Testprojekte mit Anwendern gibt es kaum

Die Telecoms stolpern ins Jahr 2000

23.10.1998

Optimistisch schätzten die großen Anbieter der TK-Branche zunächst, daß sie bis Ende 1998 das Jahr-2000-Problem bewältigt haben würden. Mittlerweile zeigt sich bereits, daß sie dieses Etappenziel nicht erreichen werden. Bis Mitte 1999 werden die Telcos mit der Inventur beschäftigt sein, um dann Hard- und Software aufzurüsten. "Sie werden bis zur letzten Minute testen", vermutet Ronnie Lee Bennet, Management-Director für Jahr-2000-Belange bei Lucent.

Dabei scheinen die Carrier zu vergessen, daß sie nicht allein sind. Ihre Kunden nutzen nicht selten die Leitungen der Telcos für ihre Geschäfte, so daß auch sie von einem Netzausfall im Januar 2000 betroffen wären. Auch Interoperabilitätstests zwischen der überarbeiteten Infrastruktur der Carrier und der ihrer Kundschaft gibt es kaum. Auf Einladungen zu derartigen Prüfungen warten die Unternehmen bisher vergebens. "Wir gehen zu jedem einzelnen Carrier und fragen nach dem Stand", erläuterte ein Telecom-Manager an der Wall Street. "Dort herrscht allerdings die große Unkenntnis."

Das sind Vorwürfe, die die deutschen Carrier weit von sich weisen. Die Deutsche Telekom installierte ein Jahr-2000-Projektteam, das seine Arbeiten bis Mitte nächsten Jahres abschließen soll. Auch bei Mannesmann Arcor sind laut Angaben eines Unternehmenssprechers entsprechende Vorbereitungen angelaufen. Dennoch läßt sich derzeit nicht mit Bestimmtheit sagen, was am Neujahrstag 2000 geschehen wird.

"Sie können das Netzwerk nicht herunterfahren, um einen Test vorzunehmen", sagte John Pasqua, Vice-President bei AT&T. Telekom-Sprecher Ulrich Lissek bestätigt: "Es gibt einfach keine Erfahrungswerte."

So bleibt den Anwendern nichts anderes übrig, als zunächst ihre eigene Infrastruktur Jahr-2000-fest zu machen, das überarbeitete Equipment - wenn möglich - mit dem der Carrier zu testen und dann auf einen problemlosen Jahreswechsel zu hoffen. Doch schon beim ersten Schritt scheinen viele Unternehmen allzu sorglos zu sein. Das mag auch an den Gerätelieferanten liegen, die dieses Problem viel zu spät angingen.

So produzierte Nortel Networks erst im November 1997 die erste Jahr-2000-sichere Software für ihre Vermittlungsanlagen "DMS-100". Mittlerweile sollen 97 Prozent der installierten Geräte aufgerüstet worden sein. Lucent meldet, daß rund 90 Prozent seiner beim Kunden betriebenen Switches entsprechend überarbeitet wurden. Eine schlechtere Quote erreicht dagegen die US-Niederlassung von Siemens. Im ersten Quartal dieses Jahres kam die erste Millennium-feste Software auf den Markt. Aufgrund dieser späten Auslieferung haben erst 70 Prozent der Siemens-Kunden in den USA ihre TK-Anlagen aufgerüstet.