Die Serie 30XX ist gegen die Leasingbranche konzipiert

23.06.1978

Mit Wolfgang Rosenthal, Handlungsbevollmächtigter und Leiter der DVO Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH, sprach Dieter Eckbauer

þHerr Rosenthal, beim DV-Service Oberhausen sind zwei Systeme IBM 370/155 installiert, das eine gekauft das andere geleast. Ist für Sie Leasing eine Alternative zum Kauf?

Leasing ist, so wie wir es jetzt betreiben, nicht mehr eine Alternative zum Kauf, sondern zur Miete.

þDas heißt, Sie sehen Computer-Nutzung vorrangig unter dem Aspekt ablösen zu können, um nicht einen Klotz am Bein zu haben?

Ja, denn wer vermarktet den gekauften Computer wieder, wenn man das Ding nicht mehr braucht?

þIch kann doch sagen, ich nutze ihn eben so lange, bis er abgeschrieben ist.

Nein, das stimmt nicht. Denn wenn man ein lebendes Rechenzentrum hat und Kunden, die immer mehr Wünsche äußern, dann ist man bald mal wieder an der Grenze des Computers angelangt - und was dann? Wenn man also - wie bei einer Kaufmaschine - darauf angewiesen ist, den Computer auf Teufel komm raus auszunützen, damit das Geld hereinkommt, dann steht man mit dem Rücken zur Wand, wenn man mit der langfristigen Planung falschgelegen hat.

þNun wird in die Vertragsform Leasing viel hineingeheimnist: Scheinflexibilität, Restwertrisiko - Sie kennen das Spielchen. Was ist Leasing für Sie?

Es ist ein Finanzierungsgeschäft, wenn Sie ein reines Bankleasing betreiben. Anders sieht es vielleicht über Broker aus, aber bei normalen Bankgeschäften - was ist da für ein Geheimnis dahinter? Die Geheimnisse müssen Ihnen die Leasinggesellschaften schon offenbaren, denn letzten Endes kann sich der Anwender ja ausrechnen, was die Maschine kostet, vor allem, wenn es um eine neue Maschine geht.

þNatürlich bringt reines Finanzierungsleasing bei einer neuen Maschine etwas, aber viele EDV-Leiter sind eben der Ansicht, daß die Einsparungen gegenüber der IBM-Langzeitmiete nicht groß genug sind.

Sie kommen bei Neumaschinen - je nach Leasing-Vertrag - zwischen 10 und 20 Prozent unter die IBM-Langzeitmiete. Und bei einer großen Konfiguration sind das 20 000 Mark im Monat. Wenn Sie das nicht für lukrativ halten.

o Nun gibt es ausgesprochene Preisknüller im Angebot der Leasing-Firmen. Diese Maschinen können deshalb so günstig angeboten werden, weil der Leasinggeber hofft, das

System nach Ablauf der Vertragsdauer weitervermieten, und glaubt, das Geschäft erst beim Nachmieter machen zu können.

Da steckt auch das Risiko der Leasingfirmen, denn sie können mit dem Restwert ganz schön reinfallen. Der Restwert unserer geleasten 155 zum Beispiel ist für 1979 so angesetzt, daß bei einer nur zweijährigen Weitervermietung die Leasingfirma noch einen guten Schnitt macht.

þWollen Sie diesen Schnitt nicht machen?

Wir wollen das System mit Vertragsende, also 1979, abgeben. Wir

sind keine Broker, sondern ein RZ-Dienstleistungsbetrieb.

þFür welche Anwender sind denn solche Gebrauchtanlagen attraktiv?

Nehmen wir an, es ist eine Maschine mit zwei oder drei Megabytes, die bekommen Sie für den Mietwert einer 370/115 - das ist von vornherein

attraktiv. Und dann handelt es sich um Firmen, die verhältnismäßig feste

Anwendungen haben und nach einer bestimmten Zeit auf eine andere Anlage umsteigen wollen. Sie brauchen gewisse Sicherheiten, um die Zeit bis zu einem neuen System zu überbrücken.

þWer kümmert sich denn darum, daß ein Nachmieter gefunden wird? Die Leasingfirma übernimmt das gesamte Risiko. Es sei denn, der Kunde spekuliert mit dem Fiskus und sagt sich: Ich kann eher raus, muß allerdings das Risiko des Verkaufs über nehmen. Und dann gibt es natürlich auch ein Vertragsmodell, wo sie auf den Restwert Null gehen, aber das ist uninteressant, weil die Leasingraten zu hoch werden.

þNun offeriert IBM jetzt neue Maschinen gerade im oberen Bereich

die ein wesentlich besseres Preis-/Leistungsverhältnis als die derzeit auf

dem Markt befindlichen 370-Systeme haben. Das bezeichnen die Broker als

leasingfeindlich, weil es zum vorzeitigen Ausstieg aus bestehenden Leasingverträgen animiert. Stimmen Sie dem zu?

