Die "System Network Architecture"- Entstehung, Struktur, technische Möglichkeiten Wie der IBM-PC in die SNA-Welt integriert werden kann

13.07.1984

Geschäft ein, und zwar mit Baugruppen für den Anschluß seines PC an die Systeme /34, /36 und /38 sowie mit neu entwickelten Rechnern zur Integration in Netze, deren Mittelpunkt Großrechner der Serien /370, 308X oder 43XX sind. Angesichts der Bedeutung, die IBMs "System Network Architecture" (SNA) damit für die PC-Welt bekommt, wollen wir in diesem Beitrag dessen Entstehung, Struktur und technische Möglichkeiten beschreiben.

Die IBM macht es den Anbietern von Personal Computern (PC) nicht leicht, ihre Geräte in ein DFU-Netz einzubinden. Die diversen Datenkommunikations-Monitore, Betriebssysteme und Übertragungsprotokolle der IBM-Welt erfordern unterschiedliche Hard- und Softwareprodukte, um die Mikros in IBM-Netz einzubinden. Und als die Anbieter von Zusatzboards oder Zusatzboxen den Anschluß beliebiger asynchroner Endgeräte an IBM-Anlagen bieten konnten, stieg der DV-Riese selbst in das lukrative.

Die ersten Rechner waren bekanntlich für wissenschaftliche und militärische Anwendungen entwickelt. In Karten eingestanzte Daten wurden zur Verarbeitung in den Rechner eingelesen und die Resultate auf einem Drucker ausgegeben. Diese Technik, mit dem Rechner zu kommunizieren, war und ist jedoch für breite Anwenderkreise ungeeignet. Gerade kommerzielle Anwendungen wie Kreditauskünfte oder Buchungswesen erforderten Rechner, mit denen die Benutzer einen unmittelbaren Dialog führen konnte.

Zur Befriedigung dieser Forderung wurden schreibmaschinenähnliche Einheiten entwickelt, die in gleicher Weise an den Rechner angeschlossen wurden wie Kartenstanzer, Magnetbandeinheiten oder Drucker. Durch die Kombination einer Tastatur und eines Druckers war der Benutzer in der Lage, Informationen direkt einzugeben und die Antwort auf Benutzeranforderungen unmittelbar schwarz auf weiß zu erhalten. Der Dialogverkehr und die Dialogstation waren geboren.

Anwender jedoch, deren Betriebsstätten sich in einiger Entfernung vom Rechenzentrum befanden, transportierten weiterhin Karten und Listen zwischen Rechenzentrum und ihrem Betriebsgebäude. Für diese Benutzer war ein interaktiver Datenaustausch erst möglich, als Datenstationen und Rechner über Telefonleitungen miteinander verbunden werden konnten. Eine Übertragungssteuereinheit steuerte die Leitung über eine gemischte Prozedur aus Leitungs- und Geräte-Steuerung. Ein Programm im Rechner überwachte die Steuereinheit, formatierte die Daten und steuerte den Betrieb der Datenstationen. Anwendungsentwicklungen wurden dadurch erschwert, daß die geräteabhängige Unterstützung in jedem Anwendungsprogramm für jeden Terminaltyp vorgesehen werden mußte.

Obwohl die Datenfernverarbeitung dem Benutzer viele Vorteile bot, waren Systemänderungen wegen ihrer Auswirkungen auf die Anwendungsprogramme kostspielig und zeitaufwendig. Mit der weiteren Computerentwicklung wuchs die Zahl der entfernt anzuschließenden Datenstationen. Mehrpunktverbindungen reduzierten die Leitungskosten, da sich mehrere kompatible Datenstationen dieselbe Leitung teilen konnten. Miteinander nicht kompatible Datenstationen benötigten weiterhin sowohl eine spezielle Programmunterstützung als auch eine eigene Leitung. Die Effektivität des Systems litt darunter, daß Teile der Rechnerkapazität Netz-Steuerfunktionen zugeordnet werden mußten und damit Anwendungsfunktionen entzogen wurden. Große Netze erfordern statt dessen Übertragungssteuereinheiten, die in der Lage sind, dem Rechner DFU-Steuerfunktionen abzunehmen und somit den Anwendungsprogrammen wieder zusätzliche Rechnerleistungen zuzuteilen.

