Portrait des VoIP-Dienstes Skype

Die Skype-Story: Heißer Draht für das weltweite Netz

08.11.2007
Von Handelsblatt 
Nur ein Kopfhörer mit Mikrofon - und das kostenlose Plaudern mit Freunden am anderen Ende der Welt kann beginnen. Das schwedische Unternehmen Skype brachte die Telefonie ins Internet und ersetzte Festnetz sowie Mobilfunk. Eine Revolution in der Telekommunikationsbranche.

TALLINN. Die Idee war einfach und genial: Zwei Computer, irgendwo auf der Welt, gehen im Internet auf die Suche. Sie finden sich, koppeln sich zusammen, tauschen Daten aus. 2001 brachten der Schwede Niklas Zennström und sein dänischer Kollege Janus Friis das Programm für ihre Musik-Tauschbörse Kazaa heraus, das die Musikbranche aufmischte. Kurz darauf sorgten sie mit Skype auch in der Telekommunikationsbranche für eine Revolution.

Der Reihe nach: Anfang 2000 arbeiteten Zennström und Friis noch beim schwedischen Telekommunikationskonzern Tele 2. Obwohl der als frecher Neuling in der rostig gewordenen Branche galt, kündigten die beiden Ingenieure, genervt von der wachsenden Bürokratie - und wandten sich der Peer-to-Peer-Technik zu. Dabei werden Daten zwischen zwei Computern unter Ausschluss eines zentralen Servers getauscht. Mit Kazaa ermöglichten die Jugendfreunde Abermillionen von Musikliebhabern das illegale Laden von Musikdateien und trieben die Musikindustrie in eine bis heute andauernde Krise. Mehrere Millionenklagen später verkauften Friis und Zennström Kazaa und nutzten die Technik für ihren Frontalangriff auf die Telekomriesen. Das Internet-Telefonie-Programm Skype wurde geboren.

"Wir wollen so vielen Anwendern wie möglich das Gratistelefonieren ermöglichen", gab der heute 41-jährige Zennström als Ziel aus. Das ist gelungen. Mittlerweile haben 220 Millionen Menschen das Gratisprogramm heruntergeladen, zu den Stoßzeiten sprechen bis zu zehn Millionen Skype-Anwender gleichzeitig über das Netz.

Die Software, so erklärt Sten Tamkivi, Leiter der Skype-Entwicklungsabteilung im estnischen Tallinn, verschlüsselt die Sprache in Datenpakete, die wie Musikdateien blitzschnell durchs Netz geschickt und beim Empfänger wieder entschlüsselt werden. "Unser Erfolgsgeheimnis ist die einfache Installation", sagt Tamkivi, in dessen Tallinner Entwicklungszentrum rund 300 der insgesamt 500 Skype-Mitarbeiter tüfteln.

Der Anwender braucht nur Kopfhörer mit Mikrofon oder ein PC-unabhängiges Skype-Telefon - und das kostenlose Plaudern mit Freunden am anderen Ende der Welt kann beginnen. Als Skype vor vier Jahren an den Start ging, schmunzelten die traditionellen Telekomkonzerne noch. Obwohl es schon damals Experten wie Helena Nordman-Knutsson gab, die vor der Bedrohung durch die sogenannte VoIP-Telefonie (Voice over Internet Protocol) warnten.

Die schwedische Analystin behielt recht. Fast alle großen Anbieter haben ihre Festnetztelefonie auf VoIP umgestellt. Der kostspielige Ausbau der Infrastruktur ist nicht notwendig, da auf bereits vorhandene Internetressourcen zurückgegriffen wird.

Bei Skype geht´s noch kostengünstiger, denn die Softwareschmiede verzichtet bei ihrer Lösung auf einen zentralen Rechner, der die Daten aller Benutzer speichert. Das ermöglicht die deutlich preiswertere Peer-to-Peer-Technologie. Man bedient sich schlicht der Rechnerleistung aller eingeloggten Computer. Die Erfolgsgeschichte des skandinavischen Duos schien nicht mehr zu stoppen, als sie mit Skype-In und Skype-Out auch die kostenpflichtige Möglichkeit schufen, vom Computer ins Festnetz und umgekehrt zu telefonieren.

Enormes Potenzial witterte vor zwei Jahren auch der Auktionsriese Ebay und legte den Skype-Gründern und Haupteignern ein Übernahmeangebot vor, zu dem sie nicht "Nej Tack" sagen konnten. Der US-Konzern zahlte unglaubliche 2,6 Milliarden Dollar für Skype und sicherte Friis, Zennström und einigen anderen Mitgründern weitere 1,7 Milliarden Dollar zu, sollte sich das Software-Unternehmen weiterhin gut entwickeln.

In der Branche schüttelten viele den Kopf, sprachen in Anlehnung an die geplatzte IT-Blase Anfang 2001 vom "Hype um Skype". Die Marktforscher von Gartner bezeichneten den Deal sogar als den "dümmsten in diesem Jahrzehnt, ja vielleicht sogar in der gesamten IT-Geschichte". Und richtig: Skype gelang es bislang nicht, viel mehr als fünf Prozent der Nutzer zu Bezahldiensten zu locken. Ebay schrieb deshalb jüngst eine Milliarde Euro ab und reduzierte den Kaufpreis. Gleichzeitig musste Zennström seinen Hut nehmen.

Jetzt sucht Skype nach neuen Einnahmequellen, um den dürftigen Umsatz von 90 Millionen Dollar nach oben zu treiben. Die Integration des Geldtransfer-Dienstes Paypal steht auf der Agenda, ebenso erweiterte Video- und Premiumdienste. Erst vor fünf Wochen erklärte Forschungschef Tamkivi dem Handelsblatt stolz, der Mutterkonzern Ebay habe genauso klein angefangen, deshalb werde Skype keinem Druck aus den USA ausgesetzt. Das war vor der Sonderabschreibung und dem Rücktritt der Gründer. Offenbar hat Tamkivi unterschätzt, dass auch lange Leitungen irgendwann ein Ende haben. "Einfach reden" - so das Skype-Motto - reicht halt nicht. Auch wenn die Grundidee genial ist.

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