Mikroelektronik kann Arbeitsplätze durchaus attraktiver machen:

Die Technikauswirkungen sind gestaltbar

19.11.1982

BERLIN (nw) - Mikroelektronik kann dazu beitragen. Arbeitsplätze zu erhalten und zu verbessern. wenn sie zur Steigerung der Flexibilität im Betrieb eingesetzt wird. Dies ist das Ergebnis einer Studie mit dem Titel: "Mikroelektronik und Arbeit in der Industrie" über Erfahrungen beim Einsatz von CNC-Maschinen in Großbritannien und der Bundesrepublik.

Am Beispiel computergesteuerter Werkzeugmaschinen in der industriellen Fertigung (CNC-Technik) stellten das Internationale Institut für Management und Verwaltung (IlMV/Sektion Arbeitsmarktpolitik) am Wissenschaftszentrum Berlin und das Management College Henley fest, daß die Auswirkungen der Mikroelektronik nicht nur die Technik festlegt, sondern durchaus gestaltbar sind. Unternehmensfallstudien hätten nämlich gezeigt, daß gerade kleinere Betriebe, häufig Benutzer dieser Technik, eigene Strategien entwickelten: Sie nutzten die Maschinen nicht nur zur Rationalisierung und damit zur Arbeitsersparnis, sondern erhöhten mit Hilfe der neuen Technik die Flexibilität ihrer Fertigungsorganisation und des Arbeitseinsatzes.

Die Wissenschaftler äußern die Ansicht, daß computergesteuerte Maschinen die Ausnutzung von Marktnischen erleichtern, indem nicht nur neuartige Produkte, sondern auch eine größere Vielfalt von Produktvarianten kostengünstig angeboten werden könnten. Im Betrieb setze das eine hohe Flexibilität in der Fertigung von Teilen und häufigere Umstellung der Maschinen voraus. Werde die Mikroelektronik so eingesetzt, wirke sie gleichzeitig der Polarisierung von Qualifikationen der Mitarbeiter und einer festgelegten Arbeitsteilung entgegen.

Die in der Untersuchung beobachteten Trends zu kleinen Serien und größerer Produktvielfalt führten zu organisatorischen Lösungen im Betrieb, die arbeitsvorbereitende und ausführende Tätigkeiten einander wieder näherrücken. Die Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von einer "Renaissance" des Facharbeiters, auf dessen Fertigkeiten sich der optimale Einsatz computergesteuerter Maschinen stützen müsse.

Indem sich Informationsverarbeitung in einer größeren Zahl von Berufen ausbreite, bleibe sie nicht mehr auf Spezialisten beschränkt, sondern trage zur Weiterentwicklung vorhandener Berufe bei. Mittelfristig könnte durch den Einsatz von Mikroelektronik damit die Anziehungskraft der Facharbeiterlaufbahn erhöht werden, meinen die Wissenschaftler .

Der jetzt vorgelegte Projektbericht stützt sich auf eine vergleichende Analyse von deutschen und britischen Betrieben, die Erfahrung in der Anwendung mikroelektronischer Technik haben. Ausgewählt wurde die CNC-Technik als eine der wichtigsten Anwendungen der Mikroelektronik in der Industrie. Die Wissenschaftler beschreiben ausführlich die Bandbreite der gefundenen organisatorischen Lösungen und die Rahmenbedingungen für die jeweils gewählte Anwendung der neuen Technik. Sie warnen vor einer Gleichsetzung von CNC-Technik mit "Informationsberufen" oder reiner Datenverarbeitung.

In den untersuchten Betrieben habe sich gezeigt, daß trotz sprunghafter Zunahme der CNC-Maschinen die Anzahl der Arbeitsplaner und Programmierer ungefähr konstant blieb. Weiterhin beruhten sowohl der Reiz wie die mögliche Belastung an CNC-Bedienerarbeitsplätzen darauf, daß ein wesentlich komplexerer, präzisierter und schnellerer Bearbeitungsprozeß zu meistern sei. Demgegenüber trete die reine Datenverarbeitung in den Hintergrund, da sie zunehmend erleichtert und instrumentalisiert werde.

Dieser Befund sei keine Besonderheit allein der CNC-Technik. Vielmehr scheint es charakteristisch für eine Vielzahl von Mikroelektronikanwendungen zu sein, daß sie eher die fachliche Weiterentwicklung bestehender Berufe als die Auswertung ausschließlich informationsverarbeitender Berufe förderten.

Die Studie ist im Kampus Verlag, Frankfurt, New York, 1982 erschienen. Die Autoren sind Arndt Wörge, Gert Hermann, Malcolm Warner und Jan Nicholas.