Management-Report/DV UND UMWELT

Die Toepfer-Verordnung ist momentan noch Stueckwerk

05.03.1993

Ueber ein Jahr heftiger Diskussionen liegt zwischen dem ersten und dem vorlaeufigen Arbeitspapier des Bundesministeriums fuer Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Der Inhalt des urspruenglichen Manuskripts war noch recht einfach: Der Haendler sollte als Anlaufstelle fuer den Anwender dienen, der Hersteller sich um das Recycling kuemmern und der Anwender die Finanzierung in Form von hoeheren Neupreisen uebernehmen. An diesem Prinzip hat sich auch in dem neueren Entwurf wenig geaendert. Allerdings hat die Diskussion mit dem Verband deutscher Industrie- und Anlagenbau (VDMA) und dem Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie (ZVEI) deutliche Spuren hinterlassen.

Der aktuelle Entwurf sieht vor, dass fuer eine nicht naeher definierte Uebergangszeit sowohl Vertreiber wie auch Hersteller fuer zurueckgegebene Geraete ein Entgelt verlangen duerfen, sofern diese vor dem Inkrafttreten der Elektronikschrott-Verordnung gekauft wurden. Danach muss der Haendler den Elektronikschrott kostenlos zuruecknehmen. Bei der neueren Version des Arbeitspapiers hinzugekommen ist auch eine weitere Entlastung fuer Hersteller und Haendler: sie sind nicht verpflichtet, Geraete der Konkurrenz zuruecknehmen, sondern koennen sich auf bestimmte Marken beschraenken.

Nach dem Vorbild des Gruenen Punkts gibt der Entwurf Herstellern und Haendlern die Moeglichkeit, ein gemeinsam finanziertes Ruecknahmesystem zu installieren. Das haette einen Vorteil. Bisher war naemlich unklar, wer fuer die Verwertung von Altgeraeten zustaendig sein sollte, deren Hersteller zum Zeitpunkt der Rueckgabe gar nicht mehr existieren - ein in der DV-Branche ueblich gewordenes Phaenomen.

Art des Ruecknahmesystems ist noch nicht geklaert

Hier koennte das gemeinsame Ruecknahmesystem einspringen. Bis jetzt sind die DV-Hersteller von dieser Idee nicht gerade begeistert, und viele haben bereits ihren eigenen Ruecknahmeservice organisiert.

Wie die Elektronikschrott-Verordnung letztendlich aussehen soll, ist noch nicht geklaert. Auch ueber die Hoehe der Recyclingabgabe gibt es noch keine konkrete Angaben. "Wir ueberlegen, ob es sinnvoll ist, keinen Pauschalpreis anzusetzen, sondern das Entgelt an der Entsorgungsfreundlichkeit der Geraete auszurichten", meint Hans-Juergen Kreft, Ministerialrat beim Umweltministerium. Die Regelung haette auch den Vorteil, dass die Hersteller einen Anreiz haetten, moeglich leicht recycelbare Produkte herzustellen. Das waere bei einem festgesetzten Preis nicht der Fall.

Nicht nur die Inhalte der Verordnung sind bis jetzt recht schwammig, auch der Zeitplan bewegt sich noch im Ungewissen. Nach dem neuesten Arbeitspapier soll die Ruecknahmepflicht ab 1. Januar 1994 gelten, doch auch das scheint nicht mehr sicher zu sein. "Mitte der 90er Jahre muesste das aktuell werden", lautet die wenig konkrete Auskunft des Umweltministeriums. Inzwischen haben VDMA und ZVEI weitere Kritikpunkte gesammelt. Sie fordern beispielsweise, dass auch die Hersteller von Vormaterialien wie Bildroehren, Kunststoffen oder Leiterplatten in die Pflicht genommen werden.

Die Verbaende lehnen zudem den angestrebten Termin zum 1. Januar 1994 ab. Diese Kritik nimmt Ministerialrat Kreft gelassen entgegen: "Die Industrie sammelt zunaechst Punkte, mit denen sie das Projekt schlechtmachen kann, und dazu gehoert auch, dass sie 1994 fuer unrealistisch haelt." Der ZVEI fordert zudem die Ruecknahme der Reststoffe durch die kommunale Abfallentsorgung.

Die letzte Forderung lehnt das Umweltamt entschieden ab: "Das ist ein Wunschdenken der Industrie.

