Kolumne

"Die TK-Krise ist noch nicht beendet"

05.07.2002
Heinrich Vaske Chefredakteur CW

Rekordverschuldung, Ergebnisschwäche, unsichere Perspektiven und nun auch noch Worldcoms Bilanzbetrug - die TK-Branche steckt in der größten Krise ihrer Geschichte. "Es gibt eine gewisse Panik bei Telecom-Werten. Wenn man die Entwicklung sieht, könnten die Aktien durchaus auf einen Kurs nahe null fallen", orakelte ein Analyst von Salomon Oppenheim in der Wirtschaftspresse. Das ist natürlich übertrieben, aber woher die Erholung kommen soll, vermag auch niemand zu sagen.

Völlig unklar ist beispielsweise noch immer, wie die Deutsche Telekom ihren Schuldenberg von derzeit 67 Milliarden Euro jemals abbauen will. Das Mobilfunkgeschäft nähert sich der Sättigungsgrenze, aber die Telekom hat es in der Boomphase nicht geschafft, T-Mobile an die Börse zu bringen. Das Kabelgeschäft ist nach wie vor nicht vollständig verkauft, das Festnetzgeschäft verliert an Attraktivität, und möglicherweise endet die peinliche Affäre um die Immobilienbewertung mit einem handfesten Skandal.

All die schlechten Nachrichten ließen sich noch verkraften, wenn sicher wäre, dass der Wechsel auf das sündhaft teure UMTS-Geschäft jemals eingelöst würde. Aber das ist keineswegs ausgemacht, wie die ernüchternden Prognosen des Vorreiters NTT aus Japan zeigen. Ein UMTS-Erfolg setzt voraus, dass die Konsumenten bereit sind, ihre Lebenshaltungskosten umzuschichten und deutlich mehr als bisher für Medien und Kommunikation auszugeben. Das aber ist unwahrscheinlich. Das schwache Interesse etwa an I-Mode von E-Plus oder auch an Pay-TV à la Kirch belegen die Zurückhaltung der Bürger. Wohl oder übel werden sich die Anbieter auf heftige Preiskriege einlassen müssen - keine attraktive Aussicht bei Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe.

Vielleicht kommt es aber gar nicht erst so weit, weil der zu verteilende UMTS-Kuchen ohnehin viel kleiner sein wird als von den TK-Unternehmen erwartet. Einiges deutet darauf hin, dass sich das mobile Internet ähnlich wie das festnetzgebundene seine eigenen, verschlungenen, zum Teil anarchischen Wege zum Erfolg suchen wird. Das zeigt unter anderem die atemberaubende Verbreitung von Wireless LANs.

In Bahnhöfen, Flughäfen, Hotelketten, Biergärten, Cafés, Fußgängerzonen - überall entstehen Access Points, an denen sich mobile Benutzer problemlos zum Highspeed-Surfen anmelden können. Immer mehr Hersteller bieten ihre Portables mit WLAN-Zugang an. In Wohnsiedlungen fangen Bewohner an, in gemeinsamen Initiativen Funknetze einzurichten. Die Entwicklung galoppiert voran, eine Infrastruktur inklusive Roaming und UMTS-Anbindung ist längst in Arbeit.

Mit jedem dieser lokalen Netze schwinden die Perspektiven für UMTS - und das scheint man auch bei den Telecoms zu ahnen. In Frankreich ist angesichts der Perspektivlosigkeit und der horrenden Schulden bereits die Diskussion um eine Wiederverstaatlichung der France Télécom im Gang. Auch Ron Sommer spricht derzeit nur noch vom Schuldenabbau - das Finanzministerium wird ihn auf Dauer sicher nicht im Stich lassen.