DGFP-Kongress diskutiert über künftige Anforderungen an Manager und Mitarbeiter

"Die schöne neue Arbeitswelt ist Legende"

06.06.2003
WIESBADEN (hk) - Über Mythen der modernen Arbeitswelt und Anforderungen an Manager von morgen diskutierten die Teilnehmer des elften Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) in Wiesbaden. Eine der Erkenntnisse: Um zu überleben, brauchen Unternehmen Persönlichkeiten mit Sozialkompetenz.

Horst Opaschowski, Deutschlands bekanntester Freizeitforscher, rechnete mit den "Legenden" der modernen Arbeitswelt ab: "Die von Soziologen und Trendforschern propagierte schöne neue Arbeitswelt findet vorerst nicht statt. Sie erweist sich als Mythos." Er kritisierte das von der Fraunhofer-Gesellschaft schon seit Jahren propagierte Bild des künftigen Wissensarbeiters, der grundsätzlich nur am Laptop arbeitet und ins Videokonferenzstudio geht, um mit seinen weltweit verstreuten Kollegen Themen und Aufgaben abzustimmen. Zwischendurch erholt er sich in der Recreation Lounge der Firma und kümmert sich um seine körperliche Fitness. Statt dieses unrealistischen Szenarios erwartet der Hamburger Professor eine "Viel-Gesichter-Gesellschaft": mal Ellenbogen- und mal Verantwortungs-, mal Wegwerf- und mal Leistungsgesellschaft.

In seinem viel beachteten Vortrag unterzog Opaschowski vier Mythen der Arbeitswelt einer kritischen Prüfung.

Mythos eins: Jobnomaden. Dieser angebliche neue Arbeitnehmertyp, hochmotiviert, mobil, flexibel und selbstbestimmt, habe mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Der Forscher zitiert eine Studie seines BAT-Freizeit-Forschungsinstituts in Hamburg. Danach wollen fast drei Viertel der Berufstätigen in Deutschland "arbeiten wie ihre Eltern - fest angestellt und mit geregeltem Feierabend".

Mythos zwei: Zeitpioniere. Sie gelten als Leitbild einer neuen Leistungsgesellschaft, weil für sie "Zeitwohlstand" genauso wichtig wie materieller Wohlstand ist. Sie sind leistungsbereit und arbeiten bewusst weniger, um mehr Zeit für sich und die Familie zu haben. So das Bild - in Wirklichkeit aber "stehen sie unter dem sozialen Druck eines permanenten Leistungsnachweises", denn wer weniger arbeitet, könne auch weniger Karriere machen. Telearbeit ist nur für jeden zehnten Mitarbeiter attraktiv und an Job-Sharing sind lediglich sieben Prozent interessiert. Von Zeitarbeit wollen die Beschäftigten fast gar nichts wissen. Sie ist nur für zwei Prozent der Mitarbeiter vorstellbar.

Die neue Arbeitsformel: 0,5 x 2 x 3

Folglich wird die Arbeit für die Vollzeitbeschäftigten immer intensiver und unter Umständen auch psychisch belastender. Einen Beweis dafür lieferte Peter Brödner vom Institut für Arbeit und Technik aus Gelsenkirchen. Anhand einer Statistik des Verbandes der Rentenversicherer (VDR) wies er nach, dass sich die Zahl der beschäftigten Frauen mit psychischen Problemen, die in den Vorruhestand gegangen sind, in den letzten 20 Jahren vervierfacht hat, die der Männer hat sich verdoppelt.

Opaschowski hat eine wenig optimistische Arbeitsformel für die Zukunft erfunden: 0,5 x 2 x 3. Sie bedeutet, dass die Wirtschaft mit der Hälfte der Mitarbeiter auskommt, die doppelt so viel verdienen und dafür dreimal so viel leisten müssen wie in der Vergangenheit.

Mythos drei: Flache Hierarchien. 80 Prozent der Mitarbeiter halten diesen Begriff für ein Modewort. Nach wie vor gebe es Hierarchien von Vorgesetzten und Untergebenen. Bemerkenswert ist allerdings, dass Hierarchie und Teamarbeit nicht als Gegensatz empfunden werden.

