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Die Telekom hat ein Beamtenproblem

27.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Deutsche Telekom hat in den vergangenen Jahren mit spektakulären Innovationen einen rasanten Wandel vollzogen - nur eines schleppt sie immer noch mit: Die Beamten aus den alten Zeiten der "amtlichen" Bundespost. Fast 60.000 unkündbare Mitarbeiter in der Festnetzsparte T-Com sind für den Konzern nach Angaben aus Vorstandskreisen eine schwere Hypothek. Allein für die früheren Staatsbediensteten fallen jährlich mehr als drei Milliarden Euro Personalkosten an. Viele sind bei Vivento "geparkt", der Personalservice-Agentur der Telekom, andere zur Zeit ausgeliehen wie bei der Bundesagentur für Arbeit.

Zum Vergleich: Der größte Telekom-Wettbewerber Arcor beschäftigt gerade einmal 4.000 Mitarbeiter. Während andere Großkonzerne Tausende von Arbeitsplätzen streichen und so die Margen heraufschrauben, sind der Telekom die Hände gebunden.

Inzwischen erzielt der "rosa Riese" in der Mobilfunksparte mit 25 Milliarden Euro (2004) mehr Umsatz als im deutschen Festnetz (23,9 Mrd Euro), der einst sprudelnden Geldquelle des Konzerns. Noch dramatischer wird die Lage, fällt der Blick auf die Produktivität: So erwirtschaftet ein Beschäftigter im Mobilfunk mehr als doppelt so viel Umsatz und Ertrag wie sein Kollege aus dem Festnetz. Dabei hat die T-Com-Belegschaft bereits kräftig bluten müssen.

Seit 1995 wurden jährlich im Schnitt 10.000 Arbeitsplätze bei dem Bonner Koloss abgebaut, hauptsächlich im Festnetzbereich. Doch allmählich droht dem Unternehmen die Vergreisung, wenn zur weiteren Produktivitätssteigerung dort Stellen entfallen, wo sich Ideen und Talente am ehesten entfalten: bei den jüngeren Beschäftigten. Rund 110.000 Menschen stehen derzeit bei der T-Com in Lohn und Brot. Und es müssten nach Ansicht des Telekom-Vorstands noch deutlich weniger sein.

"Wir haben keine Luft zum Atmen mehr", beschreibt ein Telekom-Manager die prekäre Lage. Nicht nur im klassischen Telefongeschäft, von dem die Telekom ohnehin schon viel an die Konkurrenz abgegeben hat, sondern auch beim schnellen Internet-Zugang, dem DSL-Geschäft, gerät das Unternehmen unter Druck.

In die Zange genommen fühlt sich der Konzern vor allem von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. So sieht Behördenpräsident Matthias Kurth beim ehemaligen Staatsbetrieb weiterhin erheblichen Regulierungsbedarf. Das gilt besonders für Produkte, die die Konkurrenten als Vorleistung einkaufen müssen. Und wer den Netzzugang zum Endkunden so beherrsche, dem müsse beharrlich auf die Finger geschaut werden.

Die Telekom hält es dagegen für unfair, wenn auf einen Seite die Einnahmen staatlich angeordnet (Vorleistungen), ihr aber auf der anderen Seite die Chancen für Kosteneinsparungen genommen werden (Beamte). Dabei gibt es nach Telekom-Ansicht durchaus Potenzial zur Deregulierung. Hierzu gehörten etwa Telefonverbindungen ins Ausland, Mietleitungen im Fernsegment oder die Durchleitung von einem Netz zum anderen.

Auch Wissenschaftler warnen davor, die Regulierung zu überziehen und damit Innovationen abzuwürgen. "Gerade die Ausnutzung von Marktmacht schafft die notwendigen Anreize, risikoreiche Investitionen zu tätigen", schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unlängst über die Regulierung neuer Netze auf den Telekommunikationsmärkten.

"Das Virus der Überregulierung breitet sich aus", urteilt auch Günter Knieps, Professor für Verkehrswissenschaft und Regionalpolitik an der Universität Freiburg in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". So gebe es inzwischen bei den Fernnetzen wegen massiver Investitionen einen vielfältigen Wettbewerb. Es sei deshalb eine logische Folge, dass sich bei der sektorspezifischen Regulierung anders als bei Energie oder Bahn die Frage des Verfallsdatums stelle.

Bei der Telekom gibt man sich inzwischen bescheiden: "Wenn doch nur ein Signal aus der Regulierungsbehörde käme, das würde schon Eisberge versetzen", glaubt ein Konzern-Manager. Doch eine Ende der Regulierung ist nicht in Sicht und das ist keine gute Nachricht für Karl-Gerhard Eick. Für milliardenschwere Festnetzinvestitionen wird der Finanzchef der Telekom vorerst nur ungern Gelder locker machen. (dpa/tc)