Treffsichere Entscheidungen

Die vertane Chance – Warum MDM und BPM enger zusammenarbeiten sollten

20.11.2014
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Prof. Dr. Komus – Leiter des BPM Labors – ist Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Koblenz. Er ist außerdem wissenschaftlicher Leiter der Rechenzentren der Hochschule Koblenz und Mitbegründer der Modellfabrik Koblenz. Prof. Komus promovierte am Institut für Wirtschaftsinformatik, Prof. Dr. Dr. h.c.-mult. August-Wilhelm Scheer. Vor seiner Tätigkeit als Hochschullehrer war Prof. Komus 10 Jahre lang als Unternehmensberater mit Fragestellungen wie Organisationsgestaltung, IT-Strategien, SAP-Einführung und -optimierung betraut. Herr Komus ist Certified Scrum Master und ECM Master.
Wer seine Stammdaten nicht im Griff hat, ist weniger treffsicher in seinen Entscheidungen. Mit BPM und MDM können Unternehmen ihre Stammdaten gezielt für Forecasts und Marketingkampagnen nutzen.

"Gerne tauschen wir Ihnen das um. Das ist ja unser Vorteil als Ihr Partner vor Ort." Für die Abwicklung des Umtauschs bedarf es nur noch eines Formulars, das auch meine Personendaten enthält. Zu diesem Zweck sucht der freundliche Verkäufer des bekannten stationären Einzelhändlers für Medien- und Technologieprodukte im System nach meinem Datensatz.

Und siehe da - es gibt mich nicht nur ein einziges Mal, sondern gleich vier Mal im System. Hier war ich schon vielfach Kunde. Unbeirrt wählt der Verkäufer den dritten der vier Datensätze gleichen Namens - ob es wohl wirklich so viele "Ayelt Komus" als Kunden gibt? - und erstellt das benötigte Formular. Ich erhalte mein Geld und bleibe vierfach im System des Einzelhändlers.

Dieser Einzelhändler hat praktisch keine Chance, mich als Kunden zu klassifizieren; sei es als Kunden mit besonders hohem Umsatz, hohem Deckungsbeitrag oder auch nur als Kunde, der vielleicht alle Produkte direkt wieder umtauscht.

Nicht umsonst zählt der wohl schärfste Wettbewerber dieses Einzelhändlers, Amazon, zu den Champions für Business Intelligence, Big Data und Suche. Eric Schmid von Google verkündete gerade vor wenigen Tagen in Berlin, er sähe nicht etwa Yahoo! oder bing als schärfsten Wettbewerber von Google im Kerngeschäft der Suche, sondern eben Amazon, da diese über die weitreichendsten Kompetenzen in diesem Feld verfügen.

Materialstämme und Lieferantendaten im Blick

Nun sind nicht alle Unternehmen als Einzelhändler tätig, aber auch für sie gilt: Wer seine Stammdaten nicht im Griff hat, ist weniger treffsicher in seinen Entscheidungen und im wahrsten Sinne des Wortes "blind" und unfähig, Chancen zu ergreifen. Dies gilt nicht nur für die Kundendaten (Welcher Kunde erwirtschaftet, welchen Deckungsbeitrag? Wo liegt der individuelle Tipping Point, den Kunden zum nächsten Kauf zu bewegen? …), sondern genauso für andere Stammdaten wie Materialstämme, Lieferantendaten etc.

Business Intelligence, aber auch Process Intelligence, basiert auf korrekten, aktuellen, schnell verfügbaren, gut verwertbaren und konsolidierten Daten. Die alte Redensart "Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß" ist aktueller denn je und sie bezieht sich längst nicht mehr nur auf Bereiche wie Innovationsmanagement oder Forschung und Entwicklung.

Vielmehr berauben sich Unternehmen mit schlechtem Datenmanagement sowohl der Chance, die vorhandenen Daten zur systematischen Optimierung von Prozessen zu nutzen, als auch im speziellen Einzelfall rechtzeitig oder - besser noch - vorbeugend auf Prozessstörungen zu (re-)agieren.

Dabei gilt nicht nur, dass gute Stammdaten die Voraussetzung für gute Prozesse sind. Auch umgekehrt lebt Stammdatenmanagement von guten Prozessen. Wie überall, wenn es um Qualität geht, ist die Datenqualität nicht nachträglich durch Kontrolle und Korrektur (Dublettenbereinigung etc.) zu schaffen, sondern das Qualitätsbewusstsein und die entsprechenden Prozesse am Ort der Entstehung zu gewährleisten.

In oben dargestellter Situation hätte der Verkäufer die Chance gehabt, die Datensätze direkt zu konsolidieren und eventuell aufkommende Fragen direkt mit mir abzustimmen. Dazu bedarf es eines entsprechenden Bewusstseins und eben gut gemanagter Prozesse und Anreize zur Steigerung der Datenqualität.

BPM und MDM kämpfen mit den gleichen Herausforderungen

BPM und MDM hängen nicht nur voneinander ab, sie kämpfen auch mit den gleichen Herausforderungen. In beiden Disziplinen geht es darum, den Sinn von Optimierungen zu vermitteln und umzusetzen, selbst wenn der Nutzen an ganz anderer Stelle in der Organisation zutage tritt.

Gute Gründe also, die Themen Stammdatenmanagement und Business Process Management eng abzustimmen und synergetisch zu managen. Wie aber sieht hier der Status Quo in den Unternehmen aus?Eine Ad-hoc-Umfrage des BPM-Labors zeigt, dass nur 31% der Befragten eine enge organisatorische Integration der beiden Bereiche realisiert haben.

Sicherlich kann angesichts einer überschaubaren Teilnehmerzahl dieser Ad-hoc-Umfrage nicht uneingeschränkt auf die Gesamtheit der Unternehmen geschlossen werden, doch lassen die Resultate vermuten, dass das enge Zusammenspiel von BPM und MDM in den meisten Unternehmen noch ausbaufähig ist.

BPM und MDM: Zuständigkeiten in den Unternehmen
BPM und MDM: Zuständigkeiten in den Unternehmen
Foto: Ayelt Komus

Unternehmen, die bisher noch kein funktionierendes Stammdatenmanagement aufbauen konnten, sollten sich hier an den Erfolgsfaktoren des Prozessmanagements orientieren: Fokus, Nutzen, sichtbare Erfolge und Lernkurven sind erfolgsentscheidend für ein nachhaltiges und erfolgreiches Stammdatenmanagement.

Im ersten Schritt sollten diejenigen mit den Stammdaten eng verknüpften Prozesse identifiziert werden, die besondere Relevanz für das Unternehmen haben. In einem solch begrenzten Bereich können Erwartungen, Maßnahmen und Kenngrößen zur Messung der Fortschritte entwickelt und zügig umgesetzt werden. Die so realisierten Verbesserungen und Erfahrungen bilden den Ausgangspunkt für weitere Schritte, die zur Verbesserung von Prozessen und Informationsversorgung beitragen und so die Optimierung der gelebten Prozesse und Vertriebsaktivitäten unterstützen.