Im September 1974 übernahm IBM durch die Ankündigung der Version 1 von SNA die Führungsrolle bei der Einführung einer neuen Netzstrategie, die einen Großteil der geschilderten Schwierigkeiten ausschaltet. Die Version 2 brachte bessere Leistung bezüglich Durchsatz und Verarbeitungszeit, jedoch war nach wie vor ein Netz um einen einzigen Rechner herum vorgesehen. Diese letzte Einschränkung beseitigte die Version 3, die IBM im November 1976 als "Advanced Communications Function (ACF)" ankündigte. Dadurch konnte erstmals zwischen mehreren Rechnern ein Netz aufgebaut und von einem Terminal aus auf mehrere Rechner zugegriffen werden. Mit der Version 4.2 stand schließlich ein System zur Verfügung, das es gestattete, für den Fall des Ausfalls eines Netzknotens alternative Wege zu definieren, ohne das gesamte System neu zu generieren.

Soll ein PC in eine solche Umgebung eingebaut werden, so muß er einen SNA-Knoten emulieren, und zwar entweder eine Leitzentrale (Cluster Controller) oder eine Datenstation, die an eine Leitzentrale angeschlossen ist.

Als solcher muß er nicht nur das Protokoll SDLC, sondern die gesamte Anwendungsunterstützung eines SNA-Knotens bereitstellen. Dazu gehört die Implementierung eines sogenannten Systemanschlußpunktes (physical unit) zur Aktivierung und Deaktivierung eines Knotens ebenso wie die Bereitstellung eines Benutzeranschlußpunktes (logical unit), der für den Endbenutzer beziehungsweise sein Anwendungsprogramm die notwendigen Protokolle zur Verfügung stellt, die er benötigt, wenn er mit anderen Endbenutzern in Kommunikation treten will.

Das Gerätespektrum der IBM ist nun so aufgeteilt, daß man im Großrechnerbereich Datenstationen der Geräteklasse 3270 für den Dialogbetrieb findet, 2780/378-Stationen für den Stapelbetrieb und im Bereich der Systeme /34, /36 oder /38 Datenstationen der Geräteklasse 5250. Alle Stationen kommunizieren mit der Zentrale über das SDLC-Protokoll; lediglich bei älteren Anlagen oder auf besonderen Wunsch wird das ältere Byte-orientierte BSC-Protokoll (Binary Synchronous Communication) eingesetzt.

Ziel aller genannten Entwicklungen war es zunächst, einerseits einen PC am Arbeitsplatz zu haben, der lokale Datenverarbeitung erlaubt und zusätzlich den Zugriff auf die zentrale Anlage(n) gestattet. Diese Entweder-Oder-DV war jedoch sehr schnell nicht mehr ausreichend. Zentrale und PC sollten Daten austauschen können, diese im PC erzeugt und in der Zentrale weiterverarbeitet oder umgekehrt in der Zentrale bereitgestellt und im PC weiterverarbeitet oder für bestimmte Darstellungsformen aufbereitet werden können. Dies geht problemlos über Stapelleitungen; es fehlt bei diesen Leitungen jedoch die gesamte Dialogunterstützung bis auf das RJE. Gefordert sind also Dialogleitungen, die darüber hinaus den Datentransfer gestatten. Tatsächlich werden einige Softwareprodukte angeboten, die einen mehr oder weniger eingeschränkten Dateitransfer gestatten. Generell muß auf seiten der Großanlage wie auf der PC-Seite eine Software zum Dateitransfer zur Verfügung stehen.

