Nur beim Fachpersonal drückt der Schuh

Die Softwarebranche läuft und läuft und ...

03.03.2000
BERLIN (ajf) - Mit Software und Dienstleistungen lassen sich hierzulande auch in den nächsten Jahren gute Geschäfte tätigen. Lediglich die Personalsituation bleibt angespannt - nicht zuletzt wegen der steigenden Bedeutung des Web und seiner neuen Technologien.

Wer in der Softwarebranche arbeitet, kann sich glücklich schätzen: Der Sektor läuft weiter auf vollen Touren. Nach einer Untersuchung von Diebold Deutschland wurden hierzulande im vergangenen Jahr rund 94 Milliarden Mark im Bereich der Datenverarbeitung umgesetzt. Der überwiegende Teil von 57 Prozent - gut 53 Milliarden Mark - entfiel dabei auf Software und Dienstleistungen. Mit einem Wachstum von 7,5 Prozent lag die Softwarebranche 1999 über der Steigerungsrate des Gesamtmarktes für Informations- und Kommunikationstechnik (IuK), die sich auf rund 6,3 Prozent belief.

Für 2000 rechnen die Diebold-Berater bei Programmen und Dienstleistungen mit einem leicht abgeschwächten Umsatzanstieg von 6,5 bis 7,5 Prozent. In den beiden Folgejahren soll das Wachstum jeweils zwischen fünf und sechs Prozent betragen. Gerhard Adler, Geschäftsführer von Diebold, erklärt die Entwicklung mit dem kontinuierlichen Rückgang der Investitionen für die Y2K- und Euro-Umstellung sowie bei betriebswirtschaftlicher Standardsoftware.

Dass sich der Abwärtstrend der ERP-Lösungen nicht zu einer Rezession der Branche ausweitet, liegt am - wenn auch verspäteten und erst langsam einsetzenden - Umsatzanstieg anderer Marktbereiche: der globalen Business-Integration sowie des digitalen Kommerzes. Unter den Punkt der Integration fallen laut Diebold sowohl das Risiko- als auch Supply-Chain-Management (SCM), das Support-Systemgeschäft sowie die Zusammenführung der IT-Landschaften bei Joint Ventures und Akquisitionen. Hier sei Adler zufolge eine "solide, den Aufschwung tragende Grundwelle" zu verzeichnen.

Ungleich dynamischer, wenn auch etwas zeitverzögert, entwickle sich Diebold zufolge der Markt für das digitale Business. Neue Vertriebsprozesse, das Customer-Relationship-Management (CRM), Communities und virtuelle Unternehmen bieten gerade jungen Firmen und innovativen Technologien ungeahnte Chancen. Jüngere Anbieter würden schneller akzeptiert, die Lernkurve sei Diebold zufolge steiler. Dies fördere ein rasches Wachstum und den Umbruch der Branche. Allerdings stellten sich signifikante Geschäftsvolumina erst allmählich ein, weshalb der sanfte Abschwung der Wachstumsraten in frühestens ein bis zwei Jahren in eine Steigerung umgewandelt werden könne.

Vor allem die international agierenden Großunternehmen zählen hierzulande zu den Vorreitern in Sachen E-Business. So nennt der Autokonzern Daimler-Chrysler das Beziehungsgeflecht zu seinen Lieferanten künftig "E-Extended Enterprise" und arbeitet an der globalen Integration aller Wertschöpfungsstufen des Zulieferernetzes. Für den Beschaffungs-Manager Dirk Havighorst von Daimler-Chrysler sind für das Erreichen des ehrgeizigen Ziels drei grundlegende Faktoren ausschlaggebend: Das Vertrauen zwischen den beteiligten Firmen, die Aufteilung der Benefits sowie eine einheitliche Logistikplattform, die auf Standards basiert.

