Die US-Kunden informiert IBM besser

06.04.1979

Mit Ulrich Schröder, Geschäftsführer der ICC Internationale Computer & Consulting GmbH, Hamburg, sprach Elmar Elmauer

- Herr Schröder, die European Computer Leasing and Trading Association, kurz ECLAT genannt, hat sich vorgenommen, den europäischen Computeranwendern Informationen über die IBM-Preispolitik, über technische Spezifikationen und über Geschäftspraktiken der IBM in Europa näherzubringen. Wissen die Anwender so wenig über die IBM-Preispolitik, ihre technischen Spezifikationen und ihre Geschäftspraktiken?

Die Antwort ist auf jeden Fall ja. Es ist zum Beispiel dem deutschen Anwender nicht bekannt, daß die Vertriebsorganisation der IBM Deutschland tatsächlich nicht weiß, wann und in welcher Höhe Preisänderungen bei der IBM durchgeführt werden. Einer unserer Mitarbeiter in unserer Organisation war bis zum Februar vorigen Jahres direkt mit dem

Gremium bei der IBM in Nordamerika verknüpft und hat uns beschrieben, daß selbst IBM am

Tage X morgens nicht weiß, wie abends wirklich die endgültigen Preise aussehen . . .

- . . . Zwischenfrage: Die nationalen Gesellschaften verhungern am langen Arm?

Nein, verhungern ist falsch. IBM hat weltweit doch die Politik, Preisänderungen, Produktankündigungen und dergleichen nicht vorher anzukündigen. Dafür gibt's eine Reihe von Gründen, warum man das auch nicht darf. IBM hält sich tatsächlich daran.

- Können denn Sie als Leasing-Gesellschaft schneller an diese für den Kunden so wichtige Information kommen als die nationale IBM-Gesellschaft?

Wir können durch unsere Verbindungen eigentlich nur vierundzwanzig Stunden eher die exakten Informationen haben, weil wir direkt mit Nordamerika, natürlich über Telex und dergleichen, mit Partnerorganisationen verbunden sind. Das ist die direkte Antwort. Der zweite Teil: In Amerika ist es üblich, daß man Leasing-Organisationen sofort in gedruckter Form die gesamten Preise der IBM übergibt. In Deutschland gibt es zu diesem Punkt noch ein - wie soll ich sagen -, man betrachtet das Ganze irgendwie als Geheimnis, und es wird nur auf Anfrage die jeweilige Leasing-Organisation, respektive den Kunden, über sämtliche Preise informieren.

- Sind Sie der Meinung, daß der deutsche Kunde gegenüber dem US-Kunden benachteiligt wird, und können Sie das so präzisieren, daß insgesamt die User-Power in Europa oder in der Bundesrepublik geringer ist als die in den USA und deshalb die Information schlechter?

Zu Ihrer ersten Frage ein ganz großes Ja. In Amerika gibt es gedruckte sogenannte Consulting Manuals. Diese kann auf Anfrage jeder, das heißt der Anwender, die Leasing-Gesellschaft, die Konkurrenz, die Zeitung bei der IBM Nord-Amerika abonnieren. In diesen Manualen stehen die genauen Preise mit allen Einzelheiten und technischen Informationen gedruckt zur Verfügung. Dieser Punkt wird in Deutschland und generell in Europa sehr stiefmütterlich gehandhabt - de facto ist es auf einem offiziellen Wege nicht möglich, die gedruckten Unterlagen über Prise der IBM an Leasing-Organisationer, an Kunden und dergleichen auszuhändigen, da in entsprechenden Büchern der IBM Deutschland immer steht: Nur für den internen Gebrauch.

- Die Nachteile sehen Sie darin, daß damit den Kunden oder dem Außenstehenden ein Preisvergleich mit Konkurrenzprodukten oder auch mit Produkten, die innerhalb der lBM-Produktpalette konkurrieren, nicht möglich ist.

Der ist sehr schwierig. Der Kunde hier hat selbstverständlich seinen Vertriebsbeauftragten, der sein Vertriebshandbuch mitbringt und auf Kundenwunsch manchmal sogar irgendwelche Seiten kopiert und. dem Kunden übergibt. In der Regel aber ist eine detaillierte Analyse über eine neu zu beschaffende Anlage einschließlich Peripherie immer nur auf Anfrage möglich. Es wäre also wünschenswert, wenn der deutsche Kunde oder die deutsche Leasing-Gesellschaft in die gleiche Situation versetzt wird wie der Kunde in den USA: so, daß man sein IBM-Handbuch hinter sich am Schreibtisch: greifbar hat und ohne den Umweg über den VB sich mit Bändern, Platten, Hauptspeicher-Erweiterung und dergleichen selber beschäftigen kann und somit seine eigene Planung ohne das Zureden des Vertriebsbeauftragten der IBM durchführen kann.

- Herr Schröder, ein wesentlicher Punkt, um den sich ECLAT kümmern wird, lautet: Man werde das IBM-Management über sämtliche Verletzungen der bereits etablierten IBM-Politik seitens des IBM-Marketing und Außendienst-Personals unterrichten. Gibt es denn diese Verletzungen? Gibt es die in der Bundesrepublik, da doch gerade hier IBM mit einem sehr straffen Management und sehr seriös arbeitet?