Mythos vier: Work-Life-Balance. "Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird von den Unternehmen nicht besonders gefördert, weil der Eindruck entsteht, dass die Mitarbeiter nur mit halber Kraft arbeiten", dem stimmten in der BAT-Studie zwei Drittel der Teilnehmer zu. Opaschowski hat den Eindruck, dass der Trend eher zu längeren Arbeitszeiten geht. Unternehmen versuchten, den Arbeitsplatz attraktiver als das Zuhause zu machen. Typische Freizeitelemente wie Essen und Fitness würden in das Arbeitsleben integriert, was die familiäre Situation eher verschärfe als entspanne.

Manager von morgen sind hart und weich

Mehrere Vortragende diskutierten die veränderten Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte in der Arbeitswelt von morgen. "Die Arbeitspersönlichkeit der Zukunft muss fleißig, selbstbewusst und kontaktfähig sein - also eine starke Persönlichkeit", ist Opaschowski überzeugt. Nur so könnten sich Unternehmen unterscheiden. Die Produkte würden immer austauschbarer. Das hat Konsequenzen für das Führungsverhalten. Der neue Chef der Roland-Berger-Unternehmensberatung, Burkhard Schwenker, ist überzeugt, dass Manager künftig anders führen müssen als heute. Er nennt dafür einige Gründe.

- Da die Wettbewerbsintensität zunehme, müssten immer öfter kurzfristige Entscheidungen getroffen werden.

- Da sich die Inhalte und Arbeitsaufgaben öfter änderten, sei es umso wichtiger, Mitarbeiter "einzufangen" und zu motivieren.

- Da die Einkommensspreizung zunimmt, muss der Umgang mit dieser "Ungleichheit" gelernt sein, damit es nicht zu einer Neiddebatte kommt.

- Da in internationalen Unternehmen immer häufiger ausländische Arbeitnehmer zu Kollegen und Vorgesetzten, manchmal sogar zu Konkurrenten werden, brauchen die Beschäftigten interkulturelle Kompetenz.

Schwenker glaubt, dass Unternehmen nur wachsen werden, wenn sie eine "effiziente Vertrauensorganisation" etablieren, die sich durch eine gute Personalführung auszeichnet. Er erwartet von Managern, dass sie eine Kombination aus einem harten Führungsstil und weichen Elementen beherrschen, um einerseits Zielvorgaben zu erreichen und um andererseits die Mitarbeiter zu motivieren.

Ulrich Jordan, Vice President Human Resources der Citibank, hat noch weitere Merkmale, die eine erfolgreiche Führungskraft auszeichnen sollten: "Wer führt, muss sich selbst gut kennen." Deshalb plädiert er für das 360-Grad-Feedback, damit spätestens dann jeder über sich Bescheid weiß. Genauso wichtig sei aber auch, Mitarbeiter gut einschätzen zu können. Denn nur so gelinge es, die Richtigen zu rekrutieren, zu entwickeln und zu fördern. Jordan erzählte, dass alle Führungskräfte der Bank, die Mitarbeiter einstellen, in den Genuss eines Trainings gekommen sind, damit sie die Kandidaten nach einheitlichen Kriterien beurteilen können.

Jeder Beschäftigte sollte darüber hinaus Feedback über seine Leistungen bekommen. "In Deutschland wird zu wenig gelobt", tadelt Jordan. Er zitierte eine Studie, nach der fast ein Drittel der Mitarbeiter weniger als fünf Minuten informelles Feedback im Jahr erhalten. Dies sei aber das wichtigste Element, um die Leistung der Mitarbeiter zu erhöhen, 25 Prozent Steigerung seien dadurch möglich.

Leichter Rückgang

Zum elften Mal trafen sich in Wiesbaden die Personaler zum Kongress ihres Verbandes, der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP). Die diesjährige Veranstaltung besuchten rund 850 Teilnehmer. Zur dazugehörigen Messe meldeten sich 180 Aussteller an, was einem leichten Rückgang gegenüber der letzten Veranstaltung entsprach. Der DGFP-Vorstand beschloss, künftig Messe und Kongress jedes statt wie bisher jedes zweite Jahr zu organisieren. Roland Schulz, ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter von Henkel, gab seinen Posten als DGFP-Vorstandschef auf. Neu gewählt wurde Günther Fleig, Personalvorstand und Arbeitsdirektor von Daimler-Chrysler.