Einsatz, Zukunft und Grenzen

Die Roadmap von SAP HANA

22.01.2013
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.
SAP-Vorstand Gerhard Oswald und der HANA-Verantwortliche Franz Färber sprachen mit unseren Kollegen von CIO.de über die Einsatzmöglichkeiten, Grenzen und Ziele von SAP HANA.

Gerhard Oswald, Mitglied des Vorstands und des Global Managing Boards der SAP AG, und Franz Färber, als Senior Vice President SAP HANA verantwortlich für den Bereich Datenbanken bei SAP, sprachen mit CIO.de über die Einsatzmöglichkeiten, Grenzen und Ziele von SAP HANA.

Herr Oswald, wie sieht die aktuelle Roadmap von SAP für SAP HANA aus?

SAP-Vorstand Gerhard Oswald will, dass Firmen künftig auf einer einzigen SAP-HANA-Datenbankinstanz mehrere OLTP- und OLAP-Systeme nebeneinander betreiben können.
SAP-Vorstand Gerhard Oswald will, dass Firmen künftig auf einer einzigen SAP-HANA-Datenbankinstanz mehrere OLTP- und OLAP-Systeme nebeneinander betreiben können.
Foto: SAP

Gerhard Oswald: Seit Kurzem bieten wir über die Amazon-Cloud-Infrastruktur eine Entwicklungsplattform auf Basis von SAP HANA an, auf der Kunden und Partner neue, eigene Anwendungen entwickeln können. Aktuell werden die Cloud-Anwendungen von Successfactors für Personaldienstleistungen und die Cloud-Anwendungen von Ariba für Handelsnetzwerke auf SAP HANA umgestellt. In den nächsten Monaten werden wir sukzessive In-Memory-Angebote für die transaktionalen ERP-, CRM- und SCM-Anwendungen der SAP Business Suite auf den Markt bringen. Dazu laufen bei rund 20 Kunden derzeit Pilotprojekte, deren Ergebnisse ermutigend sind.

ERP, CRM und Co. auf Hana portieren

Die In-Memory-Computing-Technologie von SAP war aber nicht primär für transaktionale Systeme gedacht.

Franz Färber: Wir haben zwar 2005 mit dem SAP NetWeaver Business Warehouse Accelerator zunächst eine In-Memory-basierte Appliance für schnelle Datenanalysen auf den Markt gebracht. Doch die SAP-HANA-Entwicklung war von Beginn an sowohl auf OLAP-basierte BI-Lösungen wie auch auf Online-Transaction-Processing-(OLTP)-Systeme ausgerichtet. Das ist aus unserer Sicht ein großer Vorteil im Vergleich zu anderen In-Memory-Systemen, die derzeit auf dem Markt sind.

Als erste transaktionale Anwendung haben wir das ERP-Paket SAP Business One auf die SAP-HANA-Datenbank portiert. Nun machen wir im nächsten Schritt die transaktionalen Anwendungen der SAP Business Suite fit für den In-Memory-Betrieb. Die Anwendung SAP CRM läuft bereits auf SAP HANA. Sie bildet eine Schlüsselkomponente der Kundenmanagement-Lösung "SAP 360 Customer", die wir soeben auf der Sapphire Now in Madrid (13. - 16. November 2012, Anm. der Redaktion) vorgestellt haben.

Mit einem ERP-, CRM- und SCM-System, das direkt auf einer In-Memory-Datenbank läuft, können komplexe Geschäftsprozesse und große Datenmengen direkt in der Datenbankschicht mit deutlich mehr Tempo abgearbeitet werden als mit konventioneller Datenbanktechnologie.

Worin besteht der konkrete Nutzen für das Business? CIOs werden kaum Geld für eine In-Memory-Lösung in die Hand nehmen, nur weil sich damit Daten schneller verarbeiten oder analysieren lassen.

Gerhard Oswald: Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Bislang laufen in einer ERP-Lösung komplexe Prozesse wie Materialbedarfsplanungsläufe (MRP), Kapazitätsplanungen oder Simulationen in einem Batchmodus. Die Abschaffung der Batch-Durchläufe ist daher ein wichtiger Designpunkt bei der Weiterentwicklung der In-Memory-Technologie für den Betrieb transaktionaler Systeme.

Batch-Durchläufe abschaffen

In einem SAP-ERP-System das auf SAP HANA betrieben wird, ließen sich dagegen täglich mehrere komplette MRP-Läufe durchführen. Werksleiter können auf Ausnahmesituationen in der Fertigung und Disponenten auf neue Kundenanforderungen sehr frühzeitig und flexibel reagieren. Dadurch wiederum können Einkaufs-, Lager- und Produktionsprozesse effizienter gestaltet werden. Und bei Simulationen können die Auswirkungen von Änderungen im Rahmen von "What-if"-Szenarien nahezu in Echtzeit durchgespielt werden. Für das Management ist sofort sichtbar, ob und wie bestimmte Maßnahmen greifen, es kann Entscheidungen frühzeitiger treffen.