Persönlich haben wir Verletzungen durch die IBM Deutschland äußerst selten erlebt Einfach aus dem Grunde, weil wir uns um ein gutes Verhältnis zu IBM bemühen. und bei Kundenadressen. bei denen wir das Gefühl haben, hier könnte sich ein Vertriebsbeauftragter nicht ganz an seine Richtlinien halten weisen wir den Kunden darauf hin daß er folgende wichtige Fragen zu stellen habe. Fragt der Kunde seinen IBM-Repräsentanten: Lieber Repräsentant der IBM ist es richtig, daß eine funkelnagelneue Maschine aus einem Werk der IBM in meinem Hause installiert oder eine bereits anderswo installierte Anlage, die ich mir selber beschaffe, bei der Installation durch die örtliche IBM gleich gut betreut wird. An dieser Stelle dann hat der IBM-Vertriebsbeauftragte nur klar und deutlich zu sagen: Ja Denn einen Unterschied gibt es offiziell aus dem Blickpunkt der IBM nicht.

- . . . offiziell nicht. Gibt-s den in praxis doch?

Natürlich Versetzen Sie sich bitte in die persönliche Lage des Vertriebsbeauftragten. Wenn eine durch ihn verkaufte oder an den Kunden vermietete Anlage installiert wird, erhält dieser Herr sicherlich Punkte. Ich möchte hier nicht auf Einzelheiten eingehen, aber der Vertriebsbeauftragte selber hat ein persönliches Interesse und so die örtliche IBM.

- Zu den Verletzungen, die Ihre Vereinigung der IBM vorwirft, gehört unter anderem der Punkt "Vorankündigung neuer Produkte, vorzeitige Ankündigung neuer Preise an ausgewählte Kunden". Was können Sie dagegen tun, und was finden Sie daran so übel?

IBM Deutschland weiß heute wirklich nicht, wann irgend etwas kommt, was kommt und zu welchen Preisen. In dem einen Fall: Wenn ich in der Stadt A bin und ein Kunde hat eine gewisse Situation, kann es also sehr dienlich sein zu sagen. Ende des Jahres kommt die H-Serie: Sie ist größer, ist billiger, kostet die Hälfte. In einem anderen Fall: In einer anderen Stadt könnte ein Vertriebsbeauftragter der IBM ein ganz anderes Interesse haben. Die Summe dieser gemachten Statements - gerne auch unter Namensnennung der jeweiligen Leute die diese Pre-Announcements oder hinter der Hand Informationen geben -, die Summe dieser Verstöße sollte dokumentiert werden, so daß man dann den deutschen Kunden gegenüber, und vor allem der IBM-Direktion Paris gegenüber, sagen kann: An der Stelle haben eure Leute verstoßen. Es gibt noch andere Dinge, die sehr interessant sind. Wir gehen davon aus, daß eine gekaufte Maschine einer Leasing-Gesellschaft genauso schnell und problemlos installiert wird wie eine andere. Sollte es sich zeigen, daß es irgendwo drei Wochen gedauert hat, um eine Kauf-Maschine zu installieren und erst durch die Mithilfe von Leasing-Organisationen der Kunden darauf hingewiesen wurde, daß hier die örtliche IBM sich an einige Regeln nicht genau gehalten hat, dann ist das so ein Verstoß.

- Und so etwas kommt vor?

Wenn solche Informationen bei einem Kunden von einem IBM-Mann kommen, dann sind das Fälle, für die sich ECLAT sehr interessiert, und wenn IBM Deutschland es weiß, daß nun nicht mehr jeder Kunde ein Einzelfall ist, sondern daß es eine sehr interessierte Stelle gibt, die derartige Dinge sammelt, dann wird IBM Deutschland sicherlich diese Aktivitäten sogar fördern. Ich gehe davon aus, IBM Deutschland möchte absolut reine Verhältnisse haben. Nur, die Verhältnisse müssen dokumentiert werden. Man sollte der IBM Deutschland respektive IBM Paris nicht Einzelvorgänge beschreiben, sondern allmonatlich die gelaufenen Cases auf den Tisch legen.

- Europäische Leasing-Gesellschaften und Broker rechnen sich hoch an, daß sie es in EngIand und seit kurzem auch in Frankreich durchsetzen konnten, daß es dort feste Installations- und Demontagepreise gibt. Die gibt es in der Bundesrepublik bisher nicht. Können Sie hier nachhelfen ?

In der Bundesrepublik haben wir selber einige Fälle, wo der IBM-technische Außendienst auf Anfrage sagt: Die Installation kostet 160 000 Mark. Bei näherem Hinsehen kostet es an anderer Stelle nur 70 000 Mark, das gleiche Gerät zu installieren. Das Nichtvorhandensein fester Preise kann heute noch als ein Unsicherheitsmoment in die Waage geworfen werden. Wir gehen davon aus, daß, auch zum Teil aufgrund unserer Bemühungen, IBM Deutschland jetzt darauf hingewiesen ist, daß man in Amerika und in England und seit geraumer Zeit auch in Frankreich dieses Thema aus der Welt geschaffen hat. Wir sind sicher und haben das von IBM Deutschland so erfahren, daß in Deutschland an diesem Thema aktiv gearbeitet wird. Wir gehen auch davon aus, daß wir in absehbarer Zeit eine ähnliche Regelung in Deutschland haben.

- Am 6. März hat sich das "Steering Komitee" der ECLAT zusammengefunden und den Beschluß gefaßt, ab sofort Regelverstöße der IBM Deutschland zu sammeln. Liegt schon was in dieser Mappe?

Wir sind hier eigentlich ein bißchen auf die Presse angewiesen, das heißt ECLAT will nicht 950 Adressen in der Bundesrepublik anschreiben und sagen: Bitte wendet euch an uns - entweder an die ICC, als die Hamburger ECLAT-Vertretung, oder direkt an die Pariser Adresse der ECLAT. Wir sind noch nicht soweit. Wir würden es aber sehr begrüßen, wenn Ihre Zeitung bei diesem Thema hilft.