Amerikanische Hersteller benutzen Schweiz als Versuchsmarkt:

Die Schweizer sind gute Test-Europäer

17.09.1982

BASEL (sg) - Obwohl der DV-Markt in der Schweiz nicht zu den großen zählt, gehört er doch zu den interessanten. Schließlich drängen immer mehr Anbieter in das Land. Dabei dürften die Eidgenossen oft genug als Test-Anwender herhalten, bevor die Produkte im übrigen Europa vertrieben werden.

Vor allem die Computerhersteller aus den USA, von denen sicher alle namhaften in der Schweiz vertreten sind, scheinen es auf diesen speziellen EDV-Markt abgesehen zu haben. Dabei lockt weniger das sich auftuende Potential als vielmehr die Bedeutung aus anwendungstechnischer Sicht.

Dabei dürfte der Schweizer Markt wohl oft genug auch nur als Testmarkt herhalten, von dem aus der Verkaufsapparat später auf andere europäische Länder übertragen wird. Was in der Schweiz im Hardwaregeschäft zu bestehen vermag, kann getrost auch anderenorts zum Verkauf angeboten werden. Schließlich werden die Qualitätsnormen der Schweizer Unternehmen als sehr hoch eingestuft.

Brancheninsider können für diesen Vergleich allerdings nur ein müdes Lächeln aufbringen. Denn bei genauerem Hinsehen fällt auf, daß hier die Computer kaum anders als in irgendeinem anderen Land genutzt werden - bestenfalls etwas variantenreicher, was aber noch lange nicht "besser" oder gar "effizienter" sein muß als bei den europäischen Nachbarn. Diese können aber wenigstens zum Teil mit ungleich größeren EDV-Märkten glänzen.

Nachdem es nun auch wieder in der Schweiz aktuelle Zahlen über die Anzahl der hierzulande installierten Computer gibt, steht fest, daß auf dem Schweizer EDV-Markt, sowohl was die System- als auch die Herstellervielfalt angeht, ein einträchtiges Nebeneinander besteht.

Diese Tatsache wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, daß (abgesehen von einigen wenigen, zum Teil aber erheblich von der Norm abweichenden Ergebnissen) im Prinzip alle etwa gleich gut im Rennen um die Gunst der ständig wachsenden Schar der Anwender liegen. Keine der hier vertretenen Computerfirmen tendiert unter die fast schon zur Regel gewordenen jährlichen Wachstumsraten von 15 Prozent.

Allen Unkenrufen zum Trotz wächst sogar der Großcomputermarkt kräftig mit; zwar weniger bei den sogenannten Neukunden als vielmehr bei den Aufsteigern. Und wenn auch hier die IBM sich als Marktführer behaupten kann, schwingt sie doch kaum so hoch über ihre Mitbewerber hinaus, wie sie das in anderen Bereichen tut.

Denn mindestens Univac und Honeywell Bull, die sich in ihrer Systemtechnik noch erheblich von jener der IBM unterscheiden, mischen in diesem Geschäft mit. Weniger stark hingegen sind die sich mehr und mehr in der IBM-Gefolgschaft übende Siemens AG und die in bezug auf den Einsatz von Großcomputern noch etwas hinterherhinkende NCR.

In diesem Zusammenhang sollte eine Ausnahme besonders hervorgehoben werden: der Bereich der Mikro- oder Personal Computer. Er dürfte sich mit Wachstumsraten von 15 Prozent derzeit kaum

zufriedengeben. Hier sind vielmehr Quoten von rund 30 Prozent und mehr an der Tagesordnung. Die Mikrocomputer könnten denn auch, wenn der momentan zu verzeichnende Boom nicht plötzlich ins Stocken gerät, für die etablierten Mini- und Bürocomputerhersteller eine ernsthafte Konkurrenz abgeben. Spätestens dann dürfte es wohl mit dem einträchtigen Nebeneinander, zumindestens im Leistungsbereich der Mikro-, Mini- und Bürocomputer, vorbei sein.

Das Treueverhalten der Anwender zum einmal gewählten Computerhersteller, das in der Schweiz sehr ausgeprägt ist, stellt für alle im EDV-Busineß tätigen Firmen eine Art Garantie für die Kontinuität der eigenen Unternehmensentwicklung dar. Ganz gleich, in welcher Weise man davon profitiert. Diesem Treueverhalten, das sich im wesentlichen in drei Abstufungen (siehe Kasten) äußert, wird demzufolge auch allseits größte Beachtung geschenkt.

Wobei im allgemeinen davon ausgegangen werden kann, daß in Abhängigkeit vom Angebot am EDV-Markt, das oft genug auch heute noch nicht in allen Fällen genügend Alternativen zu bestimmten EDV-Anlagen bietet, die Schweiz über hochgradige Anwendertreue der ersten Stufe verfügt. Erst in neuerer Zeit gewinnt die zweite Stufe, die Mixed-Hardware, wegen des immer reichlicher werdenden PCM-Angebots an Bedeutung.

Recht selten ist hingegen (noch) die dritte Stufe der Hersteller(un)treue, zu der es für gewöhnlich nur dann kommt, wenn ein Anwender sich von seinem Hersteller nun wirklich nicht mehr ausreichend unterstützt fühlt.

Am ehesten kommen Herstellerwechsel wohl noch bei den kleineren Computern vor. Wobei mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß es keineswegs nur immer ein Verdienst des Herstellers ist, wenn sein Anwender zu ihm in Treue verbunden bleibt. Oft genug ist es auch der Anwender, der trotz aller Widrigkeiten, dem Hersteller verbunden bleibt.