Franz Färber, bei SAP verantwortlich für das SAP HANA und das Sybase-Team, sieht Vorteile bei der Verarbeitung großer Datenmengen wenn transaktionale Systeme direkt auf einer In-Memory-Datenbank laufen. Komplexe Prozesse würden dadurch spürbar beschleunigt.
Franz Färber, bei SAP verantwortlich für das SAP HANA und das Sybase-Team, sieht Vorteile bei der Verarbeitung großer Datenmengen wenn transaktionale Systeme direkt auf einer In-Memory-Datenbank laufen. Komplexe Prozesse würden dadurch spürbar beschleunigt.
Foto: SAP

Was passiert beim Wechsel des ERP auf eine In-Memory-Datenbank eigentlich mit den ABAP-basierten Eigenentwicklungen und Partnerlösungen, die SAP-Kunden ja vielfach einsetzen?

Franz Färber: Wir stellen sicher, dass die Modifikationen, Erweiterungen wie auch SAP-Partnerlösungen ebenfalls auf der SAP-HANA-Datenbank laufen, allerdings nicht optimiert für den In-Memory-Betrieb. Die Kunden sollten allerdings im Vorfeld eines SAP-HANA-Projektes ihre Programmcodes untersuchen und bei Bedarf anpassen. Dafür stellen wir spezielle Tools und Services bereit. Mit diesen können auch die Codes der ABAP-basierten Eigenentwicklungen entschlackt werden.

Keine Datenverluste bei Stromausfall

Und wie sieht es mit der Datacenter-Eignung von SAP HANA aus?

Franz Färber: Eine durchgängige Verfügbarkeit unserer In-Memory Lösung auf der Grundlage von Hochverfügbarkeits-, Back-up-Recovery- und Disaster-Tolerance-Szenarien mit Warm-Stand-by und Storage-Mirroring ist jederzeit gewährleistet. Zur Systemüberwachung und Administration können Kunden Bordmittel wie das SAP HANA Studio oder den SAP Solution Manager einsetzen, es gibt außerdem Schnittstellen zu System- und Servicemanagement-Lösungen anderer Hersteller wie IBM Tivoli.

Um Datenverlusten vorzubeugen, werden die In-Memory-Daten aus dem SAP-HANA-Hauptspeicher und die Datenbank-Logs auf die Festplatte geschrieben und der Hauptspeicherinhalt unmittelbar gesichert. Damit gehen auch im Falle eines Stromausfalls keinerlei Daten verloren.

In welche Richtung wird SAP die In-Memory-Entwicklung vorantreiben?

Gerhard Oswald: Ziel ist es, die In-Memory-Datenbanken von OLTP- und OLAP-Anwendungen auf einem einzigen In-Memory-Server zu verschmelzen. OLTP- und OLAP-System bilden dann jeweils eine logische Schicht und nutzen eine gemeinsame In-Memory-Datenbank, in der Transaktions- und Analysedaten zusammenfließen. Die Endanwender wären in der Lage, Analysen und Abfragen beliebiger Granularität, Aggregation und Dimension direkt und in Echtzeit durchzuführen. Auch Data-Mining-Analysen könnten auf sehr granularer Datenebene durchgeführt werden.

OLTP- und OLAP-Systeme auf einer In-Memory-Maschine betreiben

Der nächste logische Schritt ist, auf einer einzigen SAP-HANA-Datenbankinstanz mehrere OLTP- und OLAP-Systeme nebeneinander zu betreiben. Applikationen, die bisher auf getrennten Maschinen laufen, etwa SAP ERP und die Planungslösung SAP Advanced Planning & Optimization (SAP APO), ließen sich direkt miteinander verbinden. Dadurch könnten Daten sehr einfach zwischen diesen Lösungen hin- und hergeschoben werden. Nicht zuletzt werden Kosten für Hardware und die Pflege von Schnittstellen gespart.

Wir entwickeln auf Basis der In-Memory-Plattform auch kontinuierlich neuartige Anwendungen, die Berichts-, Analyse- und Planungsfunktionen erweitern und einen Echtzeitzugriff auf alle Arten von Daten ermöglichen. Es ergeben sich damit völlig neue Möglichkeiten, Geschäftsprozesse zu gestalten. Zum Beispiel lassen sich mit der SAP-Lösung für Sentiment Intelligence unstrukturierte Kundenäußerungen in Social-Media-Netzwerken, Communities, Wikis oder Blogs, die eine öffentlich zugängliche Programmierschnittstelle haben, aufspüren und analysieren. Es liegt an uns, den Unternehmen diese Potenziale der In-Memory-Technologie aufzuzeigen. (CIO/ph)