Schwierigkeiten auf der Großrechnerseite

Die PC-seitige Software ist in der Regel schnell erstellt und befindet sich im unmittelbaren Zugriff des Baugruppen/Emulationssoftware-Anbieters. Die Großrechnerseite allerdings bereitet solchen Anbietern in der Regel die größeren Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde wird gern auf Programmsysteme zurückgegriffen, die bereits vorhanden sind: Editoren wie TSO/SPF (Time Sharing Option/System Productivity Facility) unter dem Betriebssystem MVS oder SEU auf dem System /34 und /38. Für diesen Fall braucht großrechnerseitig keinerlei weitere Software bereitgestellt zu werden.

Die effektive Datenrate beim Transfer über solche Programme ist naturgemäß gering, für die Übertragung von größeren Dateien im Bereich von 1 MB können Stunden vergehen. Schneller ist der Weg über Datenkommunikationsmonitore wie IMS (Information Management System) unter MVS oder CICS (Customer Information and Control System) unter MVS oder DOS/VSE, für die allerdings spezielle Software auf den Großrechner gebracht werden muß. Doch auch hier gibt es einen Engpaß, nämlich die Übertragungsrate von maximal 9600 Baud der DFÜ-Leitung. Es empfiehlt sich daher, beim Hersteller von Dateitransfersoftware genau nachzufragen, welche Art von großrechnerseitiger Software für seine Lösung vorausgesetzt wird.

Software für Filetransfer

Auch in diesen Markt dringt jetzt die IBM mit eigenen Produkten ein: Für die Systeme /34, /36 und /38 steht eine Baugruppe zur Verfügung, die den IBM-PC den 5251 Modell 11-Bildschirm nachbilden läßt, der an einen herkömmlichen 5251/ 12-Bildschirm oder an eine (angekündigte) Steuereinheit angeschlossen werden kann. Daß IBM hierfür auch Filetransfer-Software anbietet, bedarf kaum der Erwähnung. Deren Leistungsfähigkeit wird jedoch erst mit Freigabe der nächsten Betriebssystemsoftware zu beurteilen sein.

Zugriff auf vier zentrale Anwendungen

Für den Bereich der Jumbos hält IBM den 3270-PC bereit. Dieser zielt auf Anwender, die bereits ihre Steuereinheit 3274 im Hause haben und die zusätzlich lokale Verarbeitungskapazität wünschen, zur Erfüllung von Managementaufgaben. Bestehend aus Computerbox, 14-Zoll-Bildschirm und gegenüber dem IBM-PC verbesserter Tastatur gestattet der 3270-PC den Anschluß an eine Steuereinheit 3274 über Koaxialkabel. Die aktuelle Konfigurationsunterstützung Type D vorausgesetzt, kann der PC-Benutzer mit bis zu vier Goßrechneranwendungen gleichzeitig kommunizieren. Bildschirmfenster, sogenannte Windows, machen dies für den Anwender überschaubar und gestatten darüber hinaus den Zugriff auf bis zu drei weitere PC-residente Anwendungen. Auch für diesen PC spricht IBM von Dateitransfer-Software für VM/SP und MVS/TSO.

Bedeutet dies das "Aus" für die Anbieter von 3270-Zusatzbaugruppen? Die Koaxanschluß-Anbieter werden es schwerhaben, für sie bleibt der Anwender, der einen vorhandenen PC später einmal an eine Steuereinheit anschließen will. Die Baugruppen für den Anschluß an DFÜ-Leitungen werden vom 3270-PC nicht berührt, sie werden auch weiterhin dem PC-Anwender die Möglichkeit geben, sich mit der Groß-EDV zu verbinden, sei es die eigene oder die eines Dienstleistungsunternehmens.

Ob dies so bleiben wird, kann zur Zeit wohl niemand mit Sicherheit vorhersagen. Es gehört ja schon zur Tradition von IBM, ihren Kunden alles in Blau zu liefern, was irgendwie Gewinn verspricht. Und welchem Kunden kann man es verübeln, alles in ein und derselben Farbe sehen zu wollen?

