Die Telekom will sich neu erfinden

07.02.2006
Um für die Zukunft gewappnet zu sein, kündigte Firmenchef Kai-Uwe Ricke einen weiteren Umbau des Konzerns an. Als Unwägbarkeit kritisierte er dabei die drohende Regulierung des geplanten Highspeed-Netzes.

Wir wollen nicht reguliert werden", forderte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke zur Eröffnung des 15. Internationalen Presse Kolloquiums des rosa Riesen in Berlin. Für den Aufbau eines neuen Hochgeschwindigkeitsnetzes brauche die Telekom klare Aussagen zu den langfristigen regulatorischen Vorgaben. Doch im erst kürzlich vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellten Entwurf zum neuen Telekommunikationsgesetz (TKG) fehlten diese leider. "Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können wir so investieren, wie wir es uns vorgenommen haben."

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• welchen Herausforderungen sich die Telekommunikationsbranche stellen muss;

• warum der rosa Riese nichts von Regulierung hält;

• wie die Telekom künftig Kunden anlocken will.

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Die Telekom hatte im zurückliegenden Jahr angekündigt, für rund drei Milliarden Euro ein neues, auf Glasfaserleitungen basierendes Breitbandnetz mit Übertragungsraten von bis zu 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) in Deutschland aufzubauen. Herkömmliche DSL-Netze bieten Bandbreiten zwischen 1 und 6 Mbit/s. Geplant sei keine marginale Modernisierung eines bestehenden Netzes, sondern ein beachtliches Investment in eine Zukunftstechnik, kündigte Ricke an. Dies müsse jedoch in kurzer Zeit umgesetzt werden, damit Deutschland in der weltweiten Spitzengruppe mithalten könne. "Die neuen Glasfasernetze werden die Zukunftsfähigkeit Deutschlands im internationalen Wettbewerb deutlich verbessern."

Allerdings geht es dem einstigen Staatsbetrieb nicht nur darum, das Land technisch voranzubringen, sondern auch um handfeste Geschäftschancen. Mit der Investition in das Hochgeschwindigkeitsnetz müsse ein entsprechender Return on Investment verbunden sein. Ricke erwartet Gewinne bereits in den ersten Ausbaustufen. Dabei gehe es jedoch nicht um Monopolgewinne, beeilt er sich zu versichern. Die Telekom wolle aber in einem neuen Markt ihr Schicksal selbst bestimmen. "Ansonsten ist das unternehmerische Risiko einer solchen Investitionssumme nicht vertretbar."

Die Bundesregierung hatte in ihrer Koalitionsvereinbarung vom Herbst 2005 durchklingen lassen, der Telekom beim Ausbau des neuen Hochleistungsnetzes eine befristete Regulierungsfreiheit zu gewähren. Mittlerweile liegt auch ein konkreter Gesetzesentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums auf dem Tisch. Neue Märkte sollten keiner unangemessenen Regulierung unterworfen werden, steht in dem Papier.

Konkurrenz fürchtet Monopol

Diese Überlegungen werden jedoch von den Wettbewerbern scharf kritisiert. Sie fürchten ein Monopol der Telekom auf das neue Hochgeschwindigkeitsnetz. Um dem entgegenzuwirken, hatten United Internet und Freenet angeboten, sich mit zusammen rund 700 Millionen Euro am Bau des Netzes zu beteiligen. Diese Pläne stießen bislang in der Bonner Telekom-Zentrale auf wenig Gegenliebe. Eckhard Spoerr, Vorstandsvorsitzender von Freenet, berichtete, die Telekom-Verantwortlichen hätten die Beteiligung abgelehnt. Es bestehe kein Interesse, habe es lapidar geheißen.

Damit steuert die Telekom auf den nächsten handfesten Regulierungskonflikt zu. Matthias Kurth, Chef der Bundesnetzagentur, hatte in den vergangenen Monaten wiederholt darauf gedrängt, Wettbewerber einzubeziehen. Die Telekom wäre gut beraten, wenn sie eine derartige Investition mit anderen Marktteilnehmern diskutiere. Sollte es zu einer einvernehmlichen Lösung kommen, sei eine Regulierungsfreiheit für das neue Netz vorstellbar.

Ob die Telekom, die mit dem Aufbau des Highspeed-Netzes längst begonnen hat, am Ende noch ausgebremst wird, ist unklar. Derweil träumt T-Com-Chef Walter Raizner bereits von den Chancen des neuen Netzes. Dieses sei der Schlüssel zu einer ganz neuen Welt der Telekommunikation, sagte er in Berlin. Bereits im Sommer sollen in zehn Städten über 4000 Kilometer Glasfaser verlegt sein. Rund 500 Millionen Euro will sich die Telekom diese erste Ausbaustufe kosten lassen. In der nächsten Stufe sollen bis 2007 weitere 40 Städte mit der neuen Technik versorgt werden.

Dabei werden die Wettbewerber jedoch nicht tatenlos zusehen. So hat beispielsweise der spanische Telefonkonzern Telefonica, der kürzlich die britischen Mobilfunker von O2 für 26 Milliarden Euro geschluckt hat, angekündigt, seine Konvergenzangebote auszubauen. Rund zehn Milliarden Euro sollen in den Ausbau des Breitbandnetzes fließen - zu einem guten Teil auch in Deutschland.

Geschäftsmodell wird zerlegt

Um sich für diesen Wettbewerb zu rüsten, dürften der Telekom weitere einschneidende Veränderungen ins Haus stehen. "Die Deutsche Telekom steht vor einer Zäsur", räumte Ricke in Berlin ein. Mit der fortschreitenden Konvergenz stehe die gesamte Branche vor gravierenden Veränderungen. Das Geschäftsmodell von Anschluss plus Transportleistung werde derzeit "mit der Abrissbirne zerlegt". Die Telekom müsse ihren Kunden künftig komplette individuell konfigurierbare Dienstleistungspakete offerieren. Dem entsprechend müsse man sich von einem Technikanbieter zu einem Dienstleister wandeln. Der künftige Erfolg werde maßgeblich davon abhängen, ob es gelinge, die Kunden mit diesen Angeboten langfristig an das Unternehmen zu binden. "Im Grunde sind wir alle derzeit damit befasst, unseren Konzern in weiten Teilen neu zu erfinden."