"Einjähriges Baby hat seit 40 Jahren Rentenanspruch"

Die Umstellung auf das Jahr 2000 läuft auf Hochtouren

20.12.1996

Die Gründe für die Aufmerksamkeit sind bekannt. Dienstleister wie die Hamburger Emprise Software + Consulting GmbH, führen die Folgen von Untätigkeit mit fiktiven Schlagzeilen plastisch vor Augen: "Einjähriges Baby hat seit 40 Jahren Rentenansprüche", oder: "Mit 82 Jahren volljährig?"

Damit sich also die Anwendungen in gut drei Jahren nicht im Jahr 1900 wähnen und entsprechendes Chaos verursachen, müssen die bisher zweistelligen Datumsangaben in vierstellige umgewandelt werden. Zu diesem Zweck sind viele zum Teil betagte Programme nach solchen Angaben zu durchforsten. Im zweiten Schritt folgt die Umwandlung, danach eine ausgedehnte Testphase, in der ermittelt wird, ob das veränderte Programm noch läuft und in die Umgebung paßt, in der es normalerweise eingesetzt wird.

Die Kosten für die Umstellung sind gewaltig. Die Schätzung etwa der Gartner Group liegt bei 300 bis 600 Milliarden Dollar weltweit. Die IBM prognostiziert mit 368 Milliarden Dollar etwas genauer. Der europäische Anteil soll rund 127 Milliarden Dollar betragen. Dabei geht das Unternehmen, das selbst mit am meisten betroffen ist, von einem Preis von rund 60 Pfennigen pro Codezeile aus. Diese Zahlen vermitteln einen Eindruck vom Umfang der Projekte, die auf die Anwender zukommen.

Für eine Reihe von Unternehmen mit vielen Altanwendungen ist ein vollständiger Umstieg bis zum Jahr 2000 schon jetzt nicht mehr machbar. In dieser Einschätzung sind sich die meisten Dienstleister einig. Diese Firmen brauchen deswegen jedoch nicht zu verzweifeln, denn der 31. Dezember 1999 ist nicht überall die ausschlaggebende Deadline.

Im günstigen Fall kann sich nach einer eingehenden Analyse herausstellen, daß nur ein kleiner Teil der Datumsangaben in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends relevant wird. Einige Dienstleister schlagen vor, eine Trennlinie zum Beispiel im Jahr 1950 zu ziehen und dementsprechend nur Daten bis ins Jahr 2050 umzustellen. Auf diese Weise verringert sich der Aufwand, zudem gewinnt der Kunde Zeit für einen späteren Eingriff oder für das Ausmustern der alten Anwendungen.

Solche Teillösungen bieten sich auch für den ungünstigen Fall an, daß sich das Datumsproblem schon vor dem Jahr 2000 stellt. Davon sind beispielsweise Firmen betroffen, die langfristige Verträge abschließen, die im 20 Jahrhundert in Kraft treten, aber bis ins 21. gelten. So würde ein klassisches Cobol-Programm in einer Bank als Fälligkeitsdatum eines 1997 aufgenommen Kredits mit fünf Jahren Laufzeit das Jahr 1902 angeben.

Wichtig ist die Option einer schrittweisen Umstellung insbesondere für Firmen, bei denen in einigen Jahren der Umstieg auf ein teures Standardpaket wie etwa SAPs R/3 ansteht. Für sie rentiert sich vor einer teuren Softwaremigration eine vollständige Umwandlung aller zweistelligen in vierstellige Datumsangaben bestimmt nicht.

Am teuersten könnte es werden, wenn nichts getan wird. Anbieter wie Marktbeobachter sind sich einig, daß vor allem die personellen Probleme immer kritischer werden, je näher das Jahr 2000 rückt. Das steigert den Marktwert von Cobol- und PL/1-Programmierern gewaltig. Dann wird es wohl nicht mehr lange bei den von der IBM geschätzten Kosten von 60 Pfennigen pro Line of Code bleiben.

Jahr-2000-Dienstleister*

- Atoss Software GmbH, München- Computer Associates GmbH (CA), Darmstadt- Case Consult GmbH, Wiesbaden,- Clever Sys GmbH, Elbtal,- Compuware GmbH, Dreieich,- Debis Systemhaus GmbH, Stuttgart,- Digital Equipment GmbH, München,- Emprise Software + Consulting GmbH, Hamburg,- Ernst & Young RE, Utrecht,- Gehrke GmbH, Schwalmtal,- Hal Informatica GmbH, Rehlingen,- IBM GmbH, Stuttgart,- Integrata GmbH, Tübingen,- Interchip GmbH, München- Intersolv GmbH, Ismaning- Iris GmbH, Rottenburg,- Jota Logistik-Beratung GmbH, Gelnhausen,- Martin Botschen EDV-Beratung GmbH, Hamburg,- MDS Deutschland GmbH,- Micro Focus GmbH, München,- Mindware GmbH, Puchheim,- Oracle GmbH, München,- Platinum Technology GmbH, Düsseldorf- Prince Software Inc.,- Princeton Softech Inc., Princeton, New Jersey- R&O Software-Technik GmbH, München,- Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI), Münhen/Paderborn,- Softlab GmbH, München,- Software AG, Darmstadt,- Sterling Software GmbH, Düsseldorf und- Viasoft International GmbH, Wiesbaden.

Weitere Adressen, insbesondere von internationalen Anbietern, finden sich im Web unter: http://www.year2000.com.

*Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.