IT in der Medienbranche/Ein Ende des Wühlens in Karteikarten ist abzusehen

Die Uni-Bibliotheken bauen auf digitale Textrecherche

02.10.1998

Eine bibliografische Datenbank ist schon eine gewaltige Vereinfachung im Vergleich zur Suche in Büchern, aber nichts geht über Online-Recherchen. Sie bieten mehr Quellen und enthalten oftmals schon die Texte selbst, so daß auch eine Volltextrecherche möglich ist und der Text auf Wunsch gleich geliefert wird.

Dieser Service ist allerdings nicht ganz billig. Die Datenbankanbieter lassen sich die Recherchezeit und auch die übertragenen Daten teuer bezahlen. Da können durchaus mal einige hundert Mark anfallen. Deshalb wendet sich dieses Angebot eher an Wissenschaftler als an Studenten.

Die Recherche per CD-ROM ist für den Bibliotheksbenutzer hingegen kostenlos. Und sie führt dank einer meist relativ leicht zu bedienenden Retrieval-Software zu guten Ergebnissen, während man bei den Online-Datenbanken mit einer komplizierten Recherchesprache arbeiten muß. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit kommt auch der Computern nicht so freundlich gesonnene Geisteswissenschaftler für gewöhnlich mit der CD-ROM zurecht.

An vielen Universitäten muß man sich hierzu nicht mal in die Bibliothek bemühen. Uni-Angehörige können von ihrem Arbeitsplatz über das Intranet auf die CD-ROMs der Bibliothek zugreifen. Das ist gegebenenfalls auch von zu Hause aus per Modem möglich.

Bibliografische CD-ROM-Datenbanken aus dem angelsächsischen Raum verfügen häufig schon über eine CGI-Schnittstelle zum Web-Server, so daß der Benutzer lediglich einen gewöhnlichen Bowser für seine Recherche benötigt. Marktführer sind hier Silverplatter, Ovid und Dialog, über die Bibliotheken eine Vielzahl von Datenbanken beziehen können.

Bibliografien, die Publikationen aus dem deutschen Sprachraum abdecken, werden häufig von einzelnen Verlagen herausgegeben, deren Retrieval-Software zuweilen einen recht handgestrickten Eindruck macht. Allerdings sind die wesentlich professioneller gemachten internationalen Datenbanken auch um einiges teurer. Aus dem normalen Bibliotheksetat ist das häufig nicht mehr zu finanzieren, so daß hierfür immer wieder Sondermittel vom Kultusministerium benötigt werden.

Doch die Investitionen lohnen sich, denn außer der Tatsache, daß man sich für die Recherche nicht zur Bibliothek bemühen muß, bieten die elektronischen Bibliografien ganz andere Suchmöglichkeiten als ihre gedruckten Pendants. Da läßt sich auch zu einem ausgefallenen Spezialthema reichlich Literatur ausfindig machen.

Im nächsten Schritt gilt es dann festzustellen, ob die jeweiligen Bücher und Zeitschriften in der heimischen Universitätsbibliothek überhaupt vorhanden sind. Natürlich sucht man inzwischen auch hier digital. Statt Zettelkasten oder Mikrofiche benutzt man heute den "Online Public Access Catalog" (Opac), der auch über das WWW zugänglich ist und Bestellung, Vorbestellung oder Fristverlängerung ermöglicht. Ist die benötigte Literatur nicht vorhanden, erweitert man seine Suche auf den Bibliotheksverbund, einen Zusammenschluß einiger regionaler Bibliotheken. Auch das läßt sich über das Web erledigen. Wird man nun in einer anderen Bibliothek fündig, kann man sich über die Fernleihe die Bücher in die eigene Bibliothek kommen lassen, was allerdings dauert.

Handelt es sich um einen Aufsatz aus einer Zeitschrift, gibt es einen schnelleren, aber leider auch kostenpflichtigen Weg. Im Oktober 1994 beschlossen die Kultusministerkonferenz und der Bund die Einführung eines einheitlichen bundesweiten Dokumentenlieferdienstes, der die bereits seit einiger Zeit verfügbaren lokalen Dienste wohl nach und nach ersetzen wird.

Von Oktober letzten Jahres bis Dezember 1998 läuft die Pilotphase zu "Subito", dem Dokumentenlieferdienst der deutschen Bibliotheken. Drei größere Bibliotheksverbünde und einige Informations- und Servicezentren organisieren unter Federführung der Deutschen Bibliothek in Frankfurt am Main den Zugriff auf die Zeitschriftendatenbank ZDB. Dort kann man in einer Million Zeitschriftentiteln bis zurück zum Jahr 1945 recherchieren und bestellen.

Der Clou an Subito sind die verschiedenen Lieferformen. Neben Selbstabholung, Post und Kurier stehen Fax, E-Mail oder FTP zur Auswahl. Bei letzterem kann man zwischen passivem und aktivem FTP wählen. Entweder holt man sich das Dokument auf einem FTP-Server ab oder läßt es sich auf den eigenen FTP-Server legen.