Das ist nur Theorie. Denn leider ist es bei der IBM so, daß, wenn die

Maschinen größer werden, auch die Betriebssysteme wachsen und dementsprechend auch die Hauptspeicher-Ausbaustufen, so daß diese Ersparnis zum Teil wieder aufgefressen wird. Es sieht jedoch in der Tat so aus, daß die Systeme der IBM-30XX-Serie so konzipiert sind, daß es den Leasinggesellschaften schon etwas an den Kragen geht. Auf der anderen Seite bekommt man aber gerade von Leasinggesellschaften solche Maschinen angeboten. Die haben soundso viel für sich selber übernommen und können zu kürzeren Terminen als IBM ausliefern.

þKann der Anwender auch mit Preisvorteilen rechnen?

Da die Leasingbranche etwas anders kalkuliert als IBM, kommt auch bei diesen Maschinen immer - noch zwischen 10 und 20 Prozent Ersparnis gegenüber der Langzeitmiete heraus.

þHier wird geschickt die Liefersituation bei der IBM-Serie 30XX ausgenutzt. Die Leasinggesellschaften treten in 30XX-Verträge von Anwendern ein und können dann einfach schneller liefern.

Nein, nicht nur das. Sie haben auch selbst gekauft, zum Teil in Amerika, zum Teil in Europa. Oder sie bieten Ihnen zum Beispiel als Übergangslösung eine 168 an, die schon drei Jahre alt ist und jetzt bei jemandem rausgeht, der eine 3033 bekommt. Das ist dann eine billige l68.

þAber das Vermarktungsrisiko liegt auf in diesem Fall auf seiten der Leasingfirmen?

Diese großen Maschinen können nur Leasinggesellschaften verkraften, die weltweit arbeiten. Denn das Risiko besteht, daß die IBM nach vier Jahren

sagt, ätsch, jetzt haben wir ja noch eine schönere Maschine, die ist doppelt so groß und genauso teuer wie die alte Jeder weiß, daß heute viele 158- und 168-Benutzer ihre Maschinen kündigen und mit einer neuen Maschine arbeiten wollen. Eine gute Leasingfirma wird in vielen Fällen auch da mitmachen, indem sie versucht, das weltweit abzusichern.

þWie soll das funktionieren?

Für eine bestimmt Anwendung ist eine 168 beispielsweise genauso gut wie eine 3033. Wenn der Kunde also nur eine bestimmte Anwendung fährt, warum soll er das dann nicht mit einer preiswerteren 168 machen?

þNun wächst der Appetit bekanntlich beim Essen: Immer mehr Anwendungen werden übernommen, und das hat zu einer enormen Nachfrage nach IBM-Großrechnern geführt.

Die Anwendungen werden immer komplizierter, die Datenbanken immer großer. Und die Wüsche der Anwender werden - wenn sie erst mal dahintergekommen sind - immer teurer. Sie sind an sich nur noch mit Großcomputern zu bewältigen, jedenfalls in dem Bereich, in dem wir arbeiten.

þVon Kleincomputern halten Sie nichts?

Das kommt auf die einzelne Anwendung an. In der Vergangenheit waren gut genutzte Großcomputer einfach billiger. Heute überwiegen immer mehr die Softwarekosten, und da ist eine zentrale Softwaregruppe auch wieder billiger, wenn sie nur gut gesteuert wird.

þHaben Sie schon darüber nachgedacht, welche Vertragsform Sie für Ihre neue Maschine wählen werden?

Wir werden wahrscheinlich auch unsere neue Maschine wieder leasen, wobei wir uns natürlich ein paar Mark an Einsparungen ausrechnen. Auf der anderen Seite möchten wir nicht kaufen, weil uns das Verkaufsrisiko wegen der schnellen Entwicklung im Moment zu hoch erscheint.

þWollen Sie diese paar Mark überhaben, um zusätzliche Anwenderwünsche befriedigen zu können?

Auf der einen Seite ist das unser Ziel. Auf der anderen Seite sind wir ja ein Rechenzentrum, das auf den Markt gehen muß. Wir müssen mit vernünftigen Preisen, fortschrittliches Anwendungen und modernen Techniken arbeiten können - aber das ist bei den IBM-Mieten sehr schwierig.

Wolfgang Rosenthal (48) gehört sozusagen zur "Mayflower-Besatzung" der DV-Anwender, denn er jobt seit 21 Jahren in der Computerbranche. In "seinem" DVO-Rechenzentrumsbetrieb (geplanter Umsatz 1978: 16 Millionen Mark) sind derzeit 145 Personen beschäftigt.