Die kommunalen Spitzenverbaende haben eindeutig erklaert, dass sie da nicht mitmachen. Sie sind mit dem normalen Muell schon ueberfordert. Was sollen sie mit dem Computerschrott, den sowieso Spezialfirmen weiterverarbeiten muessen", erklaert Kreft.

Laut Verordnung sollen die Geraete in erster Linie wiederverwertet werden. Teile, fuer die es noch keine Verfahren zur Verwertung gibt, werden "der Abfallentsorgung zugefuehrt", so lautet die unpraezise Aussage des Arbeitspapiers. Auf die Frage, wer denn bestimmen soll, welche Teile zu verwerten und welche zu deponieren seien, antwortet das Umweltministerium eher kryptisch: "Das ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit."

Hier setzt die Kritik der Umweltverbaende an, die sich gegen die thermische Verwertung von Elektronikschrott wendet. "Die Verwertungsverfahren muessten auf Umweltvertraeglichkeit ueberprueft werden", fordert Joachim Lohse vom Oekopol in Hamburg. Er spricht sich auch gegen das "Down-Recycling" aus, bei dem beispielsweise Kunststoffe in minderwertige Sekundaerprodukte wie Fahrbahnpfosten, Parkbaenke oder Papierkoerbe weiterverarbeitet werden.

Down-Recycling ist keine Loesung

Auf diese Weise wuerde ein Grossteil der Problemstoffe wie Flammschutzmittel im Recyclingprodukt zwischengelagert, bevor es zu einem spaeteren Zeitpunkt unkontrolliert entsorgt, also meist verbrannt wuerde, wobei die Gefahr von Dioxinverseuchung bestuende. Deshalb sei "es vollkommen unzureichend, dass die Elektronikschrott-Verordnung sich auf die Regelung der Ruecknahme beschraenkt, aber keinerlei Aussagen ueber zugelassene oder nicht zulaessige Entsorgungswege macht."

Da die Vermeidung von Problemstoffen nur in beschraenktem Umfang moeglich sei, kommt aus Lohses Sicht nur die Verlaengerung der Produktlebensdauer in Frage. Dazu gehoerten Langzeitgarantien der Hersteller und beispielsweise Standards fuer die Geraeteabmessungen. "Wenn ein Geraet veraltet, betrifft das ja nicht gleich alle Teile. So liessen sich austauschbare Module auch in Neugeraeten wiederverwenden", meint Lohse. Er zweifelt zudem daran, dass die Elektronikschrott-Verordnung zu den gewuenschten Ruecklaufquoten fuehrt, da die Anreize fuer den Endverbraucher fehlten.

Zwar bietet schon ein Grossteil der Hersteller einen Ruecknahmeservice an, aber er wird bislang nur von wenigen Anwendern angenommen. So berichtet der Umweltbeauftragte der ICL Data GmbH in Duesseldorf, Hans-Joachim Schwarz, von einer Ruecklaufquote von fuenf bis zehn Prozent, was er als "viel zuwenig" einstuft. Allerdings rechnet er damit, dass die Zahl permanent ansteigen wird.

Die Augsburger NCR hat 1992 rund 210 Tonnen Computerschrott zurueckgenommen, der jedoch ueberwiegend aus MDT-Anlagen und nicht aus PCs stammt. Den Grund dafuer nennt Maximilian Scheppach, NCR- Mitarbeiter der Costumer Service Division und zustaendig fuer die Entsorgung: "Die kommerzielle Einsatzdauer der PCs betraegt zirka drei bis vier Jahre, die der privaten Nutzung aber bis zu zehn Jahre."

Als Recyclinggebuehr verlangen die Hersteller zirka 50 bis 80 Mark pro PC-Einheit. Die Geraete werden in die einzelnen Fraktionen - meist Eisen- und Metallschrott, Kunststoffe, Leiterplatten, Stecker, Kabel, Batterien und Glas - zerlegt, die an Drittfirmen zur Verwertung weitergegeben werden. Grosse Probleme bereiten hier immer noch die Bildroehren, die bis vor kurzem vollstaendig in Deponien landeten. Inzwischen gibt es Verfahren, die schwermetallhaltige Beschichtung, die allerdings auf der Sonderdeponie entsorgt werden muss, abzuloesen. Das bleihaltige Restglas der Wiederverwertung zuzufuehren, stoesst auf Widerstaende seitens der Glashersteller. "Sie sagen, dass das schon vor Jahren produzierte Glas eine andere Zusammensetzung habe und deshalb nicht wiederwertet werden koenne", meint Schwarz.