Um ein Dokument bestellen zu können, muß man sich zunächst registrieren lassen, was ebenfalls Online möglich ist. Für nichtkommerzielle Verwendung sind je nach Lieferform zwischen fünf und zehn Mark für die ersten 20 Seiten fällig. Jede weitere Seite kostet dann 20 Pfennig. Für andere wird es je nach Lieferform und Bibliothek gut doppelt so teuer.

Während bei Subito noch Papier als "Speichermedium" dient, hat man sich nun auch an deutschen Bibliotheken der elektronischen Publikationen angenommen. So sammelt die Deutsche Bibliothek seit Juli 1998 elektronisch verfügbare Dissertationen und Habilitationen und macht sie über ihren OPAC recherchierbar. Wenn es urheberrechtlich gestattet ist, kann man sie dann direkt vom OPAC abrufen.

Interessant ist hierbei, daß die Deutsche Bibliothek zwischen Archivierungs- und Präsentationsformaten unterscheidet. Zur Archivierung sollen Formate verwendet werden, die eine gewisse Flexibilität in bezug auf künftige Darstellungsformen aufweisen, zum Beispiel SGML, XML oder HTML, und zur Präsentation jene, die gute Darstellungsqualitäten besitzen, etwa PDF oder Postscript.

Außer den Hochschulschriften will man in Zukunft auch deutschsprachige elektronische Zeitschriften aufnehmen. Zunächst sollen nur jene Publikationen Beachtung finden, die in ihrer Form mit herkömmlichen Zeitschriften vergleichbar sind. So wären ein regelmäßiger Erscheinungsrhythmus oder eine Zählung notwendige Voraussetzungen.

Da jede Bibliothek je nach Ausrichtung der Fachbereiche der entsprechenden Hochschule unterschiedliche Zeitschriften abonniert, erschwert dies eine zentralisierte Verwaltung. Die Universitätsbibliothek Regensburg hat sich in Kooperation mit der Universitätsbibliothek der TU München diesem Problem angenommen. Im Unterschied zum Frankfurter Ansatz werden hier die elektronischen Publikationen nicht zentral gespeichert, sondern lediglich in Form von Link-Listen verfügbar gemacht.

Einfacher Zugriff auf Publikationen

Jede bayerische Uni-Bibliothek stellt hierbei auf dem Regensburger Server für ihre Benutzer eine individuelle Link-Liste zusammen. Aus den insgesamt gut 2000 Zeitschriften werden dabei nur jene ausgewählt, die kostenlos sind oder für die man beim entsprechenden Verlag eine Zugangsberechtigung hat. Die Zeitschriften befinden sich also physisch beim Verlag, der dann über die IP-Adresse des Nutzers prüft, ob dieser auf die jeweilige Zeitschrift zugreifen darf.

Insgesamt erleichtern die neuen Medien sicher den Zugriff auf wissenschaftliche Publikationen. Allerdings erfordern die unterschiedlichen Zugangsweisen eine umständliche Recherche, da nur eine teilweise Kopplung zwischen den einzelnen Diensten vorliegt.

Die Firma Silverplatter hat dieses Problem erkannt und bietet seit diesem Sommer mit "Silverlinker" einen interessanten Lösungsansatz. Über einen Hyperlink kann man direkt nach einer Recherche in einer bibliografischen Datenbank auf den OPAC, ein Dokumentenliefersystem oder, falls die Bibliothek die Zeitschrift abonniert hat, auf den Volltext beim Verlag zugreifen.

Ein großer Vorteil elektronischer Publikationen liegt sicher in der Möglichkeit der Volltextrecherche. Weder Subito noch die Projekte in Frankfurt und Regensburg bieten das.

Das könnte Ovid, dem größten Konkurrenten von Silverplatter, zugute kommen. Ovid bietet neben bibliografischen Datenbanken die entsprechenden Volltexte als zusätzliche Datenbank an. Ein weiterer Vorteil für den Nutzer ist dabei, daß er immer unter derselben Oberfläche arbeiten kann. Leider ist die Zahl der verfügbaren Zeitschriften auf derzeit zirka 300 beschränkt.

Allen Ansätzen gemeinsam ist die Tatsache, daß der Benutzer schnell und bequem über das Internet auf die Publikation zugreifen kann. Das scheint das Print-Medium im zunehmend von Konkurrenzkampf geprägten wissenschaftlichen Umfeld in Bedrängnis zu bringen.

Angeklickt

Auch an deutschen Universitätsbibliotheken wurde unverkennbar das digitale Informationszeitalter eingeläutet. Wer vor mehr als zehn Jahren sein Studium beendet hat, würde heute deutliche Veränderungen erkennen. Der Einzug von reichlich digitalem Equipment in die ehrwürdigen Gemäuer hat die bibliografische Recherche und die Buchbestellung wesentlich vereinfacht und verbessert. Zwar muß man in aller Regel nach wie vor zur Bibliothek, um die Früchte seiner Recherche abzuholen, doch die virtuellen Bibliotheken von morgen befinden sich schon im Bau.

Michael Pietroforte ist Datenbank-Verantwortlicher bei der Universitätsbibliothek der Universität München.