Auch in der Schweiz hängt der Erfolg der verschiedenen Herstellerfirmen von der Wahl der Vertriebsmethoden und von sorgfältiger Organisation der damit zusammenhängenden Marketingpolitik ab. Vor allem gilt dies für die Mini- und Mikrocomputerhersteller, und neuerlich auch für Bürocomputer. In diesem Zusammenhang sind die vor wenigen Jahren noch gänzlich unbekannten Systemhäuser zu einem wichtigen Bestandteil des Vertriebs geworden.

Allein beim Vertrieb der Mikros wird der Anteil der Systemhäuser derzeit bereits auf über 40 Prozent des Gesamtumsatzes von Herstellern wie Apple, Commodore, Data General, Digital Equipment, Hewlett-Packard und Honeywell Bull geschätzt. Dieser Anteil wird besonders im Hinblick auf kommerzielle Anwendungen bei Erstanwendern, für die sich die Systemhäuser überwiegend interessieren, zunehmen.

Die Anzahl der Systemhäuser kann nur geschätzt werden. Das liegt nicht zuletzt daran, daß diese Branche zum einen eine starke Vermischung mit Softwarefirmen aufweist, so daß keine klare Trennungslinie gezogen werden kann, und zum anderen in bezug auf ihre Größe, Zuwachsraten, Anwendungsspektrum und Spezialisierung noch außerordentlich unterschiedlich strukturiert ist. Sehr wahrscheinlich wird diese Branche, in der heute zwischen 50 bis 60 Firmen angesiedelt sind, in den nächsten Jahren gewaltig expandieren.

Die Abhängigkeit einzelner Hersteller von diesen Systemhäusern hat zu Überlegungen geführt, eigene Systemhäuser zu gründen. Denn das Beispiel der IBM, der man für ihre Serie /1 aufgrund fehlender Softwareunterstützung gewisse vertriebstechnische Probleme, die auch heute noch nicht gänzlich aus der Welt geschaffen sein dürften, nachsagt, hat doch einigen ähnlich gelagerten Mitbewerbern zu denken gegeben.

Boom-Jahr ohne Wiederholung

Während für die wachstumsverwöhnte EDV-Branche auch 1981 ein alles in allem gutes oder doch wenigstens zufriedenes Jahr war, kann doch nicht ganz übersehen werden, daß das EDV-Geschäftsjahr 1982 erstmals spürbar härter geworden ist. Und dies, obwohl die Rationalisierungsbedürfnisse der Schweizer Wirtschaft nach wie vor unverändert groß sind. Doch scheinen die Anwender im Zeichen einer anhaltenden Konjunkturflaute, die in der schweizerischen Wirtschaft eine beschleunigte Abschächung des Geschäftsgangs bewirkte, ihren Rationalisierungs-Franken heute doch mehr als nur einmal umzudrehen, bevor sie diesen auch tatsächlich ausgeben.

Der Computerhandel erwartet auch für die Zukunft eine weitere Steigerung des Umsatzes. Dabei dürften allerdings die Erträge wesentlich schwächer als in der Vergangenheit zunehmen. In diesem Zusammenhang dürfte besonders auch die Entwicklung der Infrastruktur für Datenübertragungsnetze, zu der es bereits heute ein ausreichendes Angebot an erprobter Technologie gibt, interessieren. Die schweizerischen PTT-Betriebe als Trägerschaft des öffentlichen Datenübertragungsnetzes sind an dieser Entwicklung mit mehreren Projekten beteiligt, von denen das Paketvermittlungssystem Telepac zu den wichtigsten zählt.

Mit diesem Paketvermittlungssystem wird die Schweiz wieder Anschluß an die internationale Entwicklung finden. Der Zugang zu diesem Netz, in dem drei Telepac-Zentralen in Zürich; Bern und Genf für ein flächendeckendes Angebot sorgen, erfolgt seitens der Anwender über das X.25-Protokoll. Darüber hinaus ist sichergestellt, daß zum Beispiel mit den bereits bestehenden Netzen, Transpac in Frankreich oder Datex-P in der Bundesrepublik Deutschland, Daten ausgetauscht werden können. Einzig die Normen des Datenschutzes sind hierzu noch nicht auf einen Nenner gebracht. Die Schweiz bemüht sich darum durch eine entsprechende Datenschutzgesetzgebung auch hier, den Anschluß an die Nachbarländer zu finden.

Es darf nicht übersehen werden, daß die Versäumnisse bei der EDV-Ausbildung nicht ohne Auswirkung auf die Kontinuität in der Entwicklung der EDV bleiben werden. Denn heute fehlen überall DV-Spezialisten.

Diese Entwicklung könnte noch unerwarteten Nutzen bringen: Sie trägt vielleicht dazu bei, künftig mehr Standardsoftware einzusetzen.

Das Bestreben, mit dem vorhandenen Programmierpersonal die anstehenden Aufgaben wenigstens einigermaßen termingerecht erledigen zu können, begünstigt vor allem auch die Anbieter von leistungssteigernden Systemsoftwarepaketen. Daneben profitiert noch die Branche der vor allem Manpower anbietenden Softwarefirmen von dieser Situation. Dies gilt insbesondere für jene, die über Spezialkenntnisse verfügen. Einzelkämpfer mit vorwiegend konventionellen Leistungen, wie sie den überwiegenden Teil der Branche ausmachen, gehen härteren Zeiten entgegen.