Kontakte knüpfen für die eigene Karriere

Die Regeln des erfolgreichen Networking

10.01.2003
MÜNCHEN (am) - Seit offene Jobs nicht mehr dutzendfach in der Zeitung oder im Internet stehen, gelten auf dem IT-Arbeitsmarkt andere Regeln. Wer eine Stelle sucht, muss sich auch auf gute Kontakte besinnen.

"Der hat seinen Job doch nur über Vitamin B bekommen", hieß es früher schon einmal abschätzig hinter vorgehaltener Hand über manche Kollegen. Heute spricht man nicht mehr von Vitamin B, sondern von Networking. Und das gilt nicht mehr als anrüchig. "Für mich ist Networking etwas Positives: Zuerst definiere ich meine kurz-, mittel- und langfristigen Ziele. Dann frage ich mich, was ich brauche, um sie zu erreichen. Ich suche mir Verbündete, die mich hierin unterstützen, und als Ausgleich dafür helfe ich ihnen bei ihren Anliegen." Die Beraterin und Trainerin Monika Scheddin hat vor sieben Jahren den ersten Woman''s Business Club in München gegründet, dem weitere in Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main gefolgt sind.

Kontakt-Management als Geschäft

In Hotels treffen sich die Frauen, viele davon in Führungspositionen oder selbständig, alle zwei Monate, um Kontakte zu pflegen und miteinander Geschäfte zu machen. Die können unterschiedlicher Natur sein: Ob es die Anwältin ist, die ihrer Netzwerkkollegin in Sachen Arbeitsrecht hilft, oder die Unternehmensberaterin, die ein günstiges Coaching anbietet.

Karriereexperten empfehlen Jobsuchenden in schwierigen Zeiten, sich auf ihre bestehenden Kontakte zu besinnen. "Zwei Drittel aller Positionen werden nicht durch offizielle Ausschreibungen besetzt. Bevor ein Arbeitgeber eine Anzeige schaltet, sucht er intern nach Kandidaten oder fragt Mitarbeiter, ob sie jemanden kennen, der in Frage käme", sagt die Karriereberaterin Madeleine Leitner.

Von dieser Praxis profitiert Sabine Stimmer, die 1999 die Friends-Net-Work GmbH gründete und die Jobvermittlung über Networking zum Geschäft machte. Etwa 1500 Informatiker, Ingenieure, Mathematiker und Physiker gehören diesem offenen Netzwerk an. Wer eine Stelle sucht, wendet sich an Stimmer, die sich umhört, wo etwas Passendes frei ist und nach einem Gespräch mit dem Interessenten einen Vorstellungstermin vermittelt. Bei Einstellung bezahlt die Firma eine Vermittlungsgebühr. Stimmer sieht sich nicht als klassische Headhunterin: "Wir haben schon im Vorfeld sehr viele Informationen über beide Seiten." Die Kontakte zu den Unternehmen laufen meist über Führungskräfte oder Mitarbeiter, die zum harten Kern von Friends-Net-Work gehören, und nicht über die Personalabteilung.

Bewerber brauchen viel Geduld

Auch Stimmer spürt die Kehrtwende auf dem IT-Arbeitsmarkt: "Es herrscht ein Ungleichgewicht zwischen Bewerberanfragen und offenen Stellen. Diese gibt es eher in mittelständischen Firmen als in Konzernen." Vergingen in Hype-Zeiten oft nur zwei Tage, bis Kandidat und Stelle im Netzwerk zusammengebracht wurden, dauert das heute Monate.

Geduld und systematische Aufbauarbeit sind gefragt, bis man von seinen Kontakten profitieren kann. "Ein Netzwerk muss bestehen, bevor ich es brauche. Viele wollen sofort Geschäfte machen. Das funktioniert nicht", warnt Scheddin, die als selbständige Unternehmerin in verschiedenen Netzwerken aktiv ist. "Die erste Phase ist immer kennen lernen und Vertrauen erwecken." Wenn man auf einem Kongress jemand getroffen und dessen Visitenkarte eingesammelt hat, sollte man binnen drei Tagen an den Erstkontakt anknüpfen: "Das Einfachste ist, eine kurze E-Mail zu schreiben: Es hat mich sehr gefreut, Sie kennen gelernt zu haben, und sollten Sie das nächste Mal in der Stadt sein, lade ich sie gern auf eine Tasse Kaffee ein."

Identifiziert man diese Person als wichtig für die eigenen Ziele - arbeitet sie etwa bei der Firma, in der man ebenfalls unterkommen möchte -, sollte man einen Grund suchen, etwa einmal im Vierteljahr diesen Kontakt zu pflegen. Scheddin gibt dafür Anregungen: "Wenn Sie sich gemerkt haben, wofür sich diese Person interessiert und später zu dem Thema einen Artikel lesen, können Sie ihn ihr zuschicken." Es könne auch ein Buchtipp, eine Geburtstagskarte oder eine Einladung zum Golfturnier sein, je nach Interessenlage des Gegenübers.

