IDC-Analyse

Die Telekom kennt den Wert von T-Systems nicht

25.03.2008

Neue Märkte gibt es im ICT-Geschäft

Die meisten Telcos, inklusive Deutsche Telekom, unterhalten für die beschriebenen Herausforderungen keine adäquaten Betriebsstrukturen. Das auf drei Säulen (Mobilfunk, Festnetz, Geschäftskunden) ruhende Geschäft der Telekom ist überholt und entspricht nicht den Bedürfnissen der Kunden. Weit beunruhigender ist, dass der Konzern keine guten Ideen für die Zukunft hat und wenige Innovationen den Weg ins Portfolio finden. Die meisten Services, Produkte und Tarife, die in Bonn im vergangenen Jahr kreiert wurden, können Kunden in gleicher oder ähnlicher Form auch beim Wettbewerber bekommen.

Und die Situation wird unangenehmer. Neue Konkurrenten setzen der Telekom zu. Die Herausforderer kommen aus allen Branchen und Richtungen. Es sind System-Integratoren, Softwareanbieter, Dienstleister für Geschäftskunden, Online- und Marketing-Firmen, Betreiber von Web-2.0-Services und Gerätehersteller. Applikationen im Unified-Communications-Umfeld gewinnen auch in der professionellen Kommunikation an Gewicht und die Deutsche Telekom hat sich bislang in keinem der neuen Felder als Wegbereiter hervorgetan.

Doch IDC wäre kein Marktforschungshaus, wenn es nicht auch einige Ratschläge zur Hand hätte. Die Analysten raten der Telekom zu folgender internen Organisation:

  • Eine dem Kunden zugewandte Aufstellung: Die Bedürfnisse der Anwender erstrecken sich über die Geschäftsbereichgrenzen im Telekom-Konzern. Die Aufteilung nach Festnetz, Mobilfunk und Professional Services ist deshalb hinfällig. Anstatt sich nach internen Geschäftsbereichen zu organisieren, sollte sich der Carrier konsequent für Privatkunden und Geschäftskunden aufstellen.

  • Eine an Funktionen ausgerichtete Aufstellung: Eine ausgewogene betriebliche Organisation sollte sich an folgenden Aufgaben orientieren:

    1. Netzdesign, Rollout und Wartung.

    2. Entwicklung, Testing, Implementierung und Projekt-Management.

    3. Servicebetrieb, Kundenbetreuung von Presales und Beratung bis After-Sales und Kundenpflege.

  • Produkt- und Serviceentwicklung: Eine zentrale Einheit sollte sich in der Entwicklung von Produkten und Services frei zwischen den Anforderungen von Mobilfunk, Festnetz, Online und traditionelle Geschäften bewegen. Doch selbst wenn die Deutschen Telekom neue Lösungen hätte, fehlte es ihr an den erforderlichen Vertriebskanälen im Privat- und Geschäftskundensegment. Der schleppende Zuspruch für das IP-TV-Angebot und die dürfte Geschäftsentwicklung von T-Systems sprechen Bände.

  • Professional Services: Telcos mit Ambitionen im ICT-Geschäft müssen sich auf die Prozesse ihrer Geschäftskunden konzentrieren und dazu schlagkräftige Service-Provider unterhalten. Ohne das IT- und System-Integrations-Know-how von T-Systems wird sich die Deutsche Telekom nicht gegen die Konkurrenz erwehren können, zumal ihr auch das Beratungs-Know-how fehlt. Eine eigene Consulting-Einheit ist nicht zwingend, eine Partnerschaft in diesem Segment dagegen schon.

Unter diesem Blickwinkel sollte T-Systems eine wichtige Rolle in einem Konzern spielen, der insgesamt eine Verjüngungskur braucht. Die IT-Tochter kann zwar nicht die Lücken im Applikations- und Softwaregeschäft schließen, sie bietet dem Konzern aber - verglichen mit Telcos in anderen Ländern - ein Standbein im professionellen Servicemarkt.

Was kann Cognizant leisten?

Verwundert haben sich die Analysten die Augen gerieben, als Cognizant und T-Systems Anfang März der Öffentlichkeit eine Partnerschaft auf Augenhöhe vorstellten. T-Systems ist deutlich größer als Cognizant, rechnet IDC vor: Führte man beide Unternehmen zusammen, würde die Telekom-Tochter 89 Prozent vom kombinierten Umsatz und 104 Prozent vom Operating Free Cash Flow stellen. Obwohl T-Systems keine Alternative habe und sicher besser mit als ohne Offshore-Partner fahre, scheint es den Analysten so, als ob Cognizant in den Verhandlungen das bessere Los gezogen habe. Als bedenklich erachtet IDC zudem, dass der Partnerschaft Kontrollmechanismen etwa in den finanziellen Zielen und im angestrebten Synergiepotenzial fehlen. Es steht zu hoffen, dass die Deutsche Telekom intern mehr Details vereinbart hat.

Gemessen am Zahlenwerk ist T-Systems Senior Partner. Dennoch betreibt das Unternehmen mit Cognizant eine Partnerschaft auf Augehöhe.
Gemessen am Zahlenwerk ist T-Systems Senior Partner. Dennoch betreibt das Unternehmen mit Cognizant eine Partnerschaft auf Augehöhe.
Foto: Deutsche Telekom, Cognizant, IDC

Immerhin hat der Konzern ein Bekenntnis zu T-Systems abgelegt und betont, dass die Partnerschaft mit Cognizant die strategische Bedeutung von T-Systems im Unternehmen unterstreicht. Einen Fahrplan, wie die Deutsche Telekom die Möglichkeiten von T-Systems in die Konzernstrategie einfließen lassen möchte, gibt es bislang nicht.

Die Kooperationsform bietet weder eine schnelle noch eine allumfassende Lösung der vergangenen Probleme, sie wird das Unternehmen dennoch deutlich verändern. Mit Cognizant an der Seite wird T-Systems in einem Jahr völlig anders aufgestellt sein als heute. Zur Gefahr wird der Wandlungsprozess laut IDC, wenn das Management lediglich Sparziele verfolgt und aus der Partnerschaft keine Strategie entwickelt. Das gilt nicht nur für T-Systems, sondern auch für die Deutsche Telekom. Sparen schafft keine nachhaltige Position im ICT-Markt. Dazu sind integrierte Services nötig.

Last, but not least warnt IDC vor Unstimmigkeiten in der Partnerschaft. Immerhin stoßen zwei Firmen mit unterschiedlichen Unternehmenskulturen aufeinander. Wie diese miteinander harmonieren wird sich in den ersten Projekten zeigen. Spätestens dann wird die Frage zu klären sein: "Wer ist der Boss?" (jha)