Von aehnlichen Erfahrungen kann NCR berichten: "Jede Glashuette hat ihr eigenes Bleigemisch und weigert sich deshalb, Bildschirmglas anzunehmen, dessen Zusammensetzung sie nicht kennt. Mit einer Norm fuer Bildschirmglas waere schon viel erreicht", meint Scheppach.

ICL Data hat erwogen, das bleihaltige Glas als Schleifmittel einzusetzen, habe sich dann aber entschlossen, es als Fuellmaterial in Bergwerken herzunehmen. "Dies kann aber nur eine mittelfristige Loesung sein", betont der Umweltbeauftragte Schwarz.

Diesen Weg lehnt NCR aus Umweltschutzgruenden ab. "Das Blei waescht sich nach rund 20 Jahren aus und landet im Grundwasser", erklaert Scheppach. Nach der Trennung der Glassorten und der Entnahme der Leuchtstoffe landet das Glas in der Industriekeramik, wo es in Fliesen eingearbeitet wird. Allerdings stoesst auch diese Methode auf die Kritik von Umweltschuetzern, da das Problem Bleiglas in den Fliesen zwar zwischengelagert, aber noch lange nicht geloest ist.

Auch bei den Kunststoffen ist die Weiterverarbeitung stark eingeschraenkt und findet in erster Linie in Form von "Down- Recycling" statt. Schwierigkeiten bereiten vor allem die bromierten Flammschutzmittel, die als Vorlaeufersubstanzen zu Dioxinen und Furanen gelten. "Viele europaeische Hersteller verzichten auf die bromhaltigen Zusaetze, aber bis die asiatischen Anbieter umstellen, vergeht sicher noch einige Zeit", meint Schwarz.

Bis jetzt laesst sich der Kunststoff nur bedingt weiterverarbeiten. Das liegt teilweise daran, dass oft noch ungekennzeichnete Mischstoffe Verwendung finden. "Die Kunststoffhersteller sollten sich darum kuemmern, dass das Regranulat wieder in den Produktionsprozess gelangt", fordert Scheppach. Deshalb sollte die Elektronikschrott-Verordnung seiner Ansicht nach auch die Vormaterialhersteller in die Pflicht nehmen.

Noch landet zuviel auf der Sonderdeponie

Beiden Umweltbeauftragten ist klar, dass die bisherige Recyclingpraxis nicht der Weisheit letzter Schluss ist. "Solange sich der Kreis nicht schliesst, ist das Ganze nur ein Stueckwerk", fasst Schwarz zusammen. Zudem muesse der Informationsaustausch zwischen Reyclingspezialist und Konstrukteuren intensiviert werden. Auch fuer Scheppach besteht das langfristige Ziel in einer Eins-zu-eins-Verwertung der Fraktionen.

Hier sind vor allem die Recycling-Unternehmen gefordert, bei denen die einzelnen Stoffe letztendlich landen. Diese Betriebe wiederum unterscheiden sich extrem in ihrer Arbeitsweise. "Es gibt Recyclinghoefe, die Elektronikschrott nur grob fraktionieren, um leicht verwertbare und gewinnbringende Metalle zu entnehmen. Der groessere Anteil der belasteten Reststoffe wird deponiert", berichtet Andre Pohl, zustaendig fuer Marketing und Projektentwicklung bei der Hellmann Service GmbH & Co KG in Osnabrueck, die einen Recycling-Komplettservice anbietet.

Serioese Betriebe zeichneten sich dadurch aus, dass sie die Geraete moeglichst in viele Fraktionen zerlegten, um sie so besser der Wiederverwertung zuzufuehren. Fuer Aussenstehende laesst sich die Qualitaet der Recyclingbetriebe schlecht feststellen. Auch Dekra und TUEV haetten noch keine einheitlichen Kriterien fuer diese Bewertung. Erste Ansaetze gebe es bei der Dekra, die ein Umweltsiegel erteile. Bei der Vergabe ist die Dekra allerdings recht freizuegig: "Das Siegel wird an Betriebe vergeben, die die derzeitigen gesetzlichen Umweltbestimmungen erfuellen", erklaert Pohl weiter.