Anwender vermissen TK-Wettbewerb bei der Datenkommunikation

Die TK-Preise sinken weiter - die Kosten steigen trotzdem

30.10.1998

Auf der Münchner Systems diskutierten Anwender und TK-Player mit der COMPUTERWOCHE über ihre bisherigen Erfahrungen im liberalisierten TK-Markt Deutschland. Trotz etlicher Unwägbarkeiten - etwa im Bereich Services - zeigten sich alle Beteiligten mit dem bisher erreichten im großen und ganzen zufrieden. Gleichzeitig mahnten sie zu Geduld, denn schließlich sei auch Rom nicht an einem Tag erbaut worden. Als Interessensvertreter von rund 40 Telekom-Herausforderern versprach Jürgen Grützner, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), daß seine Mitglieder alles unternähmen, damit es in Deutschland schneller einen funktionierenden Wettbewerbsmarkt gebe als in den anderen europäischen Ländern.

Eine Ankündigung, die Walter Grau, stellvertretender Vorsitzender der Anwendervereinigung Telecom eV, begrüßte. Allerdings, so sein Credo, habe die Liberalisierung bislang vor allem für die Privatkunden und mittelständischen Unternehmen zu einer spürbaren Entlastung geführt. Auf die Großunternehmen bezogen, fällt Graus Bilanz des freien TK-Marktes zurückhaltender aus, "diese Klientel konnte zwar ihre Kommunikationskosten ebenfalls senken, der ganze organisatorische Komplex blieb jedoch auf der Strecke". Der Anwendervertreter bemängelt in diesem Zusammenhang, daß besonders auf dem Gebiet der integrierten Netze im Wettbewerbsmarkt nicht viel passiert ist.

Ebenfalls als Mißerfolg der Deregulierung sieht Elmar Bille, Senior-Consultant bei der HMP Teleconsult AG, den zu kurz gekommenen Servicebereich. So berichtet der Berater aus seiner täglichen Praxis von Kunden, die keine oder teilweise falsche TK-Rechnungen erhalten. Zudem sei die Weiterleitung des Gebührenimpulses über verschiedene Netze immer noch ein Problem, wie auch die Netzqualität einiger Telekom-Konkurrenten Anlaß zur Klage gebe. Letztlich, so sein Fazit, sei auf der Seite der Herausforderer noch einiges zu tun.

Diese Kritik hört Guntram Krause, bei der Telekom-München für das Marketing Geschäftskunden zuständig, gern: "Die Telekom als Steigbügelhalter des Wettbewerbs ist eben in Sachen Qualität und Service immer noch das Maß der Dinge, an dem sich die neue Konkurrenz messen lassen muß." Und das Preisproblem, so sein Versprechen, werde der Konzern in den Griff bekommen.

Letztlich, so die Sicht des Anwendervertreters Grau, amüsiere ihn das Hickhack zwischen Telekom und Wettbewerbern in Sachen Regulierung und Preis. Allerdings müsse die Frage erlaubt sein, ob nicht eine andere Preisgestaltung des Regulierers zu mehr Wettbewerb auf der Netzseite führen könnte. Mit ihrer derzeitigen Preispolitik schreibe die Regulierungsbehörde nämlich das Netzmonopol der Telekom fest, da es sich für die Konkurrenten kaum rechne, in die eigene Infrastruktur zu investieren. Ein Blickwinkel, den VATM-Mann Grützner, nicht teilte, schließlich könne es nicht Selbstzweck sein, "aufgrund der hohen Telekom-Preise eigene Kabel zu verlegen und so unnütz Geld im Boden zu vergraben".

Angesprochen auf Anlaufschwierigkeiten - wie nicht ereichbare Netzbetreiber - bescheinigt Grau dem privaten Endkunden eine gewisse Ohnmacht, "denn der Privatmann hat kaum einen Einfluß auf Service und Qualität". Anders sehe es dagegen bei den Großkunden aus, "hier reden wir nicht über Qualität, sondern wir setzen diese voraus".

Selbst bei einem großen TK-Volumen, plaudert Grau aus dem eigenen Erfahrungsschatz in einem Großunternehmen, seien die Wettbewerber der Telekom nicht in der Lage, die geforderte Qualität im Bereich der Datenkommunikation zu erfüllen. Diese Erfahrung kann Berater Bille nur bestätigen, "der Wettbewerb findet eigentlich nur im Sprachbereich statt". Nach seiner Erfahrung erhält die Telekom bei Projekten in Sachen Datenkommunikation regelmäßig den Zuschlag.

Anwender wollen Qualität und mehr Dienste

Mit Blick in die Zukunft waren sich Anwender- und Carrier-Vertreter einig, daß zwar die Preise weiter sinken, die Kosten aber dennoch steigen. Ein Grund hierfür ist laut Grau die zunehmende Vernetzung der Rechner und das so explodierende Datenvolumen. Zudem werden die Anwender, so seine Prognose, künftig mehr Qualität und Dienste nachfragen. Uneinig war sich die Runde dagegen, wie in einem solchen Szenario ein Tarifmodell aussehen könnte: Gibt es ein einheitliches Tarifgebiet Deutschland, in dem nach Nutzungszeit abgerechnet wird, oder setzen sich die integrierten Netze durch, wo der Kunde nur noch für das Übertragungsvolumen bezahlt, egal ob Video-, Audio- oder Computerdaten über das Netz fließen.