Analog zu einer Freundschaft müsse auch Networking, das nicht auf Sympathie, aber Wertschätzung beruhen muss, die Möglichkeit bekommen, zu wachsen und zu reifen. Scheddins Faustregel heißt: "Nach sieben Kontakten ist eine Beziehung fruchtbar, so dass ich sie nutzen kann." Nicht alle geknüpften Kontakte lassen sich aber im persönlichen Dialog pflegen. Darum empfehle es sich, Veranstaltungen zu organisieren, auf denen sich mehrere zusammenfinden, die für das eigene Netzwerk nützlich sind.

Das Nützliche mit dem Angenehmen verbindet auch Regina Mehler, Marketing-Chefin von Chordiant Software. Seit der Softwareanbieter für Customer-Relationship-Management (CRM) vor zweieinhalb Jahren seine deutsche Niederlassung eröffnete, lädt Mehler alle acht Wochen zu Networking-Veranstaltungen mit maximal 50 Teilnehmern ein: Führungskräfte aus Marketing, Vertrieb und IT treffen bei Business Brunch oder After Work Party auf Berater, Systemintegratoren, Journalisten, CRM-Spezialisten und Analysten. Fachvorträge ergänzen sich mit Erfahrungsaustausch und offener Diskussion, eingebettet in ein angenehmes Ambiente. Für das Unternehmen sind diese Veranstaltungen nicht nur eine Imagesache, sondern auch die Chance, neue Partner und Projekte zu gewinnen.

Auch für die eigenen Mitarbeiter sieht Mehler Vorteile: "Sie bleiben am Puls der Branche, können Fachgespräche mit offenem Kragen führen und eigene Ideen zwanglos diskutieren." Ein Mitarbeiter knüpfte auch den ersten Kontakt zu seinem späteren Arbeitgeber bei einem solchen Event. Umgekehrt konnte Chordiant die Stelle des technischen Architekten mit einem Teilnehmer der Veranstaltungen besetzen.

Mehler ist sich bewusst, dass die Pflege des Netzwerkes viel Zeit kostet: "Erfolgreiche Kommunikation setzt regelmäßige Veranstaltungen voraus." Auch Scheddin rät dazu, sich immer wieder in Erinnerung zu bringen, um dann auf jemand mit gutem Gewissen zuzugehen, wenn man ihn braucht.

"Systematisches Networking heißt, dem Knüpfen und der Pflege von Kontakten Priorität beizumessen. Erfolg findet zu 60 Prozent über Kontakte und Selbst-PR-Plattformen statt. Es reicht nicht aus, dass ich gut bin, aber es keiner weiß. Je mehr ich mich selbst verkaufe oder positioniere, desto besser", sagt Scheddin. Viele Männer gingen diesbezüglich sehr strukturiert vor und nähmen sich zwei Abende pro Woche für Networking Zeit. "Sie verbuchen das als Arbeitszeit und haben kein schlechtes Gewissen, mal an der Bar zu versacken. Dort sind erst die wichtigen informellen Gespräche möglich", so Scheddin.

Networking-Tipps

Netzwerkexpertin Monika Scheddin, Initiatorin des Woman''s Business Club, erklärt die ungeschriebenen Regeln von Netzwerken:

- Man muss ein Nein akzeptieren können, wenn man jemanden um einen Gefallen bittet, und darf nicht beleidigt sein. Sonst ist die Beziehung tot.

- Wer in Netzwerken immer nur schnuppert, konsumiert und sich nicht aktiv einbringt, kommt nicht weiter.

- Beziehungen dürfen nicht ausgenutzt werden: Nicht zu schnell und nicht zu oft auf die Kontakte zurückgreifen. Zudem gilt es, achtsam zu sein. Wer einen vermittelten Kontakt schlecht behandelt, hat nicht nur diesen neuen Ansprechpartner verprellt, sondern auch den Vermittler.

- Man darf auf keinen Fall Adressen- oder Mitgliedslisten weitergeben. Das kommt spätestens dann raus, wenn der Betroffene Anrufe von Direktversicherern bekommt.

- Man sollte sich immer Zeit nehmen, sich mit Worten, einem Blumenstrauß, einem Buch oder einem Gutschein zu bedanken, wenn ein Netzwerkkollege einem geholfen hat. Fast 80 Prozent der Leute schaffen es nicht, sich zu bedanken.

- Oft treffen sich immer wieder die gleichen Gruppen und reden immer wieder über das gleiche Thema. Stattdessen sollte aber im Netzwerk zirkulieren, schnelle, kurze Kontakte knüpfen und nach dem Event die Kontakte, die man sich vorgenommen hat, auch intensivieren.