Im Idealfall entwickle sich das System der Beschaffung von einer Kette zu einem Netzwerk. Während die Autobranche heutzutage mit Hilfe der IT den Einkauf von Materialien optimiert, die nicht für die eigentliche Produktion bestimmt sind, könnte künftig vielleicht das gesamte Beschaffungswesen über B-to-B-Auktionen abgewickelt werden, spekuliert der Daimler-Chrysler-Manager. Dies könne laut Havighorst jedoch nur klappen, wenn man in den Unternehmen auf Fairness, offene Kommunikation und Vertrauen setze.

Vom Struktur- und Prozesswandel in den E-Unternehmen profitieren naturgemäß Systemintegratoren und IT-Consultants. Der DV-Beratermarkt wächst laut Diebold-Chefberater Fritz Jagoda in diesem Jahr um 12,3 Prozent. Gefragt seien hier strategische Kompetenz sowie Erfahrungen im Bereich des Change-Managements. Das Segment der Outsourcing- und Desktop-Services zeige eine "anhaltende Marktdynamik". Dafür sorgten nicht zuletzt neue Leistungen, beispielsweise das Business-Process-Outsourcing und die "Vermietung" von Anwendungen, das Application-Service-Providing (ASP), da sich im Gegensatz zu den großen ERP-Paketen eher für den Einsatz im Mittelstand eignen würde. Die Folge sei laut Jagoda, dass die internen IT-Budgets auch in den nächsten Jahren an Volumen gegenüber den externen Etats einbüßen werden.

Auch wenn die Produkt- und Serviceanbieter miteinander im durchaus lukrativen Wettbewerb stehen, bleibt ihnen doch ein gemeinsamer Gegner: die Personalknappheit der IT-Branche. Derzeit ist nach Einschätzung der Bonner Gesellschaft für Informatik lediglich ein Drittel der Hightech-Arbeitsplätze in Deutschland von akademisch gebildeten Fachkräften besetzt. Der überwiegende Rest sei an so genannte Umsteiger vergeben - ganz zu schweigen von der Zahl der unbesetzten IT-Stellen, die je nach Erhebungsmethode zwischen 40000 und 100000 liegen soll.

Heutzutage findet sich kaum noch ein Firmenchef, dessen Belegschaft von Anrufen der Headhunter verschont wurde. Deren Tricks würden immer dreister: "Entweder versuchen sie es auf Englisch, um an der Vermittlung vorbeizukommen, oder sie nennen einfach einen beliebigen Namen, nur um mit unseren Mitarbeitern verbunden zu werden", berichtet ein auf Anonymität bedachter Vorstand aus dem Badischen. An "guten" Tagen kämen die Anrufe im Stundentakt. "Wird dann eine Verdoppelung der Bezüge geboten, gehen mir die Argumente aus", so der Manager. Stellten die Headhunter zusätzlich Aktienoptionen in Aussicht, sei der Mitarbeiter kaum noch zu halten.

Headhunter werden immer dreisterAllerdings sei laut Diebold-Chef Adler eine leichte Besserung der Situation in Sicht. Nicht zuletzt wegen der abgeschlossenen Jahr-2000-Umstellung entspanne sich die Personalfrage. Von einer Flut an freien Bewerbern kann aber auch in absehbarer Zukunft noch keine Rede sein. Dafür sorgt nicht zuletzt die Tatsache, dass für das E-Business mit Objektorientierung, Java und XML andere Kompetenzen gefragt sind als bei der prozeduralen Entwicklung des letzten Jahrhunderts.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Zeitfaktor zu einem zentralen Kriterium der Softwareentwicklung mausert. Halten die Lösungen den Anforderungen der beim E-Business auftretenden Skalen nicht stand, müssen in kürzesten Abständen neue Systeme her. Dadurch erhöht sich nicht nur der Druck auf die internen IT-Abteilungen, sondern auch auf die Softwareanbieter. Das aktuell benötigte Know-how existiert nicht in ausreichendem Maße, weshalb die Unternehmen ihre Angestellten in der Regel selbst ausbilden müssen.

Abb.: Während die ERP-Lösungen langsam ihren Zenit überschreiten, können sich Anbieter von E-Programmen die Hände reiben: Ihnen stehen goldene Zeiten bevor. Quelle: Diebold Deutschland