverlust einsehbar.

Auch die Einführung des E-Rezeptes, in anderen Ländern längst Realität, würde nicht nur Papier sparen, sondern auch Kosten in Höhe von rund 0,9 Milliarden Euro und Verwaltungsaufwand reduzieren. Angesichts dieser Zahlen erscheint es daher äußerst unverständlich, dass die eGA nicht schon längst zum Standard gehört.

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Telemedizin: dem Ärztemangel digital entgegentreten

Erhebliche positive Auswirkungen auf die medizinische Versorgung bringt auch die Einführung der Teleberatung mit sich. Die Idee: Patienten, die ärztlichen Rat benötigen, konsultieren den Mediziner nicht in dessen Praxis oder im Krankenhaus, sondern in einer digitalen Sprechstunde über Monitore, mit Sprach- und Sichtverbindung. Die Ärzte können so per Ferndiagnose erste Einschätzungen liefern und etwa schon Medikamente verschreiben oder eine Überweisung an einen Facharzt erstellen.
Im Idealfall reduziert sich so die Zeit für die leibhaftige Untersuchung und es bleibt mehr Zeit für einzelne Patienten, die sich vor Ort untersuchen lassen.

Hierdurch ließen sich erhebliche strukturelle Probleme entschärfen. Der in ländlichen Regionen allgegenwärtige und immer gravierender werdende Ärztemangel kann durch Teleberatungen abgemildert werden. Die Ärzteschaft selbst hat das Fernbehandlungsverbot auf dem 121. Deutschen Ärztetag im Mai 2018 gelockert und somit den Weg für die digitale Sprechstunde frei gemacht.

Datenschutz hat oberste Priorität

Neben viel Aufwand und Zeit werden durch diese Maßnahmen voraussichtlich 7,7 Milliarden Euro gespart. Wichtig ist jedoch sowohl bei der eGA als auch bei den Techniken der Fernmedizin, den Patienten höchste Standards zum Schutz ihrer sensiblen persönlichen Daten zu garantieren und jeglichen Missbrauchsversuchen effektiv vorzubeugen. Andererseits würden es derlei Anwendungen verständlicherweise schwer haben, in der breiten Masse Akzeptanz zu finden.

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Mobile Anwendungen: mehr Zeit fürs Wesentliche

Eine weitere Möglichkeit, die Qualität der gesundheitlichen Versorgung softwaregestützt zu verbessern, ist die Ausstattung von Pflegepersonal mit mobilen Endgeräten. Hierdurch kann etwa in der häuslichen Betreuung jeder Pfleger die Tourenplanung gestalten und die für alle Arbeitsschritte vorgeschriebene Stundenerfassung und Dokumentation per Smartphone vornehmen. Außerdem kann das Pflegepersonal zeit- und ortsunabhängig mobilen Zugriff auf relevante Patientendaten erhalten.

Jedoch ist auch in der mobilen Nutzung absolute Datensicherheit zu gewährleisten. Bei Diebstahl oder Verlust entsprechender Geräte bietet sich ein Zugriff des Pflegeträgers beziehungsweise seiner IT-Abteilung an. Hier sollte es möglich sein, die Smartphones per Fernzugriff zu sperren, die Daten zu löschen und somit für Dritte unzugänglich zu machen. Weiterhin ist auf eine einfache Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit zu achten. Mit den digitalen Prozessen soll schließlich das Ziel verfolgt werden, die Qualität der Arbeit zu erhöhen, die Arbeitsbelastung für das Personal zu reduzieren und Kosten zu senken. Nichts wäre gewonnen, wenn entsprechende Anwendungen an zu komplizierter Bedienbarkeit scheitern oder die gesparte Zeit erst in langwierige Schulungen investiert werden muss.

Sektor muss Schritt in die Gegenwart wagen

All jene technisch unterstützten Möglichkeiten - von denen es noch eine Vielzahl mehr gibt - können das gesamte Gesundheitssystem stärken und entlasten. Kosten sparen, die Qualität der Leistungen erhöhen, die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbessern. All dies ist mit den geeigneten Maßnahmen möglich, wenn die digitalen Prozesse richtig und klug eingesetzt werden.

Daher sollten sich Leistungserbringer wie Ärzte, Krankenhäuser und Pflegedienste sowie die Krankenkassen und Gesundheitsverbände Gedanken dazu machen:

  • Welche Tätigkeiten können IT-gestützt besser verrichtet werden?

  • Wo kann die Digitalisierung die Arbeit der Branche erleichtern, verbessern und effektiver gestalten?

Dabei sei betont, dass durch eine Umstellung auf digitalisierte Prozesse keinesfalls Arbeitsplätze wegrationalisiert werden sollten. Vielmehr muss ein solcher Vorgang der Verbesserung von Qualität und Arbeitsbedingungen dienen und als Abfederung des Fachkräftemangels in Pflegeberufen begriffen werden. Dies ist eine gewaltige Aufgabe, die das Gesundheits- und Sozialwesen Hand in Hand mit der Industrie angehen muss. Die menschliche Kraft, etwa in der Pflege und Betreuung, bleibt unersetzlich, kann durch technische Hilfe jedoch sehr viel effektiver und passgenauer dort eingesetzt werden, wo sie vonnöten ist.