Die Ursachen der Krise

26.07.2001

CW: Wie war es Ihrer Ansicht nach zu der Krise gekommen?

Köhler: Dafür lässt sich aus heutiger Sicht eine Reihe von Ursachen ausmachen. Zum Teil sind diese von CPU selbst zu verantworten, zum Teil sind sie durch die allgemeine Entwicklung am Neuen Markt, an dem die CPU-Aktie notiert ist, begründet.

Der Schwerpunkt der CPU Softwarehouse AG lag bis zum Börsengang im April 1999 auf den Bereichen Kredit und Baufinanzierung. Da die Finanzdienstleister ihren Kunden sukzessive zusätzliche Zugangswege wie Internet oder Handy-Banking anboten, entschied sich das damalige Management der CPU, das Softwareangebot um entsprechende Komponenten zu erweitern. Zusätzlich zu der Diversifizierung des Produktportfolios wurde eine Internationalisierung sowie die Bereitstellung von Beratungs- und anderen Dienstleistungen angestrebt. Das Unternehmen sollte in die Lage versetzt werden, ganzheitliche Systemlösungen anzubieten.

Auf diese Strategie reagierte der Markt zunächst euphorisch: Die Aktie war 29-fach überzeichnet und der Emissionspreis wurde mit 26 Euro am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne festgelegt. Die Erstnotierung der Aktie lag bei 58 Euro, in der Spitze erreichte das Papier 70 Euro. Heute lässt sich sagen, dass überzogene Emissionspreise am Neuen Markt und eine völlig irrationale Käufernachfrage zu einem unerwartet hohen Kapitalzufluss führten.

CW: Mit anderen Worten: Es war plötzlich sehr viel Geld in der Kasse, und man hat den Blick für die Realitäten verloren.

Köhler: So würde ich es nicht formulieren. Tatsache ist, dass der überraschend hohe Emissionserlös die rasche Umsetzung einer ambitionierten Wachsstumsstrategie geradezu herausforderte. Es folgten zahlreiche Akquisitionen, Beteiligungen und Kooperationen. Beim Zukauf neuer Firmen ließ sich das frühere CPU-Management nicht weniger blenden als andere Investoren am Neuen Markt: Einige der Tochterunternehmen wurden nach den heutigen Bewertungmaßstäben zu völlig überzogenen Preisen eingekauft.

Die Integration der Unternehmenstöchter und die in Angriff genommene Internationalisierung gestalteten sich aber viel schwieriger als erwartet. Die Zentralisierung von Steuerung und Kontrolle im Mutterhaus führte zu großen Konflikten, die nicht selten zur Abwanderung von Schlüsselpersonen und damit auch zentralen Kunden führte. Im gleichen Zuge, wie Umsatz verloren ging, wurden indes neue Mitarbeiter eingestellt, die Kosten liefen aus dem Ruder. Viele Unternehmen am Neuen Markt sind in diese klassische Wachstumsfalle getappt.

CW: Das Hineintappen in die viel zitierte Wachstumsfalle wird oft als eine Art Kavaliersdelikt dargestellt - eine Auffassung, die jetzt auch in Ihren Äußerungen durchschimmerte. Dabei handelt es sich doch um eklatante Management-Fehler, die zur Vernichtung großer Mengen von Anlegerkapital führten.

Köhler: Da haben Sie mich missverstanden. Ich meine vielmehr, dass einige grundsätzliche Fertigkeiten der Unternehmensführung von einer Vielzahl der Firmen am Neuen Markt nicht beherrscht werden. Allem voran fehlt eine gründliche zielmarktbezogene strategische und finanzielle Planung sowie ein aussagefähiges, zeitnahes Controlling. Kein Wunder also, dass die Kosten bei einigen Unternehmen ins Uferlose gehen und die Investitionsplanung einem Fass ohne Boden gleicht.