Die Verantwortung des Marktführers

24.05.1991

Dies vorweg: Es liegt immer noch im Ermessen des einzelnen Softwarehauses, sich für oder gegen eine Partnerschaft mit IBM zu entscheiden. Nichts läßt sich dagegen sagen, daß kleine und mittlere DV-Unternehmen von Geschäftsbeziehungen mit Big Blue profitieren - was in der Regel der Fall ist. Das heißt aber auch: kein Mitleid, wenn die Zusammenarbeit einmal in die Hose geht, wie bei dem mittelständischen Softwarehaus Stark (Seite 1). Und doch fällt es schwer, einfach zur Tagesordnung überzugehen, stellt sich heimlich das Gefühl ein, hier ginge etwas nicht mit rechten Dingen zu. Wobei nicht so sehr das Besondere im Falle Stark gemeint ist (Serie/l, BDE-Anwendungen, AIX), sondern die Situation der IBM-orientierten Softwarefirmen sowie der IBM-Kunden im allgemeinen. Man darf ja nicht übersehen, daß letztlich Anwenderinteressen tangiert werden, wenn ein Softwarehaus schließt.

Noch einmal: Was IBM - unter anderem in der Stark-Sache - tut beziehungsweise nicht tut, ist durchaus legitim. Desto wichtiger wird es, auf einen klitzekleinen, gleichwohl aber sehr wichtigen Unterschied hinzuweisen, wo nämlich - Rechtmäßigkeit hin oder her - die Verantwortung des Marktführers seinen Geschäftsfreunden gegenüber beginnt und wo sie endet. Wir können das auch "Grenze der Fairneß" nennen. Und hier ist daran zu erinnern, daß der Marktführer, was Fair play und Partnerschaft betrifft, zuletzt eine Tonlage zu laut gejubelt hat, zum Beispiel mit Aussagen wie: "Jahr des Anwenders" oder "IBM und Partner: Die Lösung".

"Werbung de Luxe", so könnten Zyniker das Partnerschaftsgeflunker der IBM nennen - wer daran glaubt, ist selber schuld. Da ist etwas dran. Auf der anderen Seite ist unbestritten, daß der Marktführer ernst genommen wird. Die dadurch erzeugte Loyalität der Kunden und der IBM-nahen Softwarehäuser schlägt sich für Big Blue letztlich als Gewinn in der Firmenbilanz nieder. Klar: In diesem Punkt (Profit) ist die IBM-Spitze ganz Ohr - was sagen wir: ganz Hirn, auf keinen Fall Herz. Das muß man wissen.

Die Verantwortung des Marktführers besteht trotzdem. Sie muß nicht aus einer vermeintlichen Abhängigkeit der IBM-Partner abgeleitet werden. Aber das Computergeschäft hat nun mal seine eigenen Gesetze. Es gibt indes Beispiele für leichtfertigen Umgang der IBM mit der Macht - der Fall Stark ist einer von vielen. Mit dem Umstieg von der Seriell auf AIX war das Scheitern nicht notwendig verbunden. Stark sieht das so. Und dann sind natürlich Anwender betroffen. Sie interessieren sich nach kurzer Zeit vielleicht nicht mehr für den Ausgang der Stark-Geschichte. Für ihre eigene DV-Situation sollten sie sich aber interessieren.

Übrigens: Das ist durchaus legitim.