*Dr. Rüdiger Both ist Produktleiter für Datenkommunikation bei der Kontron Mikrocomputer GmbH, Eching bei München.

Was steckt im Detail hinter SNA?

Die System Network Architecture umfaßt folgende Produktkomponenten:

- Die SNA-Knoten

Das sind der zentrale Rechner (Host), die Datenfernübertragungs-Steuereinheit (Telecommunication Controller) und die Leitzentrale (Cluster Controller); der vierte Netzknotentyp, die Datenstation selbst, entspricht einer Leitzentrale mit reduzierten interaktiven Fähigkeiten.

- Die Zugriffsmethode VTAM (Virtual Telecommunications Access Method)

Die Dienste dieser Zugriffsmethode werden aktiviert durch Makroaufrufe wie READ und WRITE in Anwenderprogrammen. Sie stellt Steuerblöcke und Kanalprogramme zur Verfügung, die die Kommunikation zwischen einem Datenendgerät und einem Awenderpogramm unterstützen. Dafür müssen das Gleichlaufverfahren festgelegt, die Leitungskonfiguration beschrieben, das Verhalten im Fehlerfall bekannt und die Steuerzeichen definiert sein.

- Das Netzwerk-Steuerprogramm NCP (Network Control Program)

Dieses Programm ist in den DFÜ-Steuereinheiten resident und übernimmt die Kontrolle der Leitungen (Aktivierung, Deaktivierung, Fehlerbehandlung), die Leitungssteuerung, das Führen von Statistiken, die dynamische Datenpufferung und das Einfügen und Entfernen von Steuerzeichen.

- Das Leitungsprotokoll SDLC (Synchronous Data Link Control)

Dieses bitorientierte Protokoll wird auf den DFÜ-Leitungen gefahren und stellt die Mittel zur Fehlererkennung und -behebung zur Verfügung.

Diese Baugruppenkategorien für den Mikrocomputeranschluß gibt es

- 3780-Baugruppe mit Software für die Stapelübertragung mittels BSC-Protokoll. Großrechnerseitig wird ein 3780-Anschluß und TP-Software sowie eines der Spoolingsysteme HASP, RES, Power oder JES vorausgesetzt. Für andere als IBM-PC stehen reine Softwarelösungen zur Verfügung, die über Kommandodateien (Remote Job Entry = RJE) einen komfortablen Datenaustausch zwischen den Systemen ermöglichen.

Der IBM-PC ist in diesem Falle über eine Modesstrecke mit dem Großrechner verbunden, beansprucht also eine eigene Leitung.

- 3270- SDLC- oder BSC-Adapter zum Anschluß an eine DFÜ-Leitung. Im Zusammenhang mit der zugehörigen Software wird eine Steuereinheit 3274 mit einem Datensichtgerät 3278 oder 3279 oder die Kombination aus beiden, das Datensichtgerät mit eingebauter Steuereinheit 3276, emuliert. Für nicht zum IBM-PC kompatiblen Rechner stehen reine Softwarelösungen zur Verfügung.

- Koaxialkabel-Anschlußkarten, die es gestatten, bis zu 32 PC an Steuereinheiten 3274 anzuschließen. Für diese Anschlußart ist das verwendete DFÜ-Protokoll irrelevant. Der Einsatz einer Steuereinheit vermindert in diesem Fall die Leitungskosten. Dennoch wird von Fall zu Fall zu entscheiden sein, ob die Anschaffung einer Steuereinheit lohnt.

- 5251-Baugruppe mit Software zur Emulation einer Datenstation 5251 Modell 12. Hier wird ein PC über eine Modemstrecke an ein System /34, /36 oder /38 angeschlossen. Im Gegensatz zum originalen 5251 Modell 12 gestattet diese Baugruppe jedoch keinen Anschluß weiterer Modell 11